Bei netzpolitik.org läuft gerade eine sehr interessante Diskussion darüber, ob es sich bei den Änderungen des Entwurfs des TKG durch die Regierungskoalitionen um den Versuch handelt, eine „Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür“ einzuführen.

Die Aussage von Manuel Höferlin (FDP), bei der jetzigen Formulierung des § 97 Abs. 4 TKG handele es sich um den Stand der TKG-Novelle aus dem Jahr 2004, macht die Widersprüche in der Debatte noch größer. Daher hier eine kurze Analyse:

Natürlich handelt es sich um den damaligen Stand. Allerdings hat in der Zwischenzeit ein Datenschutzskandal den nächsten gejagt. So wurde deutlich, dass viele Anbieter die gesetzlichen Speicher-Fristen voll ausnutzen und gleichzeitig kaum oder keine Auskünfte über tatsächliche Speicherdauer und -gründe genannt werden.

Auch die Veröffentlichung der Liste der Münchner Generalstaatsanwaltschaft vor einiger Zeit hat letztendlich dazu geführt, dass im Bundestag intensiv über eine gesetzliche Einhegung dieser Vorschriften diskutiert wurde – offenbar auch bei den Regierungskoalitionen.

Wie ist es sonst zu erklären, dass es gegenüber dem Regierungsentwurf vom Mai eine deutliche Rolle rückwärts gegeben hat?  War hier noch eine Einschränkung der Verkehrsdatenspeicherung zu Abrechnungszwecken zwischen Anbietern auf 3 Monate, die zur Abrechnung zwischen Anbietern nötig ist, vorgesehen, ist diese nun offenbar aus dem neuen Entwurf rausgekegelzt worden. Ein Schelm, wer böse Absichten (t)wittert?!

Zusätzliche Nahrung erhalten die Befürchtungen dadurch, dass vor Kurzem ein sehr interessantes Dokument bei heise aufgetaucht ist, ein so genanntes „Nachforderungspapier“ aus den Verhandlungen zwischen Union und FDP, das auch uns vorliegt. In Ihm heißt es, gut versteckt am Ende:


„Festlegung einer 6-monatigen Speicherung von Verkehrsdaten in § 97 Abs. 4 TKG

Problem: Im aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung ist die Frist für die Speicherung von Verkehrsdaten in § 97 Abs. 4 TKG-E (Daten zur Abrechnung des Intercarrierverkehrs) auf drei Monate begrenzt. Damit hätten die Sicherheitsbehörden nur eine verkürzte Möglichkeit, die für die Rückverfolgung dynamischer IP-Adressen zu einer Rufnummer notwendigen Verkehrsdaten von den Carriern zu erhalten. Dies widerspricht den von CDU und CSU im Rahmen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Schwerstkriminalität vorgesehenen Regelungen zur sog. „Vorratsdatenspeicherung“.

Lösung: In § 97 Abs. 4 TKG wird eine 6-monatige Speicherung von Verkehrsdaten vorgeschrieben.“

Nun hat man nicht nur die 3 Monate auf 6 Monate verlängert, wie in dem Papier gefordert, sondern gleich die Vorgabe komplett freigegeben.

Das ganz offensichtliche Umfallen der FDP jetzt mit Verweis auf eine von aktuellen Diskussionen längst überholte Version des TKG zu kaschieren, ist mehr als durchsichtig.

Weil wir Grünen genau diese Diskussion vorhergesehen haben, haben wir in unseren Entschließungsantrag, der morgen im Plenum des Bundestages verhandelt wird, glasklare Forderungen dazu formuliert:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

Die bestehenden Regelungen hinsichtlich von Verkehrsdaten, deren Vorhaltung zu Abrechnungs- und Entstörungszwecken dienen, müssen hinsichtlich der Fristen, Zweckbestimmung und Datenarten kritisch überprüft werden und am Grundsatz der Datensparsamkeit orientiert werden. Die bisherige pauschale Frist von bis zu sechs Monaten nach Versendung der Rechnung soll durch eine differenzierte und dem Datenvermeidungs- bzw. Datensparsamkeitsgrundsatz Rechnung tragende, kürzere Frist ersetzt werden. Insbesondere der missbräuchliche Zugriff von Ermittlungsbehörden auf Verkehrsdaten, die zu Abrechnungs- und Entstörungszwecken über Gebühr lange vorgehalten werden, ist auszuschließen. Einer Umgehung der Löschpflichten bei Verkehrsdaten von Kunden unter Verweis auf Intercarrier-Abrechnungen muss durch ebenso konsequente, am Erforderlichkeitsgrundsatz orientierte Fristen vorgebeugt werden. Die Diensteanbieter sind hinsichtlich der konkreten Speicherzeiten darlegungs- und dokumentationspflichtig. Die Festlegungen unterliegen der Vorabkontrolle des Betriebsdatenschutzbeauftragten.

Die Erhebung, Speicherung und Nutzung von Verkehrsdaten zu Abrechnungszwecken muss eng an eben diesen Zweck gebunden bleiben. Sämtliche Daten, die nicht zu Abrechungszwecken erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Dazu gehören insbesondere dynamisch vergebene IP-Adressen und Standortdaten. Daten, die zwingend zu Abrechnungszwecken benötigt werden, sind spätestens nach drei Monaten und grundsätzlich schnellstmöglich zu löschen.

Die Erhebung, Speicherung und Nutzung von Bestands-, Verbindungs- und Standortdaten zur Störungsbeseitigung unterliegt einer strikten Zweckbindung durch die Dienstanbieter. Nach Störungsbeseitigung sind die Daten unverzüglich zu löschen. Anwenderinnen und Anwender sind darüber schnellstmöglich zu unterrichten.

Im Übrigen geben wir netzpolitik.org recht: Die Netzneutralität, aber auch andere Themen, die im Rahmen des TKG (nicht) mit behandelt werden, erfordern noch weitere Diskussionen. Über den grünen Änderungsantrag zur Netzneutralität, der am Donnerstag im Plenum ebenfalls zur Abstimmung steht, werden wir noch gesondert berichten.

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