Im Zuge der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses am 19. März 2015 wurden zwei weitere Zeugen aus den Reihen des Bundesnachrichtendienstes (BND) angehört. Thematisch ging es zum einen noch einmal um die Operation EIKONAL, zum anderen um Fragen des G10-Schutzes und des Umgangs mit erfassten Kommunikationsdaten bis in die Gegenwart.

In dieser Woche hat das Bundeskabinett, statt eine tatsächliche Reform und Konsequenz aus den Erfahrungen, die man im Zuge der anhaltenden Enthüllungen um NSU und NSA gemacht hat, zu ziehen, einen Entwurf für eine vermeintliche Reform der Sicherheitsarchitektur vorgelegt, der eben gerade nicht die notwendigen Konsequenzen zieht, sondern Bürgerrechte gefährdet und Massenüberwachung weiter legitimiert – ein weiterer Affront auch gegenüber dem Untersuchungsausschuss.

Heute beginnt die – nichtöffentliche – Beratungssitzung des Ausschusses um 11:00 Uhr. Im Anschluss daran wird der Ausschuss mit der öffentlichen Beweisaufnahme um 11.30 Uhr beginnen. Sitzungsort ist wieder der Europasaal im Paul-Löbe-Haus des Bundestags. Wir hören in dieser Woche zwei sehr interessante Zeugen – dieses Mal nicht vom Bundesnachrichtendienst (BND). Vielmehr werden Klaus Landefeld, Beirat der DE-CIX Management GmbH, und Dr. Hans de With, von 1998 bis 2013 Vorsitzender der G10-Kommission des Bundestages, vor dem Ausschuss aussagen.

Thematisch geht es in dieser Woche  vor allem um technische Fragen der Internetkommunikation, der technischen Funktionsweisen von Internetknotenpunkten und der daraus resultierenden Überwachungsmöglichkeiten. Herr Landefeld wird hierbei auch als sachverständiger Zeuge aussagen aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit bei verschiedenen Internetanbietern und bei DE-CIX. Genauso wird es aber auch um die Frage des tatsächlichen Zugriffs durch Geheimdienste auf Infrastrukturen des größten Netzknotens der Welt gehen, sei es durch den BND oder andere Dienste.

Hans de With war die letzten drei Wahlperioden Vorsitzender der G10-Kommission des Deutschen Bundestages, die die Überwachungsmaßnahmen von Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), Militärischem Abschirmdienst (MAD) und Bundesnachrichtendienst (BND) nach dem Artikel 10-Gesetz kontrolliert. Sie prüft Anordnungen des Bundesministeriums des Inneren (BMI) für sogenannte G10-Maßnahmen, vor allem hinsichtlich der Frage, ob sie zulässig und notwendig sind, bevor diese durchgeführt werden. Das umfasst auch die strategische Überwachung durch den BND. Darüber hinaus hat die Kommission nach § 15 G10-Gesetz weitreichende Auskunfts-, Zutritts- und Akteneinsichtsrechte, auch was die gesamte Datenverarbeitung betrifft und die dabei eingesetzten Programme, sofern sie im Zusammenhang mit Beschränkungsmaßnahmen stehen.

Konkret geht es uns bei der Zeugenvernehmung von Herrn de With um die Operation EIKONAL und die Frage, ob, wann und in welcher Weise die G10-Kommission über die Operation informiert wurde. Der Ausschuss weiß mittlerweile, dass der BND zunächst ohne G10-Anordnung in Frankfurt am Main bei der Telekom Daten aus Telefonie und Fax abgegriffen hat. Wir halten dies für rechtwidrig, da der Abgriff offenbar ohne spezifische Rechtsgrundlage erfolgte. Später, als sich der Betreiber weigerte, auch paketvermittelte Verkehre, also Internet-Verkehre auszuleiten, weil darin zu einem Großteil deutsche Kommunikation enthalten war, hat der BND eine G10-Anordnung erwirkt. Damit konnte sich die Telekom nicht mehr weigern. Der BND selbst bezeichnete diese G10-Maßnahme von Oktober 2005 als „Türöffner“, um an die Daten für EIKONAL und damit für die NSA zu gelangen.

