In unregelmäßigen Abständen berichten wir in der Rubrik “Gastbeiträge“ von eigenen Publikationen in Zeitschriften und Büchern oder geben anderen Menschen Gelegenheit, hier zu veröffentlichen. Von dieser Möglichkeit macht heute erneut Hannah Neumann Gebrauch. Hannah ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und seitdem im ständigen Einsatz für Menschenrechte, Frieden und Feminismus. An dieser Stelle hat sie bereits wiederholt über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Europäischen Parlament zu den Enthüllungen um den menschen- und grundrechtswidrigen Einsatz der Spionagesoftware Pegasus berichtet.  

Der Einsatz von Spionagesoftware in- und außerhalb der EU ist außer Kontrolle geraten – das haben wir in den letzten zehn Monaten Arbeit im Pegasus-Untersuchungsausschuss eindeutig festgestellt. Der Ausschuss, in dem ich Schattenberichterstatterin bin, geht nun in eine entscheidende Phase: Nach der Vorstellung des Entwurfs für den Abschlussbericht haben alle Fraktionen ihre Änderungsanträge vorgelegt (hier die Links – alle auf Englisch: 1 – 240241 – 510511 – 760761 – 10201021 – 1281). Auf dieser Grundlage werden wir in den kommenden Wochen intensiv verhandeln, um bis Ende April ein Ergebnis vorlegen zu können.

Der Berichtsentwurf setzt sich aus zwei Teilen zusammen: einer 61-seitigen Bestandsaufnahme und einem 26-seitigen Katalog mit konkreten Empfehlungen für alle relevanten Akteure. Unsere Fraktion hat zu beiden Berichtsteilen insgesamt 472 Änderungsanträge eingereicht, da wir die (bereits sehr gute) Grundlage in einigen Bereichen stärken und verbessern möchten.

Die Bestandsaufnahme dokumentiert umfangreich den Missbrauch von Spionagesoftware innerhalb der EU. Sie stützt sich dabei auf die bisherige Arbeit des Untersuchungsausschusses, einschließlich Anhörungen, Studien und Missionen in bestimmte Mitgliedsstaaten und nach Israel (NSO, der Hersteller von Pegasus, hat dort seinen Sitz). Besonders hervorgehoben sind hier fünf EU-Staaten, in denen Spyware-Missbrauch dokumentiert wurde: Griechenland, Polen, Spanien, Ungarn und Zypern. Außerdem zeigt der Entwurf die undurchsichtigen Geschäftsbeziehungen der in der EU tätigen Spionagesoftwareunternehmen – diese profitieren maßgeblich vom freien Waren-, Finanz- und Dienstleistungsverkehr des EU-Binnenmarkts.

Forderung nach Moratorium

Der Entwurfstext zu den konkreten Empfehlungen fordert ein Moratorium für Entwicklung, Verkauf, Erwerb, Wartung und Verwendung von Spionagesoftware: Das ist uns als Fraktion Grüne/EFA besonders wichtig. Allerdings geht uns der Vorschlag nicht weit genug: Wir fordern zudem ein Verbot für besonders übergriffige Spionagesoftware (wie beispielsweise Pegasus), mittels derer IT-Geräte von Zielpersonen für die Fälschung von Daten und Nachrichten manipuliert werden können.

Berichterstattungspflicht und europäischer Aufsichtsmechanismus

Wir haben zudem einen Änderungstext eingebracht, der eine verbindliche Berichterstattung und eine Aufsicht über die Verwendung von Spionagesoftware auf nationaler und europäischer Ebene fordert: Die jeweils verantwortlichen Behörden in den Mitgliedsstaaten sollten einem nationalen Kontrollgremium mindestens jährlich in anonymisierter Form über die Verwendung von Spionagesoftware Bericht erstatten müssen. Diese Informationen sollten ebenfalls an die Europäische Kommission weitergeleitet werden, um sie öffentlich zu machen und Transparenz und Vergleichbarkeit herzustellen. Zusätzlich empfehlen wir die Schaffung eines gemeinsamen Aufsichtsgremiums aus Vertreter*innen der Kommission und Europaabgeordneten, das den Einsatz von Spionagesoftware durch Akteure in der EU überwacht. 

Die außenpolitische Dimension kommt zu kurz

Als Grüne Außenpolitikerin kommt mir im Berichtsentwurf die außereuropäische Dimension deutlich zu kurz. Beispielsweise enthält der Text kaum Informationen zur Mitverantwortung an Menschenrechtsverletzungen in autoritären Staaten durch den Export von Spionagesoftware durch EU-Unternehmen. Einen guten Überblick über die globale Dimension des Missbrauchs von Spionagesoftware – mit zahlreichen dokumentierten individuellen Fällen – haben wir übrigens in einer interaktiven Karte auf der Fraktions-Website www.spywarefiles.eu gesammelt. Dort wird das Ausmaß der Verfolgung von Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen, Aktivist*innen, Politiker*innen und Wissenschaftler*innen, aber auch deren Angehörigen erschreckend deutlich.

Das Ergebnis der Verhandlungen wird voraussichtlich Anfang Mai im Ausschuss abgestimmt. Die Resolution wird darüber hinaus auch noch im Plenum verabschiedet, bevor der Bericht an die Europäische Kommission weitergeleitet wird. Und danach? Danach heißt es warten, dass die Kommission einen Gesetzesvorschlag für eine Richtlinie oder Verordnung zum Thema vorlegt. Basierend darauf kann dann das Parlament zusammen mit dem Rat wiederum Änderungsanträge einbringen. Am Ende steht hoffentlich eine neue Gesetzgebung mit den zentralen Forderungen des Ausschussberichts!

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