Die Verbreitung von öffentlichen WLAN ist durch eine erhebliche Rechtsunsicherheit und die sogenannte Störerhaftung über Jahre behindert worden. Umso spannender wurde das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Störerhaftung erwartet. Die Bewertungen des heutigen Urteils gehen durchaus weit auseinander.

Auf den ersten Blick wirkt das Urteil durchaus ausgewogen, auf den zweiten Blick wirft es neue Fragen auf. Das Gericht hat festgehalten, dass diejenigen, die ihre Netze Dritten gegenüber öffnen, nicht grundsätzlich haften. Das Konstrukt der auch im deutschen Telemediengesetz (TMG) verankerten Providerprivilegierung wurde somit durch das Gericht zunächst bestätigt.

Dass das Gericht klarstellt, dass Betreiber offener Funknetze weder auf Schadensersatz noch auf Ersatz der Kosten eines gerichtlichen Verfahrens in Anspruch genommen werden können, ist begrüßenswert. Bei wiederholten Rechtsverletzungen hält es der EuGH jedoch für möglich, von dem Betreiber per gerichtlicher Verfügung zu verlangen, den Netzzugang mit einem Passwort zu sichern. Um an dieses Passwort zu gelangen, müssten Nutzerinnen und Nutzer zudem ihre Identität offenlegen.

Anders als zuvor der Generalanwalt hält der EuGH weitreichende Auflagen zum Schutz von Funknetzen durch Passwörter, Nutzerregistrierung und Co. zur Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen also für verhältnismäßig und zumutbar. Allerdings betont das Gericht auch, dass eine Überwachung des Netzverkehrs und einzelnen Userinnen und User nicht rechtmäßig sei.

Wie die vom Gericht verlangte Offenlegung der Identität in der Realität konkret ausgestaltet werden kann, erscheint aus heutiger Perspektive fraglich. Es steht zudem zu befürchten, dass der offen gehaltene Weg der gerichtlichen Anordnung zur zukünftigen Sicherung durch Passwort und Nutzeridentifizierung ausgiebig genutzt und Grenzen neu ausgelotet werden.

Leider ist das Gericht dem Plädoyer des Generalanwalts nicht in allen Punkten gefolgt. Das Urteil hat somit Licht und Schatten. Es hätte durchaus auch deutlicher im Sinne derjenigen, die ihre Netze für die Allgemeinheit öffnen, ausfallen können. Das hätten wir uns gewünscht. Ob es nach dem EuGH-Urteil tatsächlich zu einer, auch von der Europäischen Kommission in den letzten Tagen erneut forcierten, flächendeckenden Abdeckung mit freien Funknetzen kommt, erscheint daher aus heutiger Perspektive fraglich. Ein gutes Stück Rechtsunsicherheit bleibt also auch nach dem heutigen Urteil bestehen.

Die Große Koalition hat sich bei der über Jahre versprochenen Reform der Störerhaftung nicht gerade mit Ruhm bekleckert, im Gegenteil: Sie hat es verpasst, selbst eine Klarstellung im Gesetz vorzunehmen und die bestehende Rechtsunsicherheit für die Anbieter offener Funknetze herzustellen. Dieses Versprechen hat man nicht eingehalten. Dies hatte auch der Bundesrat kritisiert. Die entscheidenden Passagen hatte man nicht ins Gesetz selbst, sondern nur in die Begründung geschrieben, die, das hat der Bundesgerichtshof (BGH) wiederholt festgehalten, für die Rechtsprechung jedoch nicht bindend ist.

Vielmehr wurden zentrale Fragen erneut in der Hoffnung, dass diese die verloren gegangene Rechtssicherheit herstellen, an die Gerichte delegiert. Der EuGH hat diese Erwartung zumindest nur bedingt erfüllt. Auf die Bewertung und die Reaktion der Großen Koalition auf das Urteil des EuGH sind wir vor diesem Hintergrund sehr gespannt. Die Bundesregierung hatte angekündigt, das von ihr vorgelegte Gesetz 2018 überprüfen lassen zu wollen.

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