Das Thema Störerhaftung ist seit Jahren Gegenstand intensiver politischer Debatten, auf die wir hier immer wieder aufmerksam gemacht haben. Heute hat die Bundesregierung also tatsächlich ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetz hinsichtlich der Störerhaftung bei Funknetzen vorgestellt. Der Entwurf ist also nunmehr ressortabgestimmt.

Um es kurz zu machen: Alle im Vorfeld geäußerten Befürchtungen sind tatsächlich eingetroffen. Und: Dieser Entwurf wird letztendlich niemandem helfen. So fällt die bisherige Kommentierung – zu Recht – verheerend aus. Selbst die Abgeordneten der Großen Koalition machen keinen Hehl daraus, dass sie die Vorlage der Bundesregierung für völlig verfehlt halten – ein schon bemerkenswerter Vorgang.

Den Entwurf der Bundesregierung haben Tabea als Sprecherin für digitale Infrastruktur der grünen Bundestagsfraktion und ich als netzpolitischer Sprecher heute scharf kritisiert. Wer noch einen Beweis brauchte, dass die Bundesregierung mit den Herausforderungen des digitalen Wandels maßlos überfordert ist, hat ihn heute geliefert bekommen.

Der Vorschlag der Bundesregierung geht in die völlig falsche Richtung. Im Bundestag werden wir in den nächsten Wochen und Monaten alles daran setzen, dass sich die Regierungsfraktionen auf die seit langem vorliegenden gesetzlichen Vorschläge der Opposition besinnen und letztendlich eine Änderung des Telemediengesetzes vornehmen, die kein netzpolitischer Rollback par excellence darstellt.

Die Bundesregierung taumelt weiter orientierungslos durch ihr Neuland. Mit dem nun vorgelegten Entwurf behebt sie die seit Jahren bestehende Rechtsunsicherheit bei Funknetzen nicht. Im Gegenteil: Während offene Netze überall auf der Welt längst Standard sind, baut die Große Koalition weitere Zugangsbarrieren auf. Das ist absurd!

Kommerzielle Anbieter werden verpflichtet, ihre Netze zu sichern, unter anderem durch „anerkannte Verschlüsselungsverfahren“. Zudem sollen Nutzer durch das Setzen eines Häkchens versichern, keine illegalen Handlungen vollziehen zu wollen. Der schnelle Bezahlvorgang an der Supermarkt-Kasse über Mobile-Payment-Modelle  wird damit verhindert.

Private Anbieter sollen sogar verpflichtet werden, eine namentliche Registrierung ihrer Nutzer zu verlangen. Eine solche Verpflichtung kennen wir bisher nur aus autoritären Ländern. Sie erinnert stark an Debatten um ein „Vermummungsverbot“ im Internet, die wir längst überwunden glaubten.

Die Bundesregierung, die in ihrer Digitalen Agenda verspricht, die Anonymität im Netz auszubauen, geht auch hier in die exakt andere Richtung: Statt die Chancen einer größeren Verbreitung von freien Funknetzen zu begreifen, sieht sie WLAN-Netze als „Einfallstor für anonyme Kriminalität“.

Eine steigende Verbreitung von Netzanbindungen durch Privatpersonen und Freifunkinitiativen, die ihren Anschluss bereitwillig mit anderen teilen, wird so blockiert. Damit konterkariert die Bundesregierung ihre Ausbauziele beim schnellen Internet. Vor allem Freifunk kann ein Mittel sein, Menschen digitale Teilhabe zu ermöglichen.

Mit ihrem jetzt vorgelegten Entwurf verdeutlicht die Bundesregierung einmal mehr: Mit den Herausforderungen des digitalen Wandels ist sie gänzlich überfordert.Wer es nicht einmal schafft, hier für Rechtsklarheit zu sorgen, verdeutlicht, dass alle anderen hehren Ankündigungen und vollmundigen Versprechungen bereits heute Makulatur sind.

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