Heute hat die Bundesregierung endlich ihre lange erwartete „Datenstrategie“ vorgestellt.

Die „Datenstrategie“ der Bundesregierung ist lange überfällig. Sie hätte eigentlich bereits im vergangenen Sommer vorliegen sollen. Doch wie bei zahlreichen anderen digitalpolitischen Vorhaben konnten sich CDU/CSU und SPD auch hier nicht einigen. Hierdurch hat die Bundesregierung die Chance einer tatsächlichen Umsetzung der nun gemachten Vorschläge in konkrete Gesetzgebung noch vor Ende der laufenden Legislaturperiode vergeben.

Was nun vorgelegt wurde, ist von einer echten „Strategie“ weit entfernt. Vielmehr handelt es sich um eine recht lieblose Auflistung von über 240 Einzelvorhaben, von denen nicht viele alles andere als neu sind. Dies gilt beispielsweise für das Cloud-Projekt Gaia-X. Deutlich wird: Was sie eigentlich vorlegen wollte, eine echte – weiterhin dringend notwendige – Strategie für den Umgang mit Daten in der digitalen Welt bleibt die Bundesregierung schuldig.

Vielfach traut sich die Bundesregierung nicht über vage Absichtserklärungen und Prüfaufträge hinaus. Insgesamt ist diese Strategie das Gegenteil einer klar abzuarbeitenden Agenda. Ein Stück weit ist sie sogar das Eingeständnis des eigenen Scheiterns und eine Problembeschreibung hinsichtlich der seit Jahren nicht bearbeiteten Baustellen. Echte politische Handlungen und konkrete Vorschläge zum gesetzlichen Schutz privater Daten und zur Veröffentlichung offener Daten bleiben überfällig. Über das Appellative kommt die Bundesregierung jedoch viel zu oft nicht hinaus.  

Das Bundesjustizministerium soll etwa prüfen, ob „durch Anforderungen an die verwendeten Trainingsdaten oder durch Defizite in der Rechtsdurchsetzung Diskriminierung durch algorithmenbasierte Entscheidungen entgegengewirkt werden kann.“ Dabei sollten wir längst über Prüfaufträge hinaus sein: Denn auf die dringend notwendige Klärung dieser und anderer Fragen und echte gesetzgeberische Schritte wird – auch durch die von der Bundesregierung selbst eingesetzten Kommissionen – seit Jahren gedrängt. Auch bezüglich einer Datenteilungspflicht für Unternehmen auf besonders datengetriebenen Märkten hat man sich lediglich auf einen Prüfauftrag verabreden können.

Einen schlanken Fuß macht sich die Bundesregierung auch bezüglich der Frage nach einer Vereinheitlichung der Aufsichtsstrukturen. Überfällig war eine klare Absage an die völlig in die Irre führende Debatte um ein Eigentum an Daten. Dennoch fehlt es bei der „Datenstrategie“ in vielen Teilen an einer „Datenschutzstrategie“. So bleiben viele Fragen im Hinblick auf den Schutz der Betroffenen, Transparenz und Verantwortung im Zusammenhang mit Big Data, der zunehmenden Verbreitung von Geräten des „Internet of things“ und maschinengeschütztem Lernen trotz des erheblichen Regulierungsbedarfs weiterhin offen. Auch fehlen nach entsprechenden Urteilen des EuGHs weiterhin klare Rechtsgrundlagen für den transatlantischen Datenaustausch. Das hat sich in der Corona-Krise, in denen die Menschen vielfach gezwungen sind, über unsichere Plattformen zu kommunizieren, gerade noch einmal gezeigt. 

Wir begrüßen, dass insgesamt endlich der Versuch unternommen werden soll, den zukünftigen Umgang mit Daten auf Basis mühsam erkämpfter, europäischer Schutzstandards zu regeln und die Bedeutung offener Daten für das Gemeinwohl anzuerkennen und zu betonen. Allerdings ist die Bundesregierung bislang weit davon entfernt, ihrer eigenen Vorbildfunktion tatsächlich auch gerecht zu werden. Vielmehr waren die vergangenen Jahre von zahlreichen Versuchen vor allem des Bundesinnenministeriums geprägt, den Schutz persönlicher Daten der Bürgerinnen und Bürger entgegen klarer verfassungsrechtlicher Vorgaben aufzuweichen. Damit muss endlich Schluss sein!

Dass der Kanzleramtsminister geltende Datenschutzstandards nun als „extrem großen Wert“ bezeichnet, muss der Auftakt einer echten Kehrtwende der Bundesregierung im Umgang mit persönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger sein. Ob Registermodernisierung, Bestandsdatenauskunft oder das Festhalten an der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung – die aktuellen Gesetzesvorhaben der Großen Koalition, denen von vielen Seiten mit schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet wird, zeugen davon, dass sich die Erkenntnis des Kanzleramtschefs noch nicht in der konkreten Gesetzgebung der Großen Koalition widerspiegelt.

Auch bei der Bereitstellung offener, nicht-personenbeziehbarer Daten durch Staat und Verwaltung ist man in den vergangenen Jahren nicht wirklich vorangekommen. Das überfällige, aber gerade erneut verschobene 2. Open-Data-Gesetz der Bundesregierung wird seinem Namen kaum gerecht. Trotz der Tatsache, dass man sich in verschiedenen internationalen Abkommen sehr weitgehend selbstverpflichtet hat, hat man unsere Vorschläge, beispielsweise für ein „Bundestransparenz-Gesetz“, fatalerweise nie aufgegriffen. Insgesamt hat man von Seiten der Bundesregierung den Wert offener Daten, trotz aller Lippenbekenntnisse und Absichtserklärungen, bis heute nicht wirklich erkannt. Längst haben die Länder dem Bund, der einst eine wichtige Vorbildfunktion einnahm, den Rang abgelaufen.

Insgesamt wurde im Zuge der Vorlage der Datenstrategie der Bundesregierung noch einmal vor allem eins deutlich: Wie groß die Versäumnisse der Bundesregierung in diesem für die digitale Gesellschaft so zentralen Feld sind. Die Zeit vager Absichtserklärungen muss ein für alle Mal vorbei sein. Die Bundesregierung muss die eigene Datenpolitik der vergangenen Jahre kritisch hinterfragen. Auch sie muss sich dem Ausverkauf unserer Grundrechte mit echten politischen Handlungen entgegenstellen. Und sie muss den Wert offener Daten als zentralem Gemeingut im digitalen Zeitalter endlich anerkennen – und endlich in der Realität auch entsprechend politisch handeln!

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