Edward Snwoden hat mit seinen so selbstlosen wie verantwortlichen Enthüllungen die Aufklärung über die rechtswidrige Massenüberwachung verschiedenerer Geheimdienste entscheidend vorangetrieben. Er wäre ohne jeden Zweifel ein Schlüsselzeuge vor dem entsprechenden Bundestags-Untersuchungsausschuss zu dieser Affäre.

Umso weniger hat die Bundesregierung ein Interesse an einer solchen Vernehmung. Gegen den erbitterten Widerstand der Großen Koalition haben wir als kleinste Fraktion und oftmals zusammen mit der LINKEN aus der Opposition heraus mit allen politischen und rechtlichen Mittel immer wieder versucht, eine Ladung des Zeugen vor den Ausschuss im Deutschen Bundestag durchzusetzen. Denn nur hier wäre eine ordentliche und sichere Vernehmung möglich.

Zwar kamen Union und SPD im Untersuchungsausschuss nicht drum herum, grundsätzlich einer Snwoden-Befragung zuzustimmen, doch seitdem versucht man mit allen Verfahrenstricks es nicht zu einem tatsächlichen Snowden-Besuch in Berlin kommen zu lassen: Mal sollte die Vernehmung in Moskau selbst, mal per Video-Schalte stattfinden – unter den Augen der russischen Dienste wäre hier jedoch an eine ungestörte Aussage kaum zu denken.

Daher prozessierten wir erst vor dem Bundesverfassungsgericht sowie im Anschluss vor dem Bundesgerichtshof, um den Vernehmungsbeschluss des Untersuchungsausschusses mit unserem Minderheitenrecht auch tatsächlich durchzusetzen. Denn als „schärfstem Schwert“ der parlamentarischen Kontrolle gegenüber der Bundesregierung ist es für einen solches Gremium entscheidend, mit welchen Kompetenzen und welcher Ausstattung es tatsächlich vorgehen kann. Aus gutem Grund gibt es bei der Einberufung und anschließenden Beweisaufnahme bestimmte Minderheitenrechte, die eigens im Untersuchungsausschussgesetz sowie dem Grundgesetz aufgeführt sind. Demnach reicht schon ein Viertel der Abgeordneten des Bundestages bzw. im Untersuchungsausschuss aus, um z.B. die Ladung eines Zeugen wie Snowden durchzusetzen.

Doch in Zeiten einer so Großen Koalition wie dieser läuft jenes ja sogar verfassungsgeschützte Minderheitenrecht de facto leer, wenn die Koalitionsabgeordneten so geschlossen desinteressiert an einer konsequenten Aufklärung sind. Daher hatten sich nach längerem Ringen zu Beginn der Wahlperiode alle Bundestagsfraktionen in ihrer Geschäftsordnung darauf verständigt, in dieser Legislaturperiode ein geringeres Minderheitenquorum anzusetzen, damit Linke und Grüne Fraktion als Opposition diese Minderheitenrechte gerade dann auch durchsetzen können, wo es darauf ankommt – und die Koalition entsprechend versuchen wird, mit ihrem schieren Stimmgewicht die Opposition abzuschmettern. Zudem haben wir mit unseren je zwei Abgeordneten pro Oppositionsfraktion gegenüber den 12 Kollegen der Koalition im NSA-Untersuchungsausschuss auch rechnerisch die Viertelvorgabe erfüllt.

Während uns das Gericht in Leipzig vergangenen November zunächst Recht gab, die Vernehmung durchzusetzen, revidierte es nun, wie heute bekannt wurde, aus formalen Gründen mit Verweis auf die nach wie vor im Grundgesetz festgeschriebene 25%-Sperrklausel des gesamten Parlaments seine eigene Entscheidung. In einer gemeinsamen Presseerklärung mit meiner Obfrau-Kollegin Martina Renner von den Linken haben wir die Entscheidung so kommentiert:

„Der Bundesgerichtshof zieht sich mit seinem Snowden-Beschluss auf Formfragen zurück und verhindert damit faktisch eine Aussage von Edward Snowden vor dem NSA-Untersuchungsausschuss“, erklären Martina Renner, DIE LINKE. und Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen. „Damit hat die Koalition ihr Ziel erreicht: Keine Ladung des wichtigsten Zeugen, keine Verstimmung von Trump und keine unangenehmen Fragen an die Geheimdienste.“

Martina Renner, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im NSA-Untersuchungsausschuss erklärt:

„Der BGH hebt damit auf Antrag der Koalition die eigene mutige Entscheidung auf. Noch im November entschied die Ermittlungsrichterin, dass die Bundesregierung die Bedingungen für eine Vernehmung Snowdens schaffen muss.

Das ist politisch ärgerlich denn weite Teile des internationalen Überwachungsskandals bleiben nun unaufgeklärt: Deutschland hätte die Möglichkeit gehabt, hier eine wegweisende Rolle einzunehmen. Diese Chance ist vertan. Die SPD hätte mit der Opposition die Aussage von Snowden ermöglichen können, stattdessen schlug sie ein weiteres Mal die Hacken zusammen. Der Beschluss setzt ein abschreckendes Zeichen an zukünftige Whistleblower: Im Zweifel stellt sich die Bundesregierung auf die Seite der mächtigen Geheimdienste – auch wenn das den Verrat an den Grundrechten bedeutet.“

Konstantin kommentiert als Obmann der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss den BGH-Beschluss:

„Der BGH umgeht die eigentliche Frage, wie Beweisbeschlüsse umgesetzt werden müssen. Stattdessen beseitigt er die Minderheitenrechte von GRÜNEN und LINKEN – der kompletten Opposition – bei der Beweiserhebung im Untersuchungsausschuss mit einem Federstreich. Mit dieser Auslegung wird die parlamentarische Kontrolle verunmöglicht. In der Konsequenz ist das ein untragbarer Zustand und zeigt, was für problematische Auswirkungen dieses Bündnis aus Union und SPD auf die Funktionalität des Parlaments hat.“

Noch einige Sätze, wie besprochen zur Frage wie weiter: Dieses Urteil steht nicht nur im Widerspruch zum Wortlaut des Untersuchungsausschussgesetzes. Bedauerlicherweise ignoriert es die politische Einigung aller Fraktionen zu Beginn der Legislaturperiode, die der Minderheit in der Geschäftsordnung gerade solche Rechte zubilligen wollte. Nach dem Urteil ist nun der Gesetzgeber gefragt, um für entsprechende Klarstellungen zu sorgen.“

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