Die Diskussion um die Abschaffung der sogenannten „Störerhaftung“ führen wir seit nunmehr mehreren Jahren. Im Mai 2010 führte eine umstrittene Entscheidung des BGH („Sommer unseres Lebens“) zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit geführt. Seit Anfang der letzten Wahlperiode kündigen die Bundesregierung von Angela Merkel an, hier tätig werden und die verloren gegangene Rechtssicherheit im Sinne der eigentlichen Intention des Gesetzgebers wieder herstellen zu wollen. Aus dem „Sommer unseres Lebens“ sind also 6 Jahre unseres Lebens geworden.
Bis heute besteht Unklarheit, welche Pflichten man erfüllen muss, um aus der Haftung genommen zu werden, wenn man Netze für Dritte öffnet. Trotz den Forderungen von allen Seiten, diese Rechtssicherheit durch gesetzliche Klarstellung zu beseitigen, sowohl aus Wirtschaft wie auch aus der Zivilgesellschaft und der Politik, mehrfach auch aus dem Bundesrat, genauso aber bswp. aus der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ und obwohl wir als Opposition immer wieder parlamentarische Initiativen hierzu vorgelegt haben, ist gesetzgeberisch jahrelang überhaupt nichts passiert. Nach entsprechenden Zusagen im Koalitionsvertrag und anhaltender Untätigkeit der GroKo hat die Opposition am Anfang der Wahlperiode erneut eine gemeinsame Initiative zur Ausweitung der sogenannten „Providerprivilegierung“ des Telemediengesetztes (TMG) vorgelegt.
Mit zweijähriger Verspätung legte auch die Bundesregierung schließlich einen Gesetzesentwurf (pdf) vor, der jedoch in die völlig falsche Richtung ging. Letztendlich hätte er durch den Umstand, dass er weitreichende Verpflichtungen für WLAN-Betreiber, ihre Netze zu schützen, bis hin zur namentlichen Registrierung, die so abwegig waren, dass sich peinlicherweise selbst die eigenen Ministerien bis heute nicht daran halten und ihr WLAN-Netz – ohne irgendwelche Sicherungen – für Dritte öffnen, die bestehende Rechtsunsicherheit sogar noch in Gesetzesform gegossen. Zudem sah er eine – dem TMG fremde – Unterscheidung zwischen privaten und kommerziellen Anbietern vor, genauso wie weitreichende Pflichten, die erstere erfüllen sollten, bis hin namentlichen Registrierungen, die wir sonst nur aus autoritären Staaten kennen. Auch eine Regelung in § 10 TMG, die eine ebenso weitreichende Verpflichtung der Provider vorsah, die von Ihnen durchgeleiteten Inhalte zu kontrollieren, ging völlig an der Sache vorbei. In meiner Rede zur Einbringung des Gesetzesentwurfs der Großen Koalition habe ich deutlich gemacht: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung war insgesamt gänzlich untauglich und hätte zu mehr Rechtsunsicherheit und zu noch weniger offenen Netzen geführt.
Der Entwurf wurde zurecht von allen Seiten, selbst den eigenen Sachverständigen in der Bundestags-Anhörung und zuletzt selbst von den eigenen Ministerien zerrissen. Klar war, dass etwas Neues her muss. Nach einem monatelangem Streit zwischen den beteiligten Ministerien und Fraktionen, die keine einzige Änderung zu Papier brachten, brauchte es erst ein Machtwort der Kanzlerin, um dieses mittlerweile maximal peinliche Thema abzuräumen. Verhindert werden sollte hierdurch auch nächste Klatsche vor dem EuGH. Seit letztem Montag wissen wir, die Bundesregierung mit ihren zwei zentralen Versprechen gescheitert ist: 1) Rechtsicherheit selbst herzustellen und 2) die Störerhaftung zu beseitigen! Beides leisten die nun vorgelegten Änderungen nicht.
Zwar sind, darauf habe ich in meiner nun im Plenum gehaltenen Rede auch explizit hingewiesen, die Änderungen am Regierungsentwurf durch die große Koalition durchaus zu honorieren, bspw. der komplette Wegfall des neuen § 10 und des absurden Konstrukts der „besonders gefahrengeeigneten Dienste“, gleichzeitig hat die Große Koalition es gescheut, sich der „Störerhaftung“ anzunehmen und Unterlassungsansprüchen eine klare Absage zu erteilen. Während im Entwurf der Bundesregierung die Notwendigkeit erkannt wurde, eine saubere Klarstellung im Gesetzestext selbst vorzunehmen, fehlt diese nun – obwohl der BGH selbst mehrfach darauf hinwies, dass es eben nicht ausreicht, Formulierungen in die Antragsbegründung aufzunehmen.
Statt für Rechtssicherheit zu sorgen, überlässt es die GroKo also erneut ohnehin überlasteten Gerichten nach der Gesetzesbegründung, wohlgemerkt der Begründung eines Änderungsantrags zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, zu googeln, um die Intention des Gesetzgebers zu erfassen. Die Regierungsfraktionen haben es somit tatsächlich geschafft, den einzigen guten Punkt aus dem ersten Entwurf der Bundesregierung herauszunehmen, nämlich die Absage an weitreichende Unterlassungsansprüche im Zuge der „Störerhaftung“. Somit wurde auch keine Rechtssicherheit hergestellt, sondern dies erneut an Gerichte delegiert. So bitter es ist: Nun liegt es, nachdem die Regelung den Bundestag in der vergangenen Sitzungswoche final passiert hat, nach einer sechsjährigen Diskussion also erneut bei den Gerichten, für Rechtssicherheit zu sorgen. Das ist sehr bedauerlich.
Hier meine Rede:
Hier findet Ihr eine Übersicht zu unseren Aktivitäten in Sachen Telemediengesetz und Störerhaftung.
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