Die Mehrheit der Bundesbürger steht der Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ihrer Telekommunikationsverkehrsdaten zu allgemeinen Sicherheitszwecken ablehnend gegenüber. Allein die CDU/CSU drängt weiterhin auf eine weitestgehend unveränderte Neuauflage der Massenspeicherung, deren Rechtsgrundlage noch im März vergangenen Jahres vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt worden war. Nachdem nun ein internes Papier durchgesickert ist, wird klar: Die Union will die Vorratsdatenspeicherung über die Hintertür einführen.
Die interne Dokumentation der Generalstaatsanwaltschaft München zu den Speicherzeiten bundesdeutscher Provider hat die heutige netzpolitische Diskussion maßgeblich bestimmt. In der Tat wirft das Papier zahlreiche Fragen auf. Die Liste der Staatsanwaltschaft deutet auf eine erheblich pauschalisierende und aufrundende Speicherpraxis in den Unternehmen hin. Dies ist mit dem Grundsatz der Datensparsamkeit nicht vereinbar und dürfte bei meist nicht abrechnungsrelevanten Datenarten, wie den Standortdaten, schlicht rechtswidrig sein. Wir fordern den Gesetzgeber auf, bei der anstehenden Novelierung des Telekommunkationsgesetzes Klarheit zu schaffen. Denn: Statt geheimer Papiere aus den Amtsstuben bedarf es jetzt größtmöglicher Transparenz für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Sie haben ein Recht zu erfahren, wie die Speicherpraxis in Deutschland tatsächlich aussieht und was mit ihren Daten geschieht.
Anerkennend und ein wenig optimistischer geht dieser Tage der netzpolitische Blick in die Niederlande und Belgien. Die Debatte des holländischen Parlaments zur Netzneutralität durch Festschreibung im Telekommunikationsgesetz ist mittlerweile auch in Deutschland wahrgenommen worden (Spiegel Online berichtete am 9. Juni). Zudem liegt dem belgischen Parlament ein Gesetzesentwurf zur Netzneutralität vor, der im zweisprachigen Titel von "la neutralité du réseau" und "netneutraliteit" spricht.
Beim neuen Telekommunikationsgesetz muss die Bundesregierung dringend nachbessern. Wir Grüne sehen noch deutlichen Reformbedarf in einigen Bereichen: bei Breitbandversorgung, Wahrung der Netzneutralität, in der Frequenzpolitik, bei Verbraucher- und Datenschutz.
Am 8. Juni wird von 11-13.30 Uhr die Anhörung zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes stattfinden. Der Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestags hat hierzu Verbände und Sachverständige geladen. Wir stellen die zahlreichen Stellungnahmen, die im Vorfeld verfasst worden sind, auf gruen-digital zum Download bereit. Hinweise auf weitere Texte nehmen wir gerne jederzeit entgegen. Livestream: www.bundestag.de.
Wie Thomas Mike Peters beim Telemedicus berichtet, bestehen die Rundfunkreferenten der Länder auf einer gesetzlichen Festschreibung der Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz (TKG). Momentan beraten die Ausschüsse des Bundesrats über die am 2. März vom Kabinett verabschiedete Vorlage. Bereits am 28. März hat der Kulturausschuss einen Antrag der Länder Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Thüringen einstimmig verabschiedet.
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