Gestern hatten wir einen allgemeinen Überblick über die aus grüner Sicht besonders interessanten Debatten in dieser Sitzungswoche gegeben. Unter anderem haben wir am Donnerstag im Plenum des Bundestages über die Minderheitenrechte der Opposition debattiert. Hier haben meine Kollegin Britta Haßelmann und ich für uns Grüne gesprochen.

Im Vorfeld der Debatte haben Grüne und Linke einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgelegt. In unserer Initiative verweisen wir darauf, dass die Geschäftsordnung des Bundestages und zahlreiche gesetzliche Regelungen nicht auf eine Situation ausgerichtet sind, in der die Koalitionsfraktionen über mehr als zwei Drittel der Bundestagssitze verfügt. Daher drohen zahlreiche Kontrollrechte ihre Wirksamkeit zu verlieren. Das Ziel, die deutsche Demokratie lebendig zu erhalten, erfordert daher Rechtsänderungen.

Da nicht damit zu rechnen ist, dass die gegenwärtige Ausnahmekonstellation in Zukunft häufiger auftritt, wollen wir die Gültigkeit der in unserem Gesetzentwurf anvisierten Regelungen grundsätzlich auf die laufende 18. Legislaturperiode beschränken. Keine Lösung für die sich aus der übergroßen Koalition ergebenden Fragestellungen kann eine schlichte Beteuerung der Koalitionsfraktionen – etwa in einem Bundestagsantrag – sein, ihre überaus starke Rechtsposition gegenüber der Opposition wohlwollend und zurückhaltend auszuüben. Denn wer eine wirksame Opposition für notwendig hält, darf sie nicht vom Wohlwollen im Einzelfall abhängig machen.

In einemzusätzlichem gemeinsamen Antrag (pdf) dringen wir gemeinsam mit der Linken zudem auf eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages. Danach sollen Rechte, die die Geschäftsordnung einer qualifizierten Minderheit verleiht, auch „von zwei Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen“, gemeinsam ausgeübt werden können. Dies muss für Ausschussberatungen entsprechend gelten. Ferner muss die Stärke der Fraktionen bei Vereinbarungen über Tagesordnungspunkte und Redezeiten nicht der wesentliche Verteilungsmaßstab sein. Vielmehr ist es aus unserer Sicht wichtig, auf eine ausgewogene Repräsentanz der Oppositionsfraktionen zu achten.

Hintergrund:
Die große Koalition verfügt im Bundestag über eine Mehrheit von 80 Prozent. Gerade in Zeiten so großer Mehrheiten ist eine wirksame Kontrolle des Regierungshandelns dringender denn je geboten. Damit diese Aufgabe erfüllt werden kann, müssen der Opposition sämtliche Rechte zur Verfügung stehen. Deshalb streiten wir auch weiterhin für die rechtssichere Verankerung der Minderheitenrechte. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, das Verlangen einer öffentlichen Anhörung oder die Einberufung einer Sondersitzung des Bundestags müssen für diese Wahlperiode auch den zwei Fraktionen möglich sein, die nicht die Bundesregierung tragen. Minderheitenrechte dürfen nicht vom Goodwill der Großen Koalition abhängig sein. Deshalb fordern wir auch weiterhin eine Anpassung der notwendigen Quoren an die aktuelle Situation in der 18. Wahlperiode. Sonst droht eine Legislaturperiode, in der fragwürdiges Regierungshandeln nicht durch Untersuchungsausschüsse wie zu Gorleben, zur NSU, zu Euro Hawk oder Kundus überprüft werden kann. Dies gilt es, auch im Sinne einer lebendigen Demokratie, zu verhindern.

Wir sagen daher auch weiterhin deutlich: Oppositionsarbeit darf nicht vom Wohlwollen der Mehrheit abhängig sein. Unsere Beharrlichkeit zeigt erste Erfolge: Nach Monaten kommt die Große Koalition uns endlich ein Stück weit entgegen und nimmt Teile unserer Forderungen auf. Die vorgelegte Änderung der Geschäftsordnung ist somit ein Schritt in die richtige Richtung. Weiterhin offen sind allerdings Änderungen des Untersuchungsausschussgesetzes oder auch die Normenkontrolle.

Darüber hinaus ringen wir auch weiter um die Redezeiten im Parlament. Das Prinzip „Rede/Gegenrede“ und der Austausch von Argumenten zeichnen einen lebendigen Parlamentarismus in einer vitalen Demokratie aus. Hier besteht leider auch nach wie vor keine Bereitschaft auf Seiten von Union und SPD, der Opposition weiter entgegen zu kommen. Derzeit wird zwischen den Fraktionen und in dem Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags über entsprechende Anträge und Gesetzentwürfe weiter beraten und verhandelt.

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