Wir wollen weiter in Erfahrung bringen, ob er bzw. die G10-Kommission mit dem Vorgang damals in irgendeiner Weise in Berührung kam. Das gilt im Übrigen auch für die Operation GLO, die ebenfalls ohne G10-Anordnung betrieben wurde. Nach dem bisherigen Stand der Untersuchung wurde bei EIKONAL die G10-Kommission bewusst außen vor gelassen, um die Kooperation mit der NSA gerade nicht dem strengeren Kontrollregime des G10 zu unterwerfen. Datenübermittlungen aus strategischen G10-Maßnahmen an ausländische Dienste wären damals nämlich gar nicht rechtlich möglich gewesen. Diese Befugnis wurde erst 2009 mit dem § 7a G10 eingefügt.

Neben der Frage nach EIKONAL interessiert uns auch, wie in den Jahren 2005-2007 die G10-Kommission über die Probleme bei der Überwachung von Internet-Kommunikation durch die Bundesregierung unterrichtet wurde. In den letzten Vernehmungen sagten die Zeugen des BND, dass die Internet-Überwachung zu jener Zeit noch in den Kinderschuhen steckte und große Probleme bereitete, insbesondere wegen der Filterung von aus BND-Sicht G10-geschützten Teilnehmern und löchriger Filter. Das ist vor dem Hintergrund von EIKONAL besonders brisant, da Daten nach dieser ungenügenden Filterung direkt an die NSA weitergeleitet wurden. Wir verraten hier keine Geheimnisse, wenn wir sagen, dass unserer Bewertung nach die G10-Kommission in erster Linie über nichtfunktionierende Spam-Filter unterrichtet wurde, aber nicht über die gravierende G10-Problematik.

Als weitere Zeugen waren für diese Woche zwei Mitarbeiter des damaligen TK-Betreibers MCI USA und MCI Deutschland geladen, um Fragen der Kooperation bei der Operation GLO zu klären. Von der Firma Verizon, die 2006 MCI aufkaufte, haben wir jetzt einen Zeugen benannt bekommen, der 2004-2006 bei MCI Deutschland für die Konzernsicherheit und TK-Überwachungsmaßnahmen verantwortlich war und dies heute bei Verizon noch ist. Der Zeuge wird für eine der nächsten Sitzungen geladen. Bei dem Zeugen von MCI USA sagt die Bundesregierung, dass sie in ein Konsultationsverfahren eintreten muss und dem Ausschuss nicht einfach den Namen desjenigen MCI-Mitarbeiters nennen kann, der bei Gesprächen mit dem BND und dem anderen ausländischen Geheimdienst dabei war. Auch das wirft ein bestimmtes Licht, sowohl auf die Kooperations- und Überwachungsmöglichkeiten ausländischer Dienste in Deutschland als auch auf die anhaltende Verweigerungshaltung der Bundesregierung bei der Unterstützung der wichtigen Aufklärungsarbeit durch das Parlament.

Ausblick auf die kommenden Sitzungen nach Ostern:

Wir Grüne wollen, was die weiteren Zeugenanhörungen angeht, in den Wochen nach Ostern zur Spitze des BND und anschließend zum Kanzleramt kommen und weitere Zeugen hören, um die Komplexe EIKONAL und GLO abschließen zu können. So sollen unter anderem BND-Präsident a.D. Hanning, Mitarbeiter aus der Abteilung 6 des Kanzleramtes, die mit EIKONAL und der Fach- und Rechtsaufsicht des BND bei Überwachungsmaßnahmen befasst waren, Herr Uhrlau (Abteilungsleiter 6 im Kanzleramt und BND-Präsident ab Ende 2005), der damalige Chef des Kanzleramtes und heutige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Herr Fritsche als Abteilungsleiter 6 und Nachfolger von Herrn Uhrlau, sowie der Chef des Kanzleramtes von Ende 2005-2009 und heutige Bundesinnenminister de Maiziere in den nächsten Sitzungen durch den Ausschuss angehört werden.

Auch aus der heutigen Sitzung wird netzpolitik.org wieder live bloggen. Für diese wichtige Arbeit und den hohen persönlichen Einsatz im Sinne der Transparenz unserer Aufklärung erneut ganz herzlichen Dank!

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