Im Nachklapp der vergangenen Sitzung musste der Bundesnachrichtendienst (BND) eingestehen, dem Ausschuss rund 130 relevante Dokumente vorenthalten zu haben. Dies räumte der BND gegenüber dem Kanzleramt ein, nachdem während der letzten Sitzung der Eindruck entstand, dass sich der Zeuge auf Akten bezog, die dem Ausschuss noch gar nicht vorlagen. Spiegel Online berichtete über den Vorgang. Der BND spricht von einem Versehen und wird im Vorfeld der heutigen Sitzung dieses Versehen gegenüber Abgeordneten und Ausschuss erklären müssen.

Aufgrund einer namentlichen Abstimmung im Plenum, bei der die Abgeordneten anwesend sein müssen, beginnt die nichtöffentliche Beratungssitzung des Ausschusses dieses Mal erst um 11.30 12:00 Uhr. Die öffentliche Beweisaufnahme des Ausschusses findet dann ab 12:00 12:30 Uhr statt. Sitzungsort ist erneut der Europasaal des Bundestages. Im Zuge der Sitzung am heutigen Donnerstag wird diesmal nur ein BND-Zeuge aus den Reihen des Bundesnachrichtendienstes (BND) angehört. Thematisch befassen wir uns diese Woche im Wesentlichen mit der Operation EIKONAL, aber auch mit der Operation GLO.

Bei dem Zeugen handelt es sich um Dr. Dieter Urmann (Brigadegeneral), seit 2001 im BND tätig und bezüglich des Untersuchungsauftrags des Ausschusses auf verschiedenen relevanten Positionen tätig, insbesondere in der damaligen Abteilung 2, die für Technische Aufklärung zuständig war. Dort war der Zeuge ab Oktober 2003 zunächst Referatsleiter beim Stab der Abteilung 2 und hatte damit schon zu einem Zeitpunkt, als die Operationen EIKONAL und GLO anliefen, die nächst höhere Ebene beraten. Ab Juni 2004 war der Zeuge dann Unterabteilungsleiter für den Bereich Nachrichtengewinnung, d.h. für den Organisationsteil, der solche Projekte und technischen Überwachungen durchführt. Im Juli 2006 ist der Zeuge dann Abteilungsleiter 2 („Technische Aufklärung“) geworden und hat den ebenfalls schon gehörten BND-Zeugen Breitfelder, auf diesem Posten „beerbt“. AL 2 war der Zeuge bis Ende April 2008, also bis kurz vor dem offiziellen Ende von EIKONAL. Der Zeuge kann durchaus als eine Schlüsselfigur bei der vom BND zusammen mit den US-Geheimdiensten NSA und CIA betriebenen Ausforschung der Satelliten- und Internetkommunikation angesehen werden.

Der Zeuge ist insbesondere deshalb von besonderem Interesse, da er fast während der gesamten Laufzeit von EIKONAL an entscheidenden Stellen der Abteilung 2 tätig war: Zunächst im Abteilungsstab, dann als Unterabteilungsleiter und schließlich als Abteilungsleiter. Aus den bisherigen Zeugenvernehmungen und den vorliegenden Akten wissen wir, dass der Zeuge maßgeblichen Anteil an den Abläufen insbesondere bei EIKONAL hatte. Er hatte im Februar 2006 eine Projektgruppe eingesetzt, die die Abläufe und eingesetzte Software der Operation EIKONAL auf Herz und Nieren prüfen sollte. Entstanden ist dabei ein sogenannter „Schwachstellenbericht“. Er stellt dem G10-Schutz und der Datensicherheit ein verheerendes Urteil aus. Über einen ähnlichen Bericht hatte netzpolitik.org gestern berichtet.

Da der Zeuge  Verfasser dieses Berichtes ist, erhoffen wir uns insbesondere Aufklärung bezüglich der Frage, mit welchen Schwierigkeiten die Operation EIKONAL gekämpft hat. Dazu zählt unter anderem die G10-Problematik, also die Frage, in welchem Umfang die US-amerikanische National Security Agency (NSA) auch an Kommunikationsdaten von Bundesbürgern gelangt ist. Genauso ist die Frage von Interesse, welche Datenmengen bei der Operation EIKONAL ausgeleitet und verarbeitet wurden und dem Zugriff der NSA offenstanden. Sehr ähnliche Fragen stellen sich bei der Operation GLO und der Kooperation des BND mit einem anderen US-Dienst. Beleuchten wollen wir auch die Frage, inwiefern der BND von der NSA „über den Tisch gezogen“ wurde, z.B. indem die NSA mehrfach Suchbegriffe eingesteuert hat, die gegen deutsche Interessen gerichtet waren. Um diese Fragen zu klären, hat der Untersuchungsausschuss in der letzten Sitzung auf unser Betreiben hin einen weiteren Beweisbeschluss gefasst, der genau dies näher beleuchten soll.

Wir wollen im Rahmen der heutigen Sitzung auch der Frage nachgehen, wieso EIKONAL, nachdem der BND angeblich alle Probleme in den Griff bekommen hatte, beerdigt wurde. Aus unserer Sicht scheint dem heutigen Zeugen als Abteilungsleiter 2 die Aufgabe zugekommen zu sein, als eine Art Abwickler zu fungieren, der zwei der aus BND-Sicht risikoreichsten, weil rechtlich mehr als fragwürdige Operationen beendet oder deren Ende eingeleitet hat. So fiel auch das Ende von GLO im November 2006 in den Tätigkeitzeitraum des Zeugen als AL 2. Aufgrund dieser Position  erwarten wir uns von dem Zeugen auch Auskünfte darüber, was das Kanzleramt über die Operation EIKONAL und insbesondere über den Schwachstellenbericht damals wusste und in welcher Art und Weise es gegebenenfalls Einfluss auf den Verlauf des Projekts nahm. Zu guter Letzt werden wir auch der Frage nachgehen, ob es eine Kompensation zur eingestellten Operation EIKONAL gab und wie diese aussah.

Auch heute wird netzpolitik.org dankenswerter Weise wieder live aus dem Untersuchungsausschuss berichten. Den wirklich unermüdlicher Einsatz kann man gut durch eine kleine Spende unterstützen.

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