Seit kurzem scheint Gewissheit was monatelang nur vermutet wurde: Die Bundesregierung erlaubt dem deutschen Auslandsgeheimdienst, dem Bundesnachrichtendienst (BND), Datenströme von 25 Providern direkt am Internetknoten De-Cix in Frankfurt auszulesen und zu rastern.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat in den letzten vier Monaten die Aufklärung des größten Überwachungsskandals, den die westlichen Demokratien je erlebt haben, systematisch verhindert. Nach jüngsten Medienberichten scheint nun klar, warum: Der deutsche Auslandsgeheimdienst ist offenbar nicht nur am institutionalisierten Ringtausch verfassungswidrig erhobener Daten beteiligt, sondern auch selbst im Inland weitaus aktiver als bislang zugegeben.

Das zentrale Problem der millionenfachen Rasterung durch den für das Ausland zuständigen Geheimdienst ist die mutmaßliche Erstreckung der Überwachung auf den Inlandsverkehr der Bundesbürger. Dies wäre ein millionenfacher Grundrechtseingriff. Es scheint äußerst unwahrscheinlich, dass der BND bei seiner Rasterung der Datenströme das Fernmeldegeheimnis der Bundesbürger zu wahren imstande ist. Die bislang erfolgten Erklärungen zum Filterverfahren sind vage bis unverständlich, der schlichte Verweis auf die Endungen der E-Mail-Adressen oder Vorwahlkennungen ist unzureichend.

Auch bezüglich unserer jüngsten Kleinen Anfrage zur Geheimdienstkooperation deutscher Dienste, insbesondere mit dem amerikanischen CIA (pdf), wurden nahezu sämtliche Fragen über die Geheimschutzstelle der breiteren Öffentlichkeit entzogen oder überhaupt nicht beantwortet. Aus Parlamentssicht müssen wir deshalb einen Notruf an die Öffentlichkeit absetzen: Trotz öffentlicher Diskussionen über mutmaßlich rechtswidriges Verhalten der Dienste verweigert die Bundesregierung weiter pauschal Aufklärung und eine öffentliche Debatte. Wir halten dieses Vorgehen angesichts der Bedeutung für Rechtsstaat und Demokratie für schlicht skandalös und werden alle möglichen – auch rechtlichen – Schritte sehr gewissenhaft prüfen.

Jetzt kommt die Bundesregierung nicht mehr umhin, alle Karten auf den Tisch zu legen. Sie muss erklären, wie sichergestellt wird, dass gesetzliche Vorgaben strikt eingehalten werden. In einem Rechtsstaat dürfen die Geheimdienste eben nicht außer Kontrolle sein. Die Dreistigkeit der Überwachungspraxis auch unserer eigenen Geheimdienste zeigt erneut, dass auch die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste einer grundlegenden Reform bedarf.

Hier findet Ihr eine Übersicht unserer bisherigen Aktivitäten zum Überwachungsskandal.

Category
Tags

Comments are closed

Archive