Gestern berichtete netzpolitik.org über einen von der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte erstellten Bericht über Privatsphäre im digitalen Zeitalter, den die Generalversammlung im Dezember 2013 verabschiedet und die britische NGO Privacy International nun analysiert und kommentiert hat. Die NGO kommt zu dem Schluss, dass der Bericht einen Wendepunkt in der internationalen Debatte über das Recht auf Privatsphäre darstellen könnte. Der von der Generalversammlung in Auftrag gegebene Bericht basiert inhaltlich wesentlich auf dem letzten Staatenbericht des UN-Menschenrechtsausschusses vom März 2014.

Vor mehreren Monaten haben wir uns zum ersten Mal im Rahmen eines Fachgesprächs mit namhaften Verfassungs- und Menschenrechtlern zu dieser Thematik ausgetauscht. Im Anschluss an dieses Fachgespräch haben wir nicht nur mit Hinweis auf die Aktivitäten des britischen GCHQ gegenüber der Europäischen Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich Großbritannien angeregt (hier ein ausführlicher Blogpost, ein Artikel auf SPON, im Verfassungsblog und ein Interview mit der Deutschen Welle zu unserer Initiative sowie eine durch uns erstellte rechtlichen Einschätzungen (pdf).

Als grüne Bundestagsfraktion hatten wir uns zudem im September 2013 wegen der uferlosen Totalüberwachung der elektronischen Kommunikation durch die US-amerikanische NSA an den UN-Menschenrechtsausschuss gewandt. In einer entsprechenden rechtlichen Stellungnahme forderten wir u.a., dass die USA der Spruchpraxis des Menschenrechtsausschusses insbesondere zu Art. 17 des Paktes für zivile und bürgerliche Rechte folgend, dazu aufgefordert werden sollten, die massenhafte Datenüberwachung und -speicherung zu beenden und Kommunikationsüberwachung an klare, transparente rechtsstaatliche Voraussetzungen zu knüpfen.

Weiterhin forderten wir die Sicherstellung von Rechtsschutzmöglichkeiten für Ausländer außerhalb der USA deren Kommunikation überwacht wird – was zunächst natürlich voraussetzen würde, dass die Betroffenen überhaupt davon erfahren, dass ihre Gespräche oder Emails überwacht, ausgewertet und gespeichert wurden. Der UN-Menschenrechtsausschuss ist in seinem vierten Staatenbericht zur USA und seinen „Abschließenden Beobachtungen (Concluding observations“) ganz weitgehend unseren Forderungen gefolgt (hier ein entsprechender Artikel in der Berliner Zeitung sowie ein Kommentar)

Der Ausschuss fordert die USA ganz grundsätzlich dazu auf, die Verpflichtungen des Paktes – entsprechend der Spruchpraxis des Ausschusses und seinem General Comment No. 31 aus dem Jahre 2004 – auch dann einzuhalten, wenn staatliche Stellen der USA außerhalb der USA agieren oder von den USA aus nicht in den USA aufhältige Ausländer „ins Visier“ nehmen. Das hätte weitreichende Konsequenzen insbesondere für die Überwachungstätigkeit der NSA.

Der Ausschuss zeigt sich ausdrücklich in Bezug auf die massenhafte Überwachung der NSA im Rahmen des Überwachungsprogramms PRISM „besorgt“ in Bezug auf den nachteiligen Auswirkungen die dies auf das Recht der Privatsphäre hat – was harmlos klingt, ist in der Diplomatie des Ausschusses jedoch ein scharfes Schwert. Der Ausschuss bemängelt insbesondere, dass es in den USA an einem effektiven Instrumentarium für Betroffene sogenannten „non-US persons“ (also Nicht-US-Bürger und Ausländer, die kein Daueraufenthaltsrecht in den USA haben) fehle, um sich gegen die Überwachungsmaßnahmen der NSA rechtlich zur Wehr zu setzen. Der Ausschuss begrüßt zwar, dass Präsident Obama mit seiner Presidential Policy Directive vom 17.1.2014 einen gewissen Schutz auf für non-US persons in Aussicht stellt, macht aber gleichwohl deutlich, dass diese unklaren Aussagen („tot he maximum extent feasible consistent with national security“) keinen hinreichenden Schutz bieten.

In seinen Empfehlungen verlangt der Ausschuss, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Überwachung von In- wie Ausländern den gleichen rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen müssen. Hierzu verlangt der Ausschuss, dass es eine klare und transparente Rechtsgrundlage gibt, die auf einen spezifischen Zweck ausgerichtet ist und hinreichend präzise, die Voraussetzungen und Umstände umschreibt, in denen eine Überwachung zulässig ist. Des Weiteren fordert der Ausschuss Regeln für die Dauer der Überwachung, Verfahren für die Nutzung und Speicherung der Daten sowie Sicherungsmechanismen gegen Missbrauch.

Der Ausschuss empfiehlt eine Reform, die eine wirklich unabhängige und effektive Kontrolle der Überwachung zum Ziel hat – dies ist eine klare Ohrfeige für den das US-System des geheimen Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC), dem der Ausschuss diese Rolle offenbar nicht mal im Ansatz zutraut. Die Aufforderung, dass von Überwachung Betroffene Zugang zu effektiven Mitteln des Rechtsschutzes haben sollen, wäre das Ende der jetzigen Geheimüberwachung, in der Betroffene nicht nur nichts von der Überwachung erfahren – auch nicht nach deren Abschluss – sondern (mit Segen des US Supreme Courts) Ausländern von Verfassungs wegen kein Rechtsschutz zusteht.

Auch wenn nicht zu erwarten ist, dass sich die USA an alle Empfehlungen des Ausschusses halten werden, so zeigt doch schon die Presidential Policy Directive, bei aller Unzulänglichkeit, dass sich die USA zumindest unter einem gewissen Rechtfertigungszwang sehen. Das haben auch die in der Folge zusätzlich gemachten Ankündigungen einer weiteren Verbesserung bezüglich des Rechtsschutzes von Nicht-US-Bürgern gezeigt. Die erfreulich klaren Aussagen des Ausschusses sind jedenfalls ein weiteres, sehr deutliches Signal, dass sich die USA mit ihrer Überwachungspraxis außerhalb des völker- und menschenrechtlich Gebotenen bewegt. Die Stellungnahme des Ausschusses sollte auch der Bundesregierung ein Ansporn sein, endlich ernsthaft gegenüber den USA auf eine Beendigung der massenweisen Verletzung von Grund- und Menschenrechten hinzuwirken.

Hier die wichtigsten Passagen aus dem Staatenbericht:

Human Rights Committee

Concluding observations on the fourth report of the United States of America*

1.         The Committee considered the fourth periodic report of the United States of America (CCPR/C/USA/4 and Corr.1) at its 3044th, 3045th and 3046th meetings (CCPR/C/SR/3044, CCPR/C/SR/3045 and CCPR/C/SR/3046), held on 13 and 14 March 2014. At its 3061st meeting (CCPR/C/SR/3061), held on 26 March 2014, it adopted the following concluding observations.

NSA surveillance

22.       The Committee is concerned about the surveillance of communications in the interests of protecting national security, conducted by the National Security Agency (NSA) both within and outside the United States through the bulk phone metadata program (Section 215 of the PATRIOT Act) and, in particular, the surveillance under Section 702 of Amendments to the Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) conducted through PRISM (collection of the contents of communications from U.S.-based companies) and UPSTREAM (tapping of fiber-optic cables in the U.S. that carry internet traffic) programs and their adverse impact on the right to privacy. The Committee is concerned that until recently, judicial interpretations of FISA and rulings of the Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) have largely been kept secret, thus not allowing affected persons to know the law with sufficient precision. The Committee is concerned that the current system of oversight of the activities of the NSA fails to effectively protect the rights of those affected. While welcoming the recent Presidential Policy Directive (PPD-28) that will now extend some safeguards to non-US persons “to the maximum extent feasible consistent with the national security”, the Committee remains concerned that such persons enjoy only limited protection against excessive surveillance. Finally, the Committee is concerned that those affected have no access to effective remedies in case of abuse (arts. 2, 5(1), and 17).

The State party should:

(a)        take all necessary measures to ensure that its surveillance activities, both within and outside the United States, conform to its obligations under the Covenant, including article 17; in particular, measures should be taken to ensure that any interference with the right to privacy complies with the principles of legality, proportionality and necessity regardless of the nationality or location of individuals whose communications are under direct surveillance;

(b)        ensure that any interference with the right to privacy, family, home or correspondence be authorized by laws that (i) are publicly accessible; (ii) contain provisions that ensure that collection of, access to and use of communications data are tailored to specific legitimate aims; (iii) are sufficiently precise specifying in detail the precise circumstances in which any such interference may be permitted; the procedures for authorizing; the categories of persons who may be placed under surveillance; limits on the duration of surveillance; procedures for the use and storage of the data collected; and (iv) provide for effective safeguards against abuse;

(c)        reform the current system of oversight over surveillance activities to ensure its effectiveness, including by providing for judicial involvement in authorization or monitoring of surveillance measures, and considering to establish strong and independent oversight mandates with a view to prevent abuses;

(d)        refrain from imposing mandatory retention of data by third parties;

(e)        ensure that affected persons have access to effective remedies in cases of abuse.

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