Am 27. April 2017 hat der Bundestag das von der Bundesregierung eingebrachte neue Gesetz für das Bundeskriminalamt (BKA) verabschiedet. Die grüne Bundestagsfraktion hat dem Gesetz nicht zugestimmt, denn die verfassungs- und datenschutzrechtlichen Bedenken dagegen sind gravierend. Die Bundesregierung nutzt die aktuell gebotene Sicherheitsdiskussion zum Rückbau des Rechtsstaats und der Bürgerrechte. Mehr Sicherheit schafft sie dadurch nicht.

Ziele des Bundesverfassungsgerichts verfehlt

Eine Änderung des BKA-Gesetzes war dringend nötig. Denn letztes Jahr hat das Bundesverfassungsgericht auf unsere Klage hin entschieden, dass die weitreichenden Befugnisse des BKA zur Terrorabwehr zum Teil verfassungswidrig sind, da die Befugnisse zur heimlichen Überwachung unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Das jetzt verabschiedete Gesetz ist aber – anders als vom Gericht gefordert – eine vollständige Überarbeitung des BKA-Gesetzes und schafft dort eine komplett neue IT-Landschaft.

Sicherheit heilt nicht alle Wunden

Die Reform des BKAs darf aber – gerade vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – nicht erneut zulasten der Rechtsstaatlichkeit und der Verfassungsmäßigkeit gehen. Es bedarf eines Bekenntnisses zum Polizeiföderalismus und zum BKA als eine primär Strafverfahren führende und unterstützende Behörde. Soweit dem BKA ausnahmsweise auch präventivpolizeiliche Kompetenzen für den Bereich des internationalen Terrorismus gewährt werden, bedarf es einer klaren verfassungsgemäßen Ausgestaltung. Dies betrifft insbesondere das Vorhaben, das BKA eine komplexe umfassende Datenbank führen zu lassen. Die Regelung einer solchen Datenbank muss sich klar an den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts zur Zweckbindung und der Aufsicht der Bundesdatenschutzbeauftragten bekennen.

Ungeheuerlich ist in diesem Zusammenhang die Behauptung der großen Koalition, der NSU sei wegen der bestehenden Datenbankstruktur nicht aufgedeckt worden. Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages kam aber nie zu diesem Ergebnis. Und davon abgesehen: Jede Regelung muss die Vorgaben unseres Grundgesetzes für verhältnismäßige Eingriffe einhalten.

Tschüss polizeilicher Datenschutz, Hallo Fußfessel!

Das BKA darf stattdessen ab jetzt alle polizeilichen Daten ohne nähere Zweckbindung sammeln und durch beliebige Methoden miteinander abgleichen. Das widerspricht der Zweckbindung, einem Eckpfeiler des Datenschutzrechtes. Es wird dadurch eine undifferenzierte Raster- und Googlemöglichkeit auf polizeilichen Datenbeständen eingeführt, die alle Bürger betrifft – nicht nur Straftäter, sondern auch Zeugen und Opfer. Gleichzeitig werden die Kontrollmöglichkeiten durch die Bundesdatenschutzbeauftragte herabgesetzt und Auskunftspflichten von Berufsgeheimnisträgern, wie zum Beispiel Psychotherapeuten, eingeführt.

Mit dem BKA-Gesetz wird auch die Fußfessel für sogenannte „Gefährder“ eingeführt. Künftig können also auch Personen, die keine Straftat begangen haben, zum Tragen einer Fußfessel verpflichtet werden, sofern sie in den Zuständigkeitsbereich des BKA fallen. Das ist nicht nur ein klassisches Placebo, denn auch das BKA selbst sieht intern kaum eine Anwendungsmöglichkeit gegen sogenannte Gefährder, deren Beobachtung vor allem verdeckt stattfindet. Es ist auch ein gewagter Feldversuch. Denn bislang erlaubt kein Land der Welt vergleichbare Maßnahmen im präventivpolizeilichen Bereich.

All diese schwerwiegende Kritik haben wir in einem Entschließungsantrag in den Bundestag eingebracht.

Sachverständige äußern schwerwiegende Bedenken

Die Anhörung zum Gesetzentwurf hatte ein deutliches fachliches Ergebnis: Eine klare Mehrheit der Experten hielt das neue BKA-Gesetz für fragwürdig und übereilt. Dabei haben nicht nur die von der Opposition benannten Sachverständigen harte Kritik an der neuen Datenstruktur des BKA geübt, sondern auch die von der CDU/CSU benannten Professoren. Auch wurden vielfach Bedenken geäußert, ob dadurch die Polizeiarbeit und damit die Sicherheit wirklich gefördert würden.

Ein deutlicheres Ergebnis zu bürgerrechtlichen Bedenken gegen ein Gesetzesvorhaben gibt es im Bundestag im Rahmen von Anhörungen selten. Berücksichtigt wurden die Meinungen der Experten in der weiteren Beratung des Gesetzentwurfs durch die große Koalition aber kaum. Ein nach der Anhörung von der großen Koalition vorgelegter Änderungsantrag beseitigt zwar die grob verfassungswidrige sogenannte „Mitzieh-Automatik“, die ursprünglich in dem Gesetzentwurf stand. Es bleibt also bei der Pflicht des BKA, die Zulässigkeit der weiteren Speicherung der Daten von Bürgerinnen und Bürgern regelmäßig zu überprüfen. Doch zugleich sollen nun verschiedene Rechtsgrundlagen in der neu zu schaffenden einheitlichen Datenbank Anwendung finden. Das ist weder polizeipraktisch realisierbar, noch mit den Grundsätzen bestimmter und nachvollziehbarer Datenhaltung vereinbar.

Bundesdatenschutzbeauftragte sieht schwere Grundrechtseingriffe

Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte hat den geplanten Informationsverbund der Polizeibehörden deutlich kritisiert und die Aufgabe der Zweckbindung bei den polizeilichen Datenbanken moniert. Sie sieht darin einen umso schwerwiegenderen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen.

Nächste Station Bundesverfassungsgericht?

Es ist damit zu rechnen, dass das Gesetz wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird. Damit ist eine Fortsetzung der Unsicherheit von Polizeibehörden und BKA über ihre rechtmäßigen Zuständigkeiten vorprogrammiert.

Tags

Comments are closed

Archive