Mit einiger Verwunderung haben wir den Medien entnommen, dass der Arbeitskreis Urheberrecht der SPD-Bundestagsfraktion den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf zur Reform des Telemediengesetzes und der sogenannten Störerhaftung“ in einem mehrseitigen Positionspapier (pdf) geradezu zerrissen hat. Guten Morgen, liebe SPD! Es stellt sich die Frage, welche gesetzgeberischen Folgen nun aus der neu gewonnenen Erkenntnis der Fraktion erwachsen.

Über Die Störerhaftung diskutieren wir seit Jahren. Hier eine Übersicht. Der nach Jahren der Untätigkeit von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (pdf) hat von allen Seiten massive Kritik erfahren. Unsere Position zu dem vorliegenden Gesetzesentwurf haben wir auf grün-digital immer wieder verdeutlicht. Hier findet Ihr die Rede, die ich zum vorliegenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung, in der unsere wesentlichen Kritikpunkte zusammengefasst sind. Mit dem gemeinsam Gesetzesentwurf der Opposition haben wir vor langer Zeit eine Alternative zum Vorgehen der Großen Koalition aufgezeigt. Auch der Bundesrat hat erst kürzlich noch einmal eine weitreichende Absage an das Konstrukt der Störerhaftung angemahnt.

Trotz all dieser Kritik haben die Regierungsfraktionen den Entwurf der Bundesregierung noch kurz vor der parlamentarischen Winterpause – unverändert – in den Bundestag eingebracht und eine Öffentliche Anhörung durchgeführt. Auch hier blieb kaum ein gutes Haar am vorliegenden Entwurf. Selbst die Sachverständigen der Großen Koalition zerrissen die Vorlage. Immer wieder kündigten die Netzpolitiker umfangreiche Änderungen an. Diese gibt es bis heute nicht. Statt diese endlich vorzulegen, fällt einem nun auf, dass der vorliegende Entwurf der Bundesregierung das eigentliche Ziel, mehr Rechtsicherheit zu schaffen komplett verfehlt. Das sagen wir gemeinsam mit vielen anderen seit Monaten.

Dir Kritik ist harsch: Rechtsbegriffe seien unklar und der Entwurf insgesamt ungeeignet, Rechtssicherheit herzustellen. Soweit so richtig. Die geplanten Regelungen zu „gefahrgeneigten Diensten“ verfehlten ihren Zweck. Insgesamt drängt man darauf, bestimmte Paragraphen des Entwurfs grundlegend zu überarbeiten. Die Antwort auf die Frage, warum man das icht längst getan hat und wie der Koalitionspartner das eigentlich sieht, beantwortet man jedoch nicht!?

Während man sich nun einmal mehr medial echauffiert, geht der innerhalb der Bundesregierung seit Monaten abgestimmte Entwurf in unveränderter Form seinen weiteren parlamentarischen Gang. So ist die bisherige Vorlage für die parlamentarischen Beratungen der Ausschüsse des Bundestages in der kommenden Sitzungswoche aufgesetzt. Die immer wieder angekündigten Änderungsanträge der Fraktionen liegen bis heute nicht vor. Dies lässt nur einen Schluss zu: Hier wird von einer Fraktion, die ihr Scheitern längst eingesehen hat, ein letzter Sturm im Wasserglas entfacht. Mehr nicht.

Wir sind sehr gespannt, ob die Koalitionsfraktionen und insbesondere die SPD-Fraktion den vorliegenden Entwurf der Bundesregierung noch von den Tagesordnungen nehmen oder wann uns die angekündigten, weitreichenden Änderungen am vorliegenden Entwurf eigentlich erreichen sollen. Schon heute ist das gesamte parlamentarische Verfahren, an dem der „Internet-Ausschuss Digitale Agenda“ übrigens gar nicht beteiligt ist, eine einzige Farce. Insgesamt hat die Große Koalition noch einmal gezeigt, wie digitalpolitisch inkompetent man agiert und wie sehr man mit den Herausforderungen des digitalen Wandels, selbst bei vermeintlichen Kleinstbaustellen, überfordert ist.

UPDATE 29.01.2016:

Es besteht nach wie vor völlige Unklarheit bezüglich des weiteren Vorgehens der Großen Koalition in Sachen Störerhaftung. Den vielfach kritisierten Gesetzentwurf der Bundesregierung hat die Große Koalition mittlerweile im „Unterausschuss Kommunales“ geparkt. Eine Begründung hierfür gibt es nicht. Wahrscheinlich wolle man sich die Schmach ersparen, den TOP wieder von den Tagesordnungen zu nehmen und hielt dieses Vorgehen schlicht für das gesichtswahrendere.

Fakt ist: Trotz der harschen Kritik der letzten Wochen haben die Koalitionsfraktionen bis heute keinen einzigen Änderungsantrag vorgelegt. Hier klaffen rhetorische Ankündigungen und parlamentarische Taten also nach wie vor extrem weit auseinander. Angeblich haben in dieser Woche weitere Abstimmungsgespräche zwischen Union und SPD stattgefunden.

Man hört, dass man von der im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgelegten Novellierung von §10 TMG mittlerweile gänzlich Abstand nehmen will, und auch bei §8 weitreichende Änderungen vornehmen und die bislang eingezogenen Pflichten für diejenigen, die offene WLAN-Netze nutzen, weitreichend abschwächen will. Alles andere wäre angesichts der Tatsache, dass einzelne Bundesministerien WLAN-Netze ohne irgend eine vergleichbare Verpflichtung zur Verfügung stellen, auch absurd.

Warum man sich nicht von vornherein den guten Argumenten nicht versperrt all den Stress nicht von vornherein gespart und auf den von der Opposition am Anfang der Wahlperiode gemeinsam vorgelegten Gesetzesentwurf zurückgegriffen hat, bleibt das Geheimnis einer in Sachen Netzpolitik weiter irrlichternden GroKo.

Mittlerweile scheint man selbst nicht mehr über den weiteren gesetzgeberischen Verlauf der Initiative Klarheit zu haben: Während in der aktuellen Vorhabensplanung der Bundesregierung (Stand 19.01.2016) noch als Datum für die 2./3. Lesung im Bundestag der 28./29.01.2016 genannt werden, steht in der Vorhabensplanung des federführenden Wirtschaftsministeriums nunmehr der 18./19.02.2016.

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