Die Verabschiedung des Leistungsschutzrechts ist kein Sieg für die Verlage. Auch nicht für die politischen Parteien und Fraktionen, die es wollten.

Es gibt Siege, die kosten soviel, dass sie zur Niederlage werden. Und deswegen ist die Geschichte des Leistungsschutzrechts in dieser 17. Legislaturperiode Dokumentation einer brutalen Niederlage der Befürworter dieses Projekts.

Das Leistungsschutzrecht hatte durch Lobbyhand seinen Weg in den schwarzgelben Koalitionsvertrag gefunden. In den Wahlprogrammen von Union und FDP stand davon nichts.

Ich kann mich noch gut an die erste Anhörung des Bundesjustizministeriums vor ca. drei Jahren erinnern. Heerscharen von Lobbyisten und Rechtsanwälten versuchten ein irgendwie geartetes Leistungsschutzrecht zu konstruieren. Wie ein solches Recht konkret ausgestaltet werden sollte, konnten all die Interessenvertreter nicht beantworten. Über Jahre hat man versucht, diesem Konstrukt juristisch irgendeine Legitimation einzuhauchen. Ohne jeden Erfolg.

Auch heute kann das Leistungsschutzrecht für Verlage nicht in drei geraden Sätzen erklärt werden, weil seine Begründung so offen widersprüchlich und unlogisch ist, dass es jedem sofort auffällt. Mehrfach hat man den „Gesetzesentwurf“ geändert, zuletzt noch einmal kurz vor der Abstimmung im Bundestag. Diese Änderungen sorgten schließlich dafür, dem Entwurf auch das allerletzte Fünkchen an Klarheit zu nehmen.

Bei seiner Verabschiedung gab es niemanden mehr, der das Gesetz offen befürwortete. Vom BDI bis zu Ver.di, von Rechtsanwälten bis zu den Freischreibern – alle sprachen sich gegen das Leistungsschutzrecht aus. Selbst die bis dahin immer so aktiven Lobbyisten der Verlagsbranche schwiegen sich aus – und fanden ihre Stimme erst nach der jüngsten Zitterpartie im Bundesrat wieder.

Das Leistungsschutzrecht kam trotz der allgegenwärtigen Kritik, weil das Thema inzwischen zu einer hoch aufgeladenen Machtfrage geworden war. Nach dem jahrelangen, hochaufwendigen und auf höchster politischer Ebene ansetzendem Druck, war es für die Kanzlerin, die bei den Verlagen im Wort stand, unmöglich geworden, die Gesetzesinitiative einfach sang- und klanglos versanden zu lassen – was zweifellos das Beste gewesen wäre. Man hatte sich einfach zu weit aus dem Fenster gelehnt, zu viel investiert und – trotz vollmundiger Ankündigungen am Anfang der Legislatur – auch sonst Nichts im Bereich Urheberrecht vorzuweisen.

Für die Zeitungsverlage schwankte der Boden in dieser Frage so stark, dass eine angemessene bzw. objektive Berichterstattung zu diesem gesellschaftlich hoch relevanten Thema im Print weitestgehend nicht erfolgte. Unter Gesichtspunkten der Informationsfreiheit ist das Vorgehen so mancher Verlagshäuser als durchaus schwierig und aufarbeitungswürdig zu betrachten. Zugleich ist es Beleg der eigenen Angst, Verzweiflung und Unsicherheit. Ausdruck dieser Unsicherheit sind auch die nun schleunigst zusammengeschusterten „Mittelungen in eigener Sache“, die der Leserschaft den zukünftigen Umgang mit dem Leistungsschutzrecht erklären und das netzaffine Publikum nicht vergrätzen sollen.

Die Parallelität der Diskussion um das Leistungsschutzrecht zur Stopp-Schild-Diskussion und den Netzsperren ist offensichtlich. Hierauf habe ich auch schon in meiner Rede zum Leistungsschutzrecht im Bundestag hingewiesen. Auch hier handelte es sich nicht nur um ein kurz vor Ende der Legislatur noch verabschiedetes, handwerklich schlecht gemachtes Gesetz, dessen eigentliche Intention bis heute in Frage steht. Letztlich verwandelte sich ein zunächst vermeintlicher Sieg dieses in vielerlei Hinsicht hanebüchenen Ansatzes, zu einer schweren politischen Niederlage für die einstigen Befürworter.

Auch das Leistungsschutzrecht ist ein handwerklich miserables, von seiner Zielsetzung unklares Vorhaben, das am Ende kontraproduktive Wirkungen für alle Betroffenen entfalten wird. Dieses Gesetz, das ist heute absehbar, wird erheblichen Schaden anrichten. Den Verlagen hilft das Leistungsschutzrecht nicht. Im Gegenteil: Wie so oft, wenn Interessengruppen meinen, etwas gegen jede Ratio erzwingen zu müssen, werden Entwicklungen, die man meiden bzw. verzögern wollte, noch beschleunigt. Von dem enormen Imageschaden der Verlagswelt bei der Leserschaft von morgen mal ganz abgesehen.

Dass sich die Verlage und die Bundesregierung die Blöße gegeben haben, dieses Vorhaben gegen alle guten Argumente, noch kurz vor dem Ende der Legislatur durchzudrücken, wird sie am Ende teuer zu stehen kommen. Dass es die SPD nicht vermeiden konnte, sich an diesem Gesetz mitverantwortlich zu machen, wird ihr lange anhängen.

Für diejenigen, die sich mit guten Argumenten immer wieder gegen dieses unsinnige Vorhaben ausgesprochen haben, heißt es, jetzt nicht den Kopf in den Sand zu stecken und sich zu grämen, dass man nicht auch seine Mutter angesichts der Unsinnigkeit dieses Vorhabens  aktivieren konnte. Man kann erhebliche Zweifel daran haben, dass ein noch breiterer Protest gegen die „Befürworter wider Wissens“, in dieser Phase Erfolg gehabt hätte.

Am Ende wird die Verabschiedung des Leistungsschutzrechts, wie zuvor die Regelungen zu Netzsperren, als weiterer Beleg in die Geschichte eingehen, dass manche vermeintlichen Siege in Wahrheit schwere Niederlagen sind. So dialektisch kann Politik sein.

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