Seit Jahren sind Verleumdung, Hetze, Hass und andere strafbare Inhalte in den sogenannten sozialen Netzwerken nicht zu übersehen. Und seitdem fordern wir von der Bundesregierung mit konkreten Vorschlägen, diese vielschichtigen Phänomene als gesamtgesellschaftliche Herausforderung umfassend und entschlossen, aber auch angemessen differenziert anzugehen. Doch aus Scheu vor der Konfrontation mit den großen Plattformanbietern schwankte man zwischen markigen Ablenkungsdebatten („Wahrheitsministerium“) und pauschalen Verbotsforderungen einerseits sowie liebedienerischen Gesprächsangeboten, offenen Briefen und einer reichlich untätigen „Task Force“ anderseits.
So konnten sich milliardenschwere Internetkonzerne mit ein paar netten PR-Aktionen günstig aus der Verantwortung ziehen, weil sie die aufwendige Prüfung und Löschung von Beschwerden in intransparenten Verfahren nach ihren ganz eigenen willkürlichen Gemeinschaftsstandards an überforderte Clickwork-Firmen delegierten. Auch der Bundesjustizminister sieht heute bei den selbst in Auftrag gegebenen Auswertungen nur „erste Verbesserungen“, muss aber im selben Atemzug einräumen, dass bei einem Großanbieter wie Facebook sich die Verfahrenszahlen sogar noch verschlechtert haben.
Von Anfang der Debatte an haben wir die Bundesregierung zum handeln aufgefordert (einen Überblick zur bisherigen Entwicklung findet Ihr in einem Gastbeitrag im Handelsblatt vom 18.12.2016 http://app.handelsblatt.com/politik/deutschland/hate-speech-fake-news-und-co-hass-und-hetze-im-netz-oder-rechtsstaat/14993516.html) und selbst mit einem Fraktionsbeschluss auf der Weimarer Fraktionsklausur eine umfassende Bewertung mit konkreten Lösungsansätzen vorgelegt: https://gruen-digital.de/2017/01/positionspapier-der-gruenen-bundestagsfraktion-verantwortung-freiheit-und-recht-im-netz/
Heute nun hat nach vielen ungeduldigen Forderungen – nicht zuletzt aus der eigenen Koalition – Bundesjustizminister Maas in dürren Sätzen einen Gesetzesentwurf aus seinem Haus vorgestellt. Übrigens bezeichnenderweise für alle, die keine Presseeinladung erhalten haben per Livestream just in jenem Netzwerk, dem er so schlechte Zahlen bescheinigte (https://www.facebook.com/bmjv.bund/videos/vb.567366010021216/1283738981717245/?type=3&theater). Also noch lange, bevor der Hausentwurf es also auch durch die Abstimmung mit den anderen Ressorts ins Kabinett geschafft hätte. Dies ist schon vom Verfahren her ungewöhnlich genug und offenbar nur dem massiven Druck geschuldet – der aus einer ganz anderen Richtung nicht zuletzt auch von seiner Partei- und Kabinettskollegin Brigitte Zypries ausging. Man darf gespannt sein, ob überhaupt und wenn ja, wie gerupft dieser Entwurf noch vor den Bundestagswahlen ins Parlament kommt. In jedem Falle fehlt dieser Bundesregierung ein Plan für eine umfassende Strategie gegenüber dieser gesamtgesellschaftlichen Herausforderung im Digitalen.
Hier findet Ihr Konstantins heutige Pressemitteilung:
Jahrelang hat Bundesjustizminister Maas den Konflikt mit Facebook und Co. gescheut und allein auf schöne PR-Aktionen gegen Hetze und Hass im Netz gesetzt. Immer noch machen sich milliardenschwere Internetkonzerne bei ihrer rechtlichen Verantwortung für die eigenen Angebote ganz klein. Eindeutig strafbare Inhalte löschen sie in intransparenten Verfahren zu spät oder auch gar nicht.
Klare und konsequent sanktionierte Gesetzesregeln für ein besseres Melde- und Löschverfahren sind lange überfällig. Denn ohne Druck werden die Unternehmen weiterhin zu wenig tun, darauf haben wir immer wieder hingewiesen. Bei bereits festgestellter Rechtswidrigkeit muss umgehend und in offensichtlichen Fällen innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden.
Daneben braucht es aber auch besser ausgestattete und qualifizierte Strafverfolgungsbehörden, sonst werden weiterhin zu viele Strafverfahren eingestellt werden. Daran ändern auch die neuen Vorschläge nichts.
Zudem fehlt es der Bundesregierung vor lauter Kleinprojekterei an einer gezielten Strategie für Prävention und Medienkompetenz gegen Hetze und Hass im Netz. Das erfordert einen umfassenden Ansatz, der die Verantwortung der Plattformbetreiber, aber auch die gesamtgesellschaftliche Debattenkultur aufgreift.
Maas späte Kehrtwende nützt allerdings nichts, wenn sie im Kabinett verendet. Nach der Vollbremsung durch die Ministerkollegin Brigitte Zypries bleibt abzuwarten, ob nach der Ressortabstimmung noch ein effektiver Gesetzentwurf vor Ende der Wahlperiode übrig bleibt.
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