Die europäische Vorratsdatenspeicherung für Fluggastdaten wird kommen. Der Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments, der britische Tory-Abgeordnete Timothy Kirkhope (ECR-Fraktion), und die Regierungen im Rat haben sich weitgehend geeinigt. Das PNR – Passenger Name Records – genannte System soll, anders als noch vor wenigen Monaten vom Innen- und Justizausschuss des Europaparlaments beschlossen, auch Flüge umfassen können, die in der EU starten und landen. Nicht nur jene, die aus der EU heraus oder in sie hinein führen. Fünf Jahre lang werden für jeden Flug persönliche Daten, Zahlungsangaben und zahlreiche weitere Einzeldaten jedes Passagiers gespeichert.

Umstritten zwischen Parlament und Rat bleibt allein, ob die Daten nach sechs (so die Parlamentsposition) oder nach neun Monaten (so die Ratsposition) pseudonymisiert warden.

Die Richtlinie wird voraussichtlich in dieser Woche vom Innen- und Justizausschuss und Anfang 2016 vom Plenum des Europäischen Parlaments beschlossen werden. Zwei Jahre haben die Mitgliedstaaten dann Zeit für ihre Umsetzung. Etwa 500 Millionen Euro wird es kosten, dieses System zu schaffen. Es ist eine Placebo-Maßnahme für gefühlte Sicherheit anstelle dringend notwendiger Investitionen in die bessere Ausstattung, Kooperation und Koordinierung von Polizei und Justiz in Europa – etwa im Rahmen der gemeinsamen Ermittlungsteams von Europol und Eurojust.

Vor allem aber bringt das System schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte von Millionen Fluggästen mit sich. Es wird sich daher zeigen, ob die Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben wird. Die Urteile aus Luxemburg etwa zur Vorratsdatenspeicherung oder die jüngsten Ausführungen im Schrems-Urteil zum Safe Harbor-Abkommen mit den USA wecken daran großen Zweifel. In der Schrems-Entscheidung hat der EuGH den Wesensgehalt des Datenschutzgrundrechts der EU-Charta durch anlasslose Überwachung als verletzt angesehen.

Wir können warten und auf den EuGH hoffen. Wir müssen aber auch weiter kämpfen um die Fluggastdatenspeicherung wenigstens mit einigen rechtsstaatlichen und bürgerrechtlichen Leitplanken zu versehen. Dafür werde ich mich als Schattenberichterstatter der Grünen für die Richtlinie weiter vehement einsetzen. Mit unseren Änderungsanträgen möchten wir vor allem durchsetzen, dass:

  • die erhobenen Passagierdaten ausschließlich zur Vorbeugung, Ermittlung und Strafverfolgung von terroristischen und abschließend in der Richtlinie genannten, schweren grenzüberschreitenden Straftaten, etwa des Menschenhandels, verarbeitet werden dürfen. Schwere Straftaten sollen danach nur solche sein, die mit mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind.
  • Die Bestimmung, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Regeln für Flüge außerhalb der Union auf Flüge innerhalb der Union auszuweiten, wollen wir aus dem Richtlinientext streichen.
  • Die „Passenger Information Units“ der Mitgliedstaaten, die die Fluggastdaten sammeln und speichern, sollen die Daten nur auf Basis ihrer Risikoanalysen in konkreten Einzelfällen weitergeben dürfen. Jede Verarbeitung der Daten soll einer richterlichen Anordnung bedürfen. Nur bei Gefahr im Verzug darf eine Verarbeitung ohne Richterbeschluss erfolgen und muss binnen 48 Stunden durch ein Gericht genehmigt werden.
  • Der Informationsaustausch zwischen den „Passenger Information Units“ der Mitgliedstaaten in Fällen, in denen ein konkreter Terrorverdacht oder Verdacht einer anderen schweren grenzüberschreitenden Straftat besteht, muss verpflichtend sofort erfolgen. Das System muss zudem mit dem Schengen Information System (SIS II) synchronisiert werden. Ist die Weitergabe in diesen Fällen nicht verpflichtend, ist das gesamte System nicht mehr nur rechtlich hochproblematisch, sondern tatsächlich vollkommen unsinnig.
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