Bild: Digitalcourage_SL CC-BY 4.0

Während die Bundesregierung weiterhin die Aufklärung im Fall Amri vernebelt, peitscht sie in dieser Woche mal wieder mehrere schwerwiegende Eingriffe in unsere Grundrechte durchs Parlament. Bereits im März hatte die Große Koalition an einem aberwitzigen Plenardonnerstag die Tagesordnung bis tief in die Nacht hinein angesetzt – und konnte so hochbrisante und komplexe Gesetzesänderungen am Radar der Öffentlichkeit vorbei ins Plenum einbringen.

Und auch diesen Donnerstag startet die Große Koalition mal wieder einen Ausverkauf unserer Freiheitsrechte. Auf der Agenda eines einzigen Plenartages (!) stehen in dieser Woche die Fluggastdatenspeicherung, die Umsetzung der Europäischen Datenschutzreform und last but not least das verfassungsrechtlich hoch bedenkliche BKA-Gesetz.

Die EU-Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung war schon im Europäischen Parlament hochumstritten. Nun muss sie in den Nationalstaaten umgesetzt werden. Verdachtsunabhängig müssen laut Richtlinien-Vorgaben von allen Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie in ein Flugzeug steigen, zig verschiedene Datenkategorien gespeichert werden, darunter sämtliche Kontaktangaben, Sitzplatz, Gepäck bis hin zu den Sachbearbeiterinnen und -bearbeiten des Reisebüros. Doch der Entwurf der Bundesregierung geht noch weiter: Denn während die EU-Richtlinie die Speicherung der Fluggastdaten nur von aus der EU und in die EU gehenden Flügen vorschreibt, plant sie zusätzlich die Speicherung von Flugdaten innerhalb der EU. Sammeln soll diese Massendaten eine beim BKA angesiedelte Zentralstelle.

Damit werden die Daten von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern bis zu fünf Jahre beim Bundeskriminalamt gespeichert, ohne dass sie irgendeinen anderen Anlass dazu gegeben haben, als in ein Flugzeug zu steigen. Die umfangreiche Fluggastdatenspeicherung geht über das Maß hinaus, das zur Verhinderung und Aufdeckung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität erforderlich ist. Daher besteht an der Vereinbarkeit mit der Grundrechtscharta erhebliche Zweifel.

Auch das Gesetz zur Anpassung unseres deutschen Datenschutzrechts an die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung soll an diesem Donnerstag verabschiedet werden. Die europäische Datenschutzreform (DSGVO) ist eines der wichtigsten europäischen Projekte der letzten Jahre. Sie sorgt für hohe gemeinsame Datenschutzstandards in der gesamten Europäischen Union. In so gut wie jedem Lebensbereich werden dort wichtige Datenschutz-Fragen umfassend geregelt. Einheitliche europäische Standards für die Datennutzung geben sowohl den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie auch den Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit. Dafür haben wir in Brüssel gekämpft und die Verabschiedung der Verordnung ist ein klarer grüner Erfolg.

Die Bundesregierung versucht nun bei der Umsetzung dieses hohe Datenschutzniveau zu verwässern. Der Entwurf zur Anpassung des deutschen Datenschutzrechts ignoriert in vielen Punkten europarechtliche Vorgaben. Die hochproblematische Videoüberwachung öffentlicher Räume wird ausgeweitet. Das Grundprinzip der Zweckbindung wird zugunsten intransparenter Big-Data-Auswertungen weiter ausgehöhlt. Die Aufsicht über den Datenschutz, insbesondere bei den Sicherheitsbehörden und Berufsgeheimnisträgern, wird weiter beschränkt. Und die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger durch die Datenschutzbeauftragten wird vollkommen unnötig erschwert. In einem Entschließungsantrag werden wir die Bundesregierung deshalb auffordern, ihren Gesetzesentwurf an die hohen Datenschutzanforderungen der DSGVO anzupassen.

Zu guter Letzt steht an diesem Donnerstag auch die Reform des BKA-Gesetzes (BKAG) zur Abstimmung. Eine Änderung des bestehenden BKAG halten auch wir für notwendig, der Gesetzesentwurf der Bundesregierung schafft es jedoch in keiner Weise, eine verfassungsgemäße Balance zwischen Freiheitsrechten und Sicherheitsbedürfnis zu erlangen.

So sieht der Entwurf unter anderem vor, das BKA eine komplexe umfassende Datenbank führen zu lassen. Dieses Datenbanksystem wird  allerdings weder verfassungsgemäß noch datenschutzsensibel ausgestaltet. Vielmehr soll das BKA dem Entwurf zufolge alle Daten ohne nähere Zweckbindung sammeln und durch beliebige Methoden miteinander abgleichen dürfen.

Darüber hinaus soll in dem Gesetzentwurf die Fußfessel für sogenannte Gefährder eingeführt werden. Die elektronische Fußfessel ist und bleibt Symbolpolitik. Sie ist zur Überwachung von Gefährdern ungeeignet, da ihr Einsatz ein gewisses Maß an deren Kooperation voraussetzt. Die zudem eingeführte Quellen-TKÜ (Staatstrojaner) ist verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Die Regelung stellt in keiner Weise durch technische Anforderungen sicher, dass die von BKA einzusetzende Überwachungs-Software die Mindestforderungen an die Datensicherheit erfüllen.

Wir haben deshalb auch zu diesem Gesetzesvorhaben einen Entschließungsantrag eingebracht, der am Donnerstag mitdebattiert wird. Unsere zentralen Forderungen sind:

  • Keine versteckte Vorratsdatenspeicherung durch eine Neustrukturierung der Datenbank des BKA
  • Keine Umgehung des Zweckbindungsgrundsatzes im Datenschutz durch Speicherung in Kategorien
  • Keine Speicherung ohne Anfangsverdacht
  • Keine Einführung von Quellen-TKÜ/Staatstrojaner ohne verfahrensrechtliche Sicherung
  • Keine Schwächung der Kontrollmöglichkeiten der Bundesbeauftragten für den Datenschutz
  • Keine Einschränkung des Schutzes von BerufsgeheimnisträgerInnen wie beispielsweise PsychotherapeutInnen
  • Keine Einführung der Fußfessel für sogenannte Gefährder

Es wurden schon mehrfach und von verschiedener Seite verfassungsrechtliche Bedenken an allen drei Gesetzesvorhaben deutlich gemacht. Dennoch scheut die Bundesregierung eine echte öffentliche Debatte und verabreicht unserem Rechtsstaat erneut eine Dosis Gift fortschleichender Präventivüberwachung. Dabei machen wir als Grüne nicht mit.

Meine Rede zur Anpassung des Datenschutzrechts könnt Ihr am Donnerstag gegen 18:25 live auf der Seite des Bundestages verfolgen oder später nachschauen. Wie immer werden wir sie anschließend auch hier einstellen.

Tags

Comments are closed

Archive