Am 4. Oktober führte die Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ über die wir hier, und hier bereits gebloggt hatten, durch. Themen der Anhörung waren die Auslastung von Netzen, die Notwendigkeit von Netzwerkmanagement und Zielvorstellungen zur künftigen Gestaltung des Internet. Die Aufzeichnung der kompletten Anhörung könnt Euch Ihr hier noch einmal anschauen.

Während der Anhörung bestand weitestgehend Einigkeit zwischen den Sachverständigen, dass es derzeit zu keinen Kapazitäts-Engpässen im Festnetz komme, es vielmehr keinen strukturellen Mangel an Kapazitäten im Netz gäbe. Sowohl die Vermittlungstechnik als auch der Netzausbau haben bisher in allen Fällen mit der Nachfrage Schritt halten können.

Dennoch halten die Forderungen nach einer Aufgabe der Netzneutralität zugunsten priorisierter Dienste und Anwendungen an, selbst wenn niemand deren technische und praktische Ausgestaltung genau darlegen kann. Wir sind der Meinung, dass  vor der Frage einer möglichen, weitreichenden Regulierung die grundsätzliche Diskussion stehen muss, welche Auswirkungen es hätte, wenn man ein bisher geltendes, grundlegendes Prinzip aufgibt.

Während der Anhörung in der Enquete-Kommission wurde ebenfalls noch einmal deutlich, dass das „Prinzip Netzneutralität“ nicht nur von ganz erheblicher Bedeutung für die bisherige Entwicklung des Internets war, sondern auch eine entscheidende Rolle für dessen zukünftige demokratische und wirtschaftliche Weiterentwicklung spielen muss. Durch das Infragestellen der Netzneutralität besteht die Gefahr, die innovations- und demokratiefördernde Wirkung des Internets nachhaltig zu bremsen.

Die Antwort auf die Frage, wie eine Priorisierung von Datenpaketen ausgestaltet werden müsste, um eine Diskriminierung von Inhalten zu vermeiden, konnte auch während der Anhörung abermals nicht beantwortet werden. Was jedoch deutlich wurde, ist, dass ein Netzwerkmanagement mittels Deep Packet Inspection, also einer Überwachung und Filterung von Datenpaketen nach ihrem Inhalt, aus vielfältigen Gründen schlicht inakzeptabel ist.

Unternehmen, die Fördergelder für Breitbandprojekte in Anspruch nehmen wollen, müssen sich dazu verpflichten, die Prinzipien der Netzneutralität einzuhalten. Eine effektive Kontrolle der Einhaltung dieses Prinzips kann jedoch bisher oftmals nicht gewährleistet werden. Tools zