Nachdem sich in der letzten Sitzungswoche alle Fraktionen der Bundestages gemeinsam auf die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) geeinigt haben, wird dieser am Mittwoch zum ersten Mal zusammenkommen. Die dringend benötigte weitere Aufklärung des größten Überwachungs- und Geheimdienstskandals geht also einen entscheidenden Schritt voran. Dieser Schritt, mit dem zum ersten Mal alle Fraktionen des Bundestages anerkennen, dass es ein an die Wurzeln des Rechtsstaat gehendes Problem mit einem sich zu Teilen verselbstständigten Systems der anlasslosen Massenüberwachung gibt, war überfällig.Gleichzeitig darf er nicht der letzte sein.

Als Grüne Bundestagsfraktion haben wir in den vergangenen Monaten immer wieder gemahnt, dass neben der Aufklärung des Skandals auch rechtsstaatliche Antworten auf bereits bekannte Sachverhalte aus unserer Sicht zwingend dringend notwendig für den Grundrechtsschutz sind.

Als Grüne Bundestagsfraktion fordern wir die alte und neue Bundesregierung sowie die Europäische Kommission seit nunmehr einem dreiviertel Jahr immer wieder unmissverständlich auf, angesichts der durch den Whistleblower Edward Snowden bekannt gewordenen Überwachungspraktiken des britischen Geheimdienstes GCHQ im Allgemeinen und hinsichtlich des aus unserer Sicht klar EU-rechtswidrigen Einsatzes des Programms TEMPORA im Speziellen ein Vertragsverletzungsverfahren gegenüber dem Vereinigten Königreich Großbritannien einzuleiten.

Obwohl wir hierzu in den vergangenen Monaten mehrere parlamentarische Initiativen vorgelegt haben, ignorieren Bundesregierung und Europäische Kommission die klar EU-rechtswidrige Praxis und die Aushöhlung mühsam erkämpfter europäischer Grundrechte bis heute. Das ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. Daher haben wir gestern, nachdem wir als grüne Bundestagsfraktion in den letzten Monaten die juristischen Fragen eines Vertragsverletzungsverfahrens in Bezug auf das Spionageprogramm Tempora sehr intensiv geprüft haben, ein entsprechendes Schreiben an EU-Kommissionspräsidenten Barroso verschickt, in dem wir die Europäische Kommission noch einmal mit Nachdruck ersuchen, ein solches Vertragsverletzungsverfahren endlich anzustrengen. Heute berichtet SPON über unsere Initiative.

In unserem Schreiben verweisen wir darauf, dass spätestens seit den Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters und Whistleblowers Edward Snowden bekannt ist, dass das Vereinigte Königreich eine großflächige Überwachung der elektronischen Kommunikation, die sich v.a. gegen Unionsbürger richtet, die nicht ihren Wohnsitz im Vereinigten Königreich haben, vornimmt.

In unserem Schreiben an den Kommissionspräsidenten bringen wir unsere Sorge zum Ausdruck, dass, sollte die Kommission in dieser Frage weiter untätig bleiben, dies das Fundament der Europäischen Union als Rechtsgemeinschaft zu untergraben droht. Auch weisen wir noch einmal darauf hin, dass die großflächige Überwachung, wie sie vom Vereinigten Königreich offensichtlich praktiziert wird, schwerwiegende Fragen des Grundrechtsschutzes in Europa und des Schutzes vor Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit aufwirft.

Wir verweisen darauf, dass es nicht sein darf, dass die Kommission in dieser für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union so wichtigen Angelegenheit untätig bleibt, weil die millionenfachen Grundrechtseingriffe angeblich nicht vom Unionsrecht erfasst sein sollen. Dies hatten Vertreterinnen und Vertreter der Kommission wiederholt als Grund für die bisherige Untätigkeit der Kommission angeführt. Aus unserer Sicht setzt das Unionsrecht auch dem Schutz der nationalen Sicherheit aus Gründen des Grundrechtsschutzes Grenzen, wie sich schon aus den einschlägigen Richtlinien ergibt.

Um einen nachhaltigen Schaden von der Europäischen Union als Rechts- und Wertegemeinschaft abzuwenden ersuchen wir daher die Kommission in unserem Schreiben, ihrer Rolle als „Hüterin der Verträge“ nachzukommen und gegen das Vereinigte Königreich ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, um die dortige Praxis der großflächigen Überwachung der elektronischen nicht-innerbritischen Kommunikation zu beenden.

Unserem Schreiben haben wir mehrere Anhänge zur juristischen Bewertung unseres Anliegens und zur Anwendbarkeit des Unionsrechts angefügt. Diese werden wir in den nächsten Tagen hier noch veröffentlichen.

UPDATE 04.04.2014: In einem weiteren Blogpost findet Ihr unter anderem das Schreiben der Fraktionsvorsitzenden an Kommissionpräsidenten Barroso sowie unsere rechtliche Einschätzung.

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