Die erste parlamentarische Sitzungswoche nach der Sommerpause, eine Haushaltswoche, ist bereits in vollem Gange. Sie steht ganz im Zeichen der Haushaltsberatungen. „Normale“ Sitzungen der Ausschüsse finden nicht statt. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Überwachungs- und Geheimdienstaffäre tagt in dieser Woche gleich zweimal, am heutigen Donnerstag und am morgigen Freitag. An dieser Stelle ein kurzer Überblick über die wichtigsten Zeugen und Themen.

Rückblick auf die Entwicklungen während der Parlamentarischen Sommerpause:
In der Parlamentarischen Sommerpause beschäftigten uns vor allem zwei Themen: Die Affäre um den sogenannten „Landesverrat“, über die wir hier wiederholt berichtet haben und die Frage, ob es bestimmte Bereiche in demokratischen Rechtsstaaten geben darf, die sich der parlamentarischen Kontrolle und öffentlichen Diskussion komplett entziehen. Hierzu habe ich gerade einen kurzen Gastbeitrag verfasst. Im Untersuchungsausschuss wird diese Frage konkret bezüglich der bislang durch die Bundesregierung gegenüber dem Parlament verwehrten Einsicht in die „Selektoren“-Listen.

Die sitzungsfreie Zeit haben wir genutzt, um unsere Klage vor dem Bundesverfassungsgericht weiter vorzubereiten. Die Klageschrift werden wir in der kommenden Woche vorstellen. Auch bezüglich der Aufklärung in Sachen Landesverrat ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Im Gegenteil: Nach der (Nicht-)Beantwortung unserer letzten Kleinen Anfrage haben sich zahlreiche weitere Fragen ergeben. Aus diesem Grund haben wir umgehend eine zweite Kleine Anfrage erarbeitet, über die wir in den nächsten Tagen noch einmal ausführlich berichten werden.

Ausblick auf die Sitzung am Donnerstag (10.9.)
In dieser Sitzungswoche finden gleich zwei Sitzungen des Ausschusses statt. Der Ausschuss hatte schon zu Beginn des Jahres mehrere Sondersitzungen für das Jahr 2015 beschlossen, eine davon findet nun also, neben der regulären Sitzung am Donnerstag, an diesem Freitag statt. Beginn der öffentlichen Beweisaufnahme am Donnerstag ist um 11.30 Uhr, am Freitag um 9.00 Uhr.

Am Donnerstag geht es noch einmal um die NSA-Suchbegriffe, also die „Selektoren“, die der Bundesnachrichtendienst (BND) eingesetzt hat, und die Frage, wie diese auf die Einhaltung rechtlicher Vorgaben, konkret des Fernmeldegeheimnisses (G10), und deutsche Interessen geprüft wurden. Weiterhin steht der Verdacht im Raum, dass eine solche Prüfung über einen langen Zeitraum eben nicht in einem rechtlich ausreichenden Maße vorgenommen wurde. Es geht konkret auch um die Prüfung im Sommer 2013 nach den Snowden-Enthüllungen, von der ab dem Abteilungsleiter, der diese Prüfung damals vorgenommen hat, aufwärts angeblich niemand im Dienst gewusst haben will. Diese Version erscheint uns auch weiterhin nur wenig plausibel.

Zur „Selektorenproblematik“ hören wir daher noch einmal die Zeugen W.O. und T.B., die beide für den BND arbeiten und bereits vor dem Ausschuss aussagten. Beide arbeiten bzw. arbeiteten in Bad Aibling; T.B. war zudem über viele Jahre in der Zentrale in Pullach in der Selektorenprüfung tätig. Der Ausschuss hat über die Sommerpause weitere Akten zu den Selektorenprüfungen seit 2005 erhalten, aus denen sich neue Fragen, unter anderem auch an diese beiden Zeugen, ergeben.

Am Donnerstag beschäftigen wir uns außerdem noch einmal mit der Operation GLO. Dazu wird der Zeuge Oliver Matt von Verizon Deutschland vernommen. Er war in den Jahren 2004 bis 2006 stellvertretener Leiter derjenigen Abteilung bei MCI Deutschland (d.h. vor der Übernahme durch Verizon), die für die Konzernsicherheit zuständig ist. Der Zeuge war u.a. für die Umsetzung von Telekommunikationsüberwachungen zuständig. Nach der bisherigen Beweisaufnahme gehen wir davon aus, dass MCI Deutschland von dem damaligen Abgriff am Standort Hilden nichts wusste, da er von dem Mutterkonzern bzw. von CIA/BND legendiert durchgeführt wurde. Auf diese Weise wären letztlich auch Abgriffe durch einen US-Dienst ohne Wissen und Zustimmung des BND in Deutschland möglich. Dieses und auch mit dem Abgriff zusammenhängende rechtliche Fragen (war überhaupt zulässig, was BND und CIA gemacht haben?) wollen wir mit dem Zeugen erörtern.

Der in der Tagesordnung bislang aufgeführte Zeuge Michael Capellas von Verizon International hat sich nicht auf die Ladung vor dem Ausschuss gemeldet. Wir gehen daher davon aus, dass der Zeuge nicht kommen wird. Er ist als Nichtdeutscher, der sich im Ausland aufhält, auch nicht dazu verpflichtet.

Ausblick auf die Sitzung am Freitag (11.9.)
Am Freitag beginnen wir um 9 Uhr direkt mit der Beweisaufnahme. Als einziger Zeuge ist Günter Heiß geladen ist, da sich aus Presseveröffentlichungen der letzten Wochen von WikiLeaks, Bild am Sonntag und Zeit einige Fragen ergeben haben, die wir mit Herrn Heiß gern noch einmal öffentlich erörtern wollen. Konkret geht es um die Überwachung des Kanzleramtes durch die NSA, den „Vorbeck-Komplex“ und die Kooperation von BND, BfV und NSA. Als Koordinator für die Nachrichtendienste des Bundes wird Herr Heiß hierzu noch einmal ausführen. Ebenso zu der Frage, ob es ca. 2012 einen Paradigmenwechsel in der Kooperation mit den Diensten der sogenannten „5-Eyes“-Staaten gegeben hat. Nach einem öffentlichen Teil wird sich ein nicht-öffentlicher Teil anschließen.

Ausblick auf die weitere Arbeit des Ausschusses:
Bezüglich der weiteren Zeugenvernehmungen ab September sind die Fraktionen derzeit noch im Gespräch. Unser Ziel ist es, den Bereich der Kommunikationsüberwachung durch den BND zunächst abzuschließen und die bislang nicht gehörten Zeugen dieses Komplexes anhören. Hierzu gehören sowohl Zeugen aus dem BND als auch dem Kanzleramt, u.a. August Hanning (BND-Präsident und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern a.d.) sowie Frank-Walter Steinmeier (Bundesaußenminister und ehemaliger Chef des Kanzleramts), aber auch weitere Mitarbeiter der Abteilung 6 des Kanzleramtes. Nach diesen Zeugen wollen wir uns dann dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dessen – aus unserer Sicht rechtlich fragwürdigen – Kooperationen mit der NSA zuwenden, um anschließend die Komplexe „Geheimer Krieg“ und „Spionageabwehr“ zu beleuchten.

Auch aus der heutigen Sitzung wird netzpolitik.org live bloggen. Für diese wichtige Arbeit und den hohen persönlichen Einsatz im Sinne der Transparenz unserer Aufklärung erneut herzlichen Dank!

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