Spätestens nach #CharlieHebdo ist die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung wieder voll entbrannt. Seit langem herrscht Verwirrung bezüglich der Frage, ob die Europäische Kommission an einer neuen Richtlinie arbeitet. So verlautbarte netzpolitik.org Ende vergangenen Jahres, dass die Europäische Kommission bereits an einer Neuauflage arbeite. Das habe man einer Mitarbeiterin der Kommission am Rande einer Veranstaltung im Europäischen Parlament entlockt. Danach plane EU-Innenkommissar Avramopoulos, bereits Mitte 2015 einen neuen Vorschlag vorzulegen. Hier findet Ihr den Beitrag.
Heise online hat nun noch einmal nachgehakt – und kommt zu anderen Schlüssen. Nachdem der Europäische Gerichthof (EuGH) die bisherigen Bestimmungen im Frühjahr 2014 verworfen hatte, arbeite die EU-Kommission derzeit nicht an einer neuen Richtlinie. Dies erklärte eine Sprecherin für den Bereich digitalen Binnenmarkt heute gegenüber heise. Die Kommission werde aber nationale Gesetze und deren Entwicklung weiter prüfen. Man habe das Thema erst in der vergangenen Woche erörtert. Hierbei hätte man sich darauf verständigt, dass es den Mitgliedsstaaten überlassen bleibe, ihre bestehenden Speicher-Systeme beizubehalten oder neue einzurichten – welche dann aber mit den Vorgaben des EuGH in Einklang stehen müssten. Ob dies überhaupt möglich ist, darf bezweifelt werden. Verschiedene juristische Gutachten bezweifeln dies.
Frage an die Bundesregierung:
Auch wir hatten die Große Koalition in der vergangenen Woche vor dem Hintergrund eines weiter schwelenden innerkoalitionären Konflikts um die Vorratsdatenspeicherung gefragt, ob ihres Wissens nach die Europäische Kommission derzeit an einer entsprechenden Richtlinie arbeite. Diese Frage ist vor dem Hintergrund, dass sich CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag auf die Umsetzung der Richtlinie verständigt hatten, von hoher Relevanz. Denn während die Union weiter für die Vorratsdatenspeicherung trommelt, verweist die SPD auf die nicht existente Richtlinie und einen damit auch nicht bestehenden Umsetzungsbedarf in Deutschland. Vor diesem, aber auch vor dem Hintergrund, dass Innenminister de Maizière (CDU) angekündigt hat, notfalls einen eigenen Entwurf vorzulegen, ist die Frage des Diskussionsstandes auf europäischer Ebene natürlich von großer Bedeutung.
Daher habe ich die Bundesregierung am 15. Januar 2015 folgendes gefragt:
Arbeitet die Europäische Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit an einer Neuauflage einer Richtlinie zur Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten und, sollte dies der Fall sein, wann ist nach Kenntnis der Bundesregierung mit der Vorlage erster Vorschläge der Europäischen Kommission zu rechnen?
Am 23. Januar 2015 erhielt ich die Antwort der Bundesregierung:
Nach Kenntnis der Bundesregierung arbeitet die Europäische Kommission derzeit noch nicht an einer Neuauflage einer Richtlinie zur Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten.
Bewertung der Antwort der Bundesregierung:
Zunächst ist natürlich erfreulich, dass die Europäische Kommission zumindest derzeit nach Aussage der Bundesregierung nicht an einer Neuauflage der Richtlinie arbeitet. Gleichzeitig schränkt das Ministerium in seiner Antwort gleich selbst ein, dass die Kommission dies „noch nicht“ tue. Es steht also zu befürchten, dass sich dies in naher Zukunft ändern könnte. Dennoch dürfte es Innenminister de Maiziere, bis dies der Fall ist, äußerst schwer fallen, einen nationalen Alleingang zu begründen, zumal die Formulierung im Koalitionsvertrag einen solchen nationalen Alleingang eigentlich ausschließt und es nach dem jüngsten Urteil des EuGH natürlich noch einmal ein Stück schwieriger geworden ist, die Vorgaben des höchsten deutschen und des höchsten europäischen Gerichts umzusetzen.
Weiterer Einsatz gegen die Vorratsdatenspeicherung nötig – auch und vor allem auf europäischer Ebene – GroKo muss „good cop, bad cop“-Spiel endlich beenden!
Trotz dieser vermeintlich positiven Nachrichten ist der Druck, die VDS wieder einzuführen, unbestritten hoch. Auch wenn sich in den letzten Tagen vermehrt auch Politikerinnen und Politiker aus der SPD, die eine Neuauflage zuvor noch forderten, nunmehr dagegen aussprachen, steht zu befürchten, dass eine Neuauflage der Richtlinie durch die Europäische Kommission von der Großen Koalition als willkommener Anlass für eine nationale Umsetzung angesehen werden würde. So wartet man, statt sich endlich auf europäischer Ebene vehement gegen eine solche Neuauflage auszusprechen, was auch und gerade nach den Ereignissen von Paris die einzige logische Konsequenz wäre, lieber ab und spielt weiter das altbekannte, seit Jahren zu beobachtende „good cop, bad cop“-Spiel.
Will man die Vorratsdatenspeicherung langfristig verhindern, ist letztlich nur ein entschiedener Einsatz auf europäischer Ebene zielführend. Einen solchen fordern wir in Initiativen in jeder Legislaturperiode auf´s Neue. Auch in dieser Wahlperiode haben wir bereits zwei Initiativen gegen die VDS vorgelegt. In ihnen fordern wir die Bundesregierung unmissverständlich auf, sich sowohl auf nationaler Ebene dauerhaft vom Vorhaben der Vorratsdatenspeicherung zu verabschieden, als auch sich endlich auf EU-Ebene mit allen Mitteln dafür einzusetzen, dass es zu keiner Neuauflage einer EU-Richtlinie kommt. Unsere alte Forderung scheint dieser Tage leider einmal mehr aktueller denn je.
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