Derzeit wird das Telekommunikationsgesetz (TKG) novelliert, in dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf werden weitreichende Änderungen im Bereich Verbraucherschutz, Breitband- und Mobilfunkausbau sowie Datenschutz behandelt. Am Montag, den 1. März wurde im Wirtschaftsausschuss des Bundestages die Novelle des Telekommunikationsgesetzes diskutiert. Als Grüne Bundestagsfraktion haben wir insgesamt drei Anträge zum TKG-Modernisierungsgesetz (TKGModG) erarbeitet, die wir an dieser Stelle vorstellen wollen.

Mit dem „Telekommunikationsmodernisierungsgesetz“ wird der Europäische Kodex Telekommunikation (EECC) in deutsches Recht implementiert und das Telekommunikationsgesetz als Ganzes novelliert. Nachdem bereits im Februar 2019 Eckpunkte von den zuständigen Ministerien vorgestellt wurden, gestaltete sich der weitere Prozess des Gesetzesvorhabens als außerordentlich zäh. Begleitet von langwidrigen Streitigkeiten zwischen den Ministerien ließ der Entwurf fast zwei Jahre auf sich warten. Bis Ende des Jahres 2020 sollte der EU- Kodex Telekommunikation im Rahmen der TKG-Novelle in deutsches Recht längst vollzogen sein; doch die Frist wurde von der Bundesregierung nicht gehalten, sodass nun sogar ein EU-Vertragsverletzungsverfahren im Raum steht. Den selbstverschuldeten Zeitdruck gab die Bundesregierung an die qua Gesetz von ihr zu beteiligenden Verbände weiter, die den 475 Seiten langen Entwurf zwischenzeitlich in 48 Stunden kommentieren sollten. Das haben wir scharf kritisiert und unsere Kritik mit Hilfe einer Kleinen Anfrage in Richtung Bunderegierung adressiert, über die Tabea hier berichtet hatte. Nicht nur, dass damit die wichtige Beteiligung der Verbände faktisch ins Leere läuft, ein solches Vorgehen schlägt sich letztlich auch negativ auf die Qualität des Gesetzentwurf nieder und wird der Bedeutung dieser Novelle nicht gerecht.

Verbändeanhörung zeigt zahlreiche Baustellen des Gesetzentwurf auf

Am 1. März war das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz im Wirtschafsausschuss Thema. Branchenverbände hatten die Möglichkeit, die aus ihrer Sicht kritischen Punkte vorzutragen. Und das waren eine Menge. Lina Ehrig vom Bundesverband der Verbraucherzentralen bezeichnete die Umsetzung des im Koalitionsvertrag angekündigten Recht auf schnelles Internet im TKG-Entwurf als einen „ziemlicher Witz und inakzeptabel“, auch Frank Rieger vom Chaos Computer Club kommt zu dem Urteil: „spektakulär unambitioniert“. Das trifft es aus unserer Sicht. Im Rahmen des sogenannten „Universaldienstes“ soll ein rechtlicher Anspruch auf einen Internetzugang festgelegt werden. Der vorliegende Entwurf des novellierten Telekommunikationsgesetzes fällt dabei mehr als enttäuschend aus. Die Novelle sehe nur eine Minimalumsetzung der europäischen Vorgaben vor, die bei weitem nicht ausreicht und den Verbraucher*innen kurzfristig keine Verbesserung bei ihrem lahmen Internetanschluss bringen wird.

Grundversorgung garantieren und digitale Infrastruktur ausbauen

Bisher sieht die TKG-Novelle keine konkrete Bandbreite vor und definiert lediglich Dienste, die mindestens verfügbar sein wird. Dazu gehören zum Beispiel das Versenden, Empfangen von E-Mails, die Nutzung von Suchmaschinen und Videotelefonie. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) muss per Gesetz verpflichtet werden, jährlich eine angemessene Mindestbandbreite konkret vorzugeben, die jederzeit und überall zur Verfügung stehen muss – orientiert an den tatsächlichen Nutzungsgewohnheiten. Daseinsvorsorge und digitale Teilhabe bedeutet mehr als eine dürre E-Mail über langsames Kupferkabel zu schicken. Spätestens die Corona-Pandemie hätte der Bundesregierung vor Augen führen müssen, worauf wir als Grüne Fraktion seit Langem hinweisen: Nur mit schnellem, verlässlichem und breitbandigem Internet können Menschen am gesellschaftlichen, zunehmend digitalisierten Leben teilnehmen und Homeoffice, Distanzunterricht oder digitale Verwaltungsleistungen nutzen. Von zu Hause arbeiten, sich informieren online lernen oder spielen – ohne einen schnellen Internetzugang ist all dies nicht oder nur eingeschränkt möglich. In der digitalen Welt von heute ist der Zugang zum Breitbandinternet eine wichtige Voraussetzung für die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben.

Bundesregierung hält an Zweijahresverträgen für Telefon, Internet und Handys fest

Trotz der großen Hoffnungen, die mit der Umsetzung des TK-Kodex verbunden waren, stellen etliche der vorgeschlagenen Regelungen kaum eine Verbesserung der Situation der Verbraucher*innen dar. Anders als von der Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz Christine Lambrecht immer wieder angekündigt, wird es weiterhin bei den Zweijahresverträgen für Telefon, Internet und Handys bleiben. Die langen Vertragslaufzeiten und die damit verbundene Kundenbindung sind attraktiv für die Anbieter, gehen aber zulasten der Verbraucher*innen, denen durch die langen Laufzeiten ein Wechsel erschwert wird, und lähmen den Wettbewerb. Die maximale Vertragslänge sollte daher klar auf ein Jahr begrenzt werden. Die bisherige Verpflichtung für Unternehmen, jeweils auch einen zusätzlichen Einjahresvertrag anzubieten, wird in der Praxis kaum etwas an der Situation der Verbraucher*innen ändern.

Breitbandversprechungen müssen eingehalten werden

Ein weiteres Verbraucherärgernis besteht seit Jahren darin, dass Verbraucher*innen oft nicht die Leistung erhalten, die ihnen von den Anbietern vertraglich versprochen wurde und für die sie bezahlen. Dem Jahresbericht 2020 der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu ihrer Breitbandmessung zufolge erhalten im Festnetz lediglich 16 Prozent der Kund*innen die ihnen vertraglich zugesicherten maximalen Datenübertragungsraten. Doch bis heute wurde den Nutzer*innen kein effektives Rechtsmittel an die Hand gegeben, um bei Nichteinhaltung der vertraglichen Bandbreite auch tatsächlich aktiv werden zu können. Dies soll der Gesetzesentwurf eigentlich ändern, indem er den Vebraucher*innen bei Abweichungen von der vertraglich vereinbarten Übertragungsgeschwindigkeit ein Minderungsrecht einräumt. Doch auch dies ist unzureichend geregelt, sodass die angestrebte Wirkung nicht entfaltet werden kann, denn die Möglichkeit der Minderung sowie das außerordentliche Kündigungsrecht beziehen sich ausschließlich auf den nicht vertragskonform geleisteten Vertragsbestandteil. In der Realität haben Verbraucher*innen jedoch häufig Bündelungsverträge, in denen beispielsweise Telefon- und Internetdienstleistungen enthalten sind, ohne dass diese einzeln berechnet werden. Zum Schutz der Verbraucher*innen ist es daher geboten, ihnen einen einfach und niedrigschwellig durchsetzbaren pauschalisierten Schadenersatzanspruch einzuräumen, der pro nachgewiesenem Messtag berechnet wird und dessen Höhe auf die Anbieter eine abschreckende Wirkung hat.

Messengerdienste sollen zukünftig reguliert werden

Der Gesetzentwurf enthält zudem zahlreiche kritische Punkte im Bereich Datenschutz und IT-Sicherheit. So soll zukünftig mittels des Marktortprinzips Telekommunikationsdienstleister der deutschen und europäischen Rechtslage unterworfen werden. Durch weitere Änderungen im TKG gilt dies auch und gerade für Messengerdienste – mit weitreichenden Implikationen nicht nur im Bereich Verbraucherschutz, sondern auch hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden. Der Gesetzentwurf unternimmt den Versuch, Messengerdienste und sogenannte „over the top“-Dienste, also rufnummerunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste wie WhatsApp, Telegram, Signal, Threema, Wire und Co. zukünftig in den Anwendungsbereich des Telekommunikationsgesetzes zu bekommen. Auch für die Anbieter dieser Dienste soll zukünftig das Marktortprinzip gelten, d.h. es wird noch einmal klargestellt, dass nicht nur Unternehmen, die ihren Sitz in Deutschland haben, unter das TKG fallen, sondern auch solche Unternehmen oder Personen, die Telekommunikationsnetze in Deutschland betreiben oder Telekommunikationsdienste in Deutschland erbringen sowie die weiteren, nach der Novelle Berechtigte und Verpflichtete. Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass man sich der Regulierung dieser Messenger annimmt. Gleichzeitig, hierauf weist auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hin, handelt es sich um eine sehr weitgehende Ausdehnung des Anwendungsbereichs des TKGs. Bezüglich der konkreten Umsetzung und Praktikabilität der Vorschläge, aber auch hinsichtlich der Wahrung der informationellen Selbst-bestimmung der Nutzerinnen und Nutzer, ergeben sich eine ganze Reihe von Fragen. Dies gilt beispielsweise für die daraus folgende, fachgesetzliche Verpflichtung der Anbieter, Bestandsdaten der Nutzerinnen und Nutzer und entsprechende Kennungen auf Anfrage an die Sicherheitsbehörden herauszugeben. U.a. erscheinen die Fristen für die Speicherung extrem lang. Auch die Weitergabe dieser Daten an Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, das Zollkriminalamt u.a. wirft grundlegende Fragen auf – zumal diese Verpflichtung selbst im Falle von Ordnungswidrigkeiten gelten soll.

Gleichzeitige Gesetzesvorhaben stiften Verwirrung und werfen offene Fragen auf

Die Bundesregierung hat es geschafft in einer ganzen Reihe verschiedener Gesetzesinitiativen, von denen zum heutigen Zeitpunkt niemand mit Gewissheit absehen kann, ob, wann und in welcher konkreten Form sie tatsächlich verabschiedet werden, eine Vielzahl korrespondierender oder nicht korrespondierender Änderungen im sicherheitsrechtlichen Bereich vorzunehmen, dass es selbst mit der Materie Vertrauten kaum mehr möglich ist, einen Überblick zu wahren – von der interessierten Öffentlichkeit einmal ganz abgesehen. So sollen die Abschnitte Fernmeldegeheimnis und Datenschutz nach dem Willen der Bundesregierung in Gänze aus dem TKG gestrichen werden, um sie künftig in einem gesonderten Gesetz, dem TTDSG, zu regeln. Zudem hat die Bundesregierung nach Jahren gerade ein überfälliges IT-Sicherheitsgesetz 2.0 vorgelegt und lässt im Bereich der Bestandsdatenauskunft im TKG-E bewusst eine Leerstelle, um parallel noch ein „Reparaturgesetz“ zu verabschieden, das notwendig wurde, um die verfassungswidrigen Regelungen zur Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Diese Regelungen sind wiederrum eng mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität und dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verwoben. Das Vorgehen der Bundesregierung am Ende der Wahlperiode ist angesichts weit-reichender Regelungsgegenstände insgesamt mit erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken und Risiken verbunden. Das hat nicht zuletzt der „Bestandsdaten II“-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gerade noch einmal verdeutlich.

Regelungen zum Datenschutz müssen zwingend gleichzeitig in Kraft treten

Bezüglich des Vorhabens der Bundesregierung, Datenschutzfragen aus dem TKG bzw. dem Telemediengesetz (TMG) herauszulösen und diese in einem eigenen Gesetz zu regeln, ist zwingend sicherzustellen, dass die entsprechenden Regelungen gleichzeitig in Kraft treten. Sollte dies nicht gelingen, so warnt auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, würde – durch den Umstand, dass es trotz zahlreicher Aufforderungen bislang versäumt wurde, das TKG an die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) anzupassen – die rechtliche Situation eintreten, dass bei alleinigem Inkrafttreten des TKMoG keine entsprechenden bereichs-spezifischen datenschutzrechtlichen Regelungen im Bereich Telekommunikation normiert wären – und somit das Fernmeldegeheimnis gefährdet sei. Dies würde sowohl zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei der Wirtschaft als auch zu Gefährdungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung führen. Ob es der Bundesregierung gelingt, die Gleichzeitigkeit des Inkrafttretens der Regelungen sicherzustellen, ist aus heutiger Sicht zumindest fraglich. Doch auch andere verfassungsrechtliche Risiken bezüglich ihres Vorgehens scheint die Bundesregierung in beinahe ignoranter Art und Weise weiterhin auszublenden.

Unsere Positionen zusammengefasst finden sich in folgenden drei Anträgen (je als pdf) wieder:

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