Seit nunmehr 14 Monaten erleben wir den größten Überwachungs- und Geheimdienstskandal aller Zeiten, der direkt an die Wurzeln des Rechtsstaates geht. Als grüne Bundestagsfraktion machen wir seitdem immer wieder auf den Skandal, seine Reichweite und die zu ziehenden Konsequenzen aufmerksam und haben, sowohl in der letzten als auch in dieser Legislaturperiode mehrere Anträge hierzu im Bundestag vorgelegt. Unserer Initiativen beinhalten einen ganzen Strauß konkreter Vorschläge bezüglich der Frage, welche Konsequenzen es aus den Erfahrungen der letzten Monate zu ziehen gilt, um den Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen.

In den letzten 14 Monaten haben wir immer wieder betont, dass wir es vor allem den mutigen Veröffentlichungen von Edward Snowden und einiger engagierter Journalistinnen und Journalisten zu verdanken haben, dass wir seit über einem Jahr über die massive Gefährdung von Rechtsstaat und individuellen Freiheitsrechten diskutieren. So haben wir in unseren Initiativen immer auch die Bundesregierung aufgefordert, den gesetzlichen Schutz für Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, über den wir auf Bundesebene seit Jahren diskutieren, endlich tatsächlich zu verbessern.

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode, also lange vor den anhaltenden Enthüllungen durch Edward Snowden, hatten wir einen entsprechenden Gesetzesentwurf, nach einer Online-Konsultation, in den Bundestag eingebracht und auch hier immer wieder über unsere Bemühungen berichtet. Die letzte Bundesregierung hatte unsere Initiative abgelehnt  – und diejenigen, die sich als Hinweisgeber für das Gemeinwohl engagieren immer wieder in die Denunziantenecke gestellt.

Gleichzeitig stellen die Bundesregierungen unter Angela Merkel, auch vor dem Hintergrund sehr deutlicher Aufforderungen an die Bundesrepublik und in diesem Zusammenhang abgegebener, eigener Zusagen auf internationalem Parkett, eine Verbesserung der rechtlichen Lage von Whistleblowern seit Jahren in Aussicht. So hat die damalige Bundesregierung beispielsweise im Rahmen der Verabschie­dung des Antikorruptionsaktionsplans der G20-Staaten im November 2010 angekündigt, man werde „bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblowerschutz erlassen und umsetzen“. Dieser Ankündigung ist man bis heute nicht nachgekommen. Doch durch die Snowden-Leaks ist die Notwendigkeit, sich für diejenigen, die sich unter hohem persönlichem Einsatz für unser Gemeinwohl engagieren, erneut ganz oben auf der politischen Agenda – sollte man zumindest meinen.

Ein Blick in den schwarz-roten Koalitionsvertrag ist das sehr erhellend. Dort schreibt die schwarz-rote Koalition nicht mehr davon, den Whistleblowerschutz ausbauen zu wollen, vielmehr einigte man sich darauf, die Frage, ob beim Hinweisgeberschutz internationale Vorgaben hinreichend umgesetzt sind, prüfen zu wollen. Um von der Bundesregierung zu erfahren, wie weit die Prüfung der Frage mittlerweile fortgeschritten und wann mit einer seit langem angekündigten rechtlichen Besserstellung von Whistleblowern zu rechnen ist, habe ich letzte Woche zwei schriftliche Fragen an die Bundesregierung gerichtet.

Hier meine Fragen im Wortlaut:

Hat die Bundesregierung — auch vor dem Hintergrund der im Rahmen der Verabschie­dung des Antikorruptionsaktionsplan der G20-Staaten vom November 2010 getätigten Ankündigung, man werde „bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblowerschutz erlassen und umsetzen“ (vgl. Annex II zur Erklärung des G20-Gipfels von Seoul, Punkt 7) die im Koali­tionsvertrag angekündigte Prüfung der Frage, ob beim Hinweisgeberschutz internationale Vorgaben hinreichend umgesetzt sind, bereits vorgenommen, und was ist das Ergebnis dieser Prüfung? Plant die Bundesregierung derzeit die Vorlage einer gesetzlichen Regelung, die das Ziel verfolgt, den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern zu verbessern?

Hier die Antwort der Bundesregierung vom 29. August 2014 auf meine Fragen:

„Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD enthält folgende Vereinbarung zum Hinweisgeberschutz: „Beim Hinweisgeberschutz prüfen wir, ob die internationalen Vorga­ben hinreichend umgesetzt sind.“ Zur Klärung eines möglichen Handlungsbedarfs wird untersucht, ob das deutsche Recht internationalen Übereinkommen oder Empfehlungen entspricht. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.“

Bewertung der Antwort der Bundesregierung:

Die Bundesregierung hätte es sich sparen können, die entsprechende Passage des Koalitionsvertrags noch einmal zu zitieren – das sie mir bekannt ist, ergibt sich ja durchaus aus meiner Frage. Auch, dass die Bundesregierung seit langem prüft, ist hinreichend bekannt. Scheinbar hat die Bundesregierung auch keinerlei Vorstellung davon, wie lange diese Prüfung noch andauern soll. Die Vorlage einer gesetzlichen Regelung, die das Ziel verfolgt, den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern zu verbessern, plant die schwarz-rote Bundesregierung derzeit auf jeden Fall (noch?) nicht.

Insgesamt geht die Bundesregierung politisch höchst schizophren vor: Einerseits verhindert sie mit Rücksicht auf die USA auch weiterhin eine Aussage Edward Snowdens vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages und empfiehlt Edward Snowden, sich einem Verfahren in den USA zu stellen, andererseits hört man mittlerweile auch von Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung, dass man Edward Snowden viel verdanke. Scheinbar will man es  bei diesen warmen Worten belassen und auch in Zukunft keinen Finger rühren, damit sich die rechtliche Stellung von Hinweisgeberinnen und –gebern tatsächlich verbessert.

Grüne werden neue Initiative für verbesserten Whistleblowerschutz vorlegen

Nur Dank mutiger Whistleblower wie Edward Snowden oder William Binney könnten wir heute eine offene Debatte über den notwendigen Schutz von Demokratie und Rechtsstaat führen. Um die Verdienste dieser Whistleblower anzuerkennen und die rechtliche Stellung zukünftiger Hinweisgeber zu stärken, werden wir als Grüne Bundestagsfraktion in Kürze erneut eine Initiative für den verbesserten Schutz von Hinweisgebern in den Bundestag einbringen. Dass die Bundesregierung trotzt zahlreicher Ankündigungen nicht von sich aus den Mut aufbringt, hier endlich tätig zu werden, ist leider bezeichnend für das Vorgehen der großen Koalition in der größten Überwachungs- und Geheimdienstaffäre, die wir jemals erlebten.

Auch heiseonline hat gestern bereits über unsere Fragen an die Bundesregierung berichtet

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