Wir brauchen dringend eine dauerhafte und rechtssichere gesetzliche Grundlage im Planungsrecht, die Chancen digitaler Verfahren nutzt und Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit auch in Pandemie-Zeiten wahrt. Das Planungssicherstellungsgesetz der Bundesregierung vergibt zentrale Chancen. Nun soll es ohne Evaluierung und notwendiger Nachbesserungen verlängert werden. Transparenz wird so geschwächt und Beteiligung erschwert. In einem von Ingrid Nestle, Sprecherin für Energiewirtschaft, und mir für die grüne Bundestagsfraktion erarbeitetem Antrag haben wir festgehalten, an welchen Stellen die Bundesregierung jetzt dringend nachjustieren muss.
Die Pandemie dauert an und macht Kontaktbeschränkungen weiterhin notwendig. Bei der Planung und Durchführung wichtiger Infrastrukturprojekte kommt es daher aktuell immer wieder zu erheblichen Zeitverzögerungen. Erhebliche Probleme gibt es vor allem auch im Bereich der Öffentlichkeitsbeteiligung an den Planungen wichtiger Infrastrukturprojekte, etwa im Verkehrs- und Energiesektor. Notwendige Einsichtnahmen von Planungsunterlagen oder Vor-Ort-Veranstaltungen zur Information, Erörterungen und physischer Austausch fallen nach wie vor häufig aus. Fatalerweise fehlt es bis heute vielfach an einem adäquaten Ersatz.
Als wichtiger Bestandteil der Projektverfahren ist die demokratisch-rechtsstaatlich wichtige und planungsrechtlich vorgeschriebene Beteiligung der Öffentlichkeit jedoch dringend auch Zeiten der COVID-19-Pandemie sicherzustellen. Hier gilt es nun endlich die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Längst überfällig ist der Ausbau und Einsatz digitaler Beteiligungsverfahren, die gerade jetzt zweifelsfrei gute Alternativen bieten könnten. Mit einem Angebot an digitalen oder hybriden Formate können zusätzliche Zeitverzögerungen verhindert, bestehende Zugangsbarrieren verringert und eine gute sowie transparente Beteiligung der Öffentlichkeit weiter sichergestellt werden.
Angemessene gesetzliche Grundlage schaffen
Mit dem im Frühjahr 2020 verabschiedeten Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) sollte hierfür eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Da das befristete Gesetz nun abläuft, die aktuelle Corona-Situation jedoch weiterhin Kontaktbeschränkungen erfordert, besteht dringender Handlungsbedarf. Doch der nun vorgelegte Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen verpasst es erneut, eine dauerhafte und rechtssichere gesetzliche Grundlage für alternative digitale Beteiligungen im Planungsrecht zu schaffen. Ohne eine dringend überfällige Evaluierung durchzuführen, um dann gezielt nachzubessern und die bestehenden Mängel und Probleme effektiv zu beheben, weitet die Große Koalition schlicht die Geltungsdauer des PlanSiG aus – und das auf unverhältnismäßig langen Zeitraum.
Wir fordern daher, die Geltungsdauer zunächst bis zum 31.12.2021 zu begrenzen. So kann rechtzeitig vor Jahresende, anhand der dann genauer möglichen Prognosen zur Pandemieentwicklung, erneut über eine ggf. notwendige, weitere Verlängerung entschieden werden. Zudem muss die Bundesregierung endlich sicherstellen, dass die im PlanSiG festgeschriebene Alternative der Online-Konsultation auch tatsächlich ermöglicht wird. Hierfür bedarf es zunächst unausweichlich einer Evaluierung und der Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise. Nur so können die vielfach bestehenden hohen, nahezu unüberwindbaren Hürden, die einen erheblichen Aufwand für die Bürgerinnen und Bürger bedeuten und die Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit damit weiter schwächen, abgebaut werden.
Chancen digitaler Beteiligungsformate nutzen
Digitale Lösungen können einen wichtigen Beitrag leisten, um in der Krise Abläufe und Verfahren weiterhin sicherzustellen. Gerade jetzt werden die Versäumnisse der Bundesregierung in der Digitalpolitik der vergangenen Jahre so offen verdeutlicht – ob beim fehlenden Breitbandausbau, der mangelnden IT-Sicherheit und Barrierefreiheit oder bei noch immer kaum vorhandenen digitalen Verwaltungsangeboten. Die Bundesregierung muss jetzt die bittere Erkenntnis ernstnehmen, endlich in die Gänge kommen und die Chance der Digitalisierung mit all ihren Chancen konsequent vorantreiben. Wenn sie jetzt handelt und umfassend nachjustiert, kann dies auch für die Zeit nach der Pandemie mit Blick auf Chancen- und Teilhabegerechtigkeit positive Auswirkungen entfalten und dabei helfen in klassischen Verfahren bestehenden Zugangshürden zu senken.
Gut ausgestaltete digitale Verfahren bieten zweifellos die Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger umfassend zu beteiligen. Diese Chancen für mehr Transparenz und Beteiligung müssen genutzt und Verfahren gut ausgestaltet werden. Technische, finanzielle, organisatorische und rechtliche Grundlagen für digitale Lösungen müssen jetzt mit aller Entschlossenheit vorangetrieben werden. Die Behörden müssen schnellstmöglich mit der notwendigen digitalen Infrastruktur ausgestattet und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend geschult werden.
Für Erörterungstermine braucht es die Priorisierung digitaler Beteiligung in Form von dialogisch ausgerichteten, rechtlich und technisch sicheren sowie barrierefreien Video-Konferenzen-Systemen, die einen dialogischen Austausch in Echtzeit erlauben. Die Online-Formate müssen leicht auffindbar und bedienbar, barrierefrei uns sicher sein. Eine wissenschaftliche Begleitung sowie Evaluierung ist für die Qualitätssicherung unumgänglich.
Grüner Entschließungsantrag:
Die Corona-Krise kann mit Blick auf die digitalpolitischen Versäumnisse der Bundesregierung auch eine Chance sein. Um diese zu nutzen muss vor allem auch auf die Entwicklung von dauerhaften digitalen Beteiligungsformaten gesetzt werden. Qualitativ hochwertige digitale Möglichkeiten für Bürgerbeteiligung bei Planungsverfahren können auch nach der Pandemie nachhaltige Alternativen bieten, um Zugangsbarrieren zu minimieren und die breite Beteiligung der Öffentlichkeit zu fördern. Unsere Position haben wir in einem Entschließungsantrag (pdf) zu Papier gebracht.
Video der Anhörung:
An dieser Stelle dokumentieren wir für all diejenigen, die die Anhörung nicht live verfolgen konnten, die Aufzeichnung.
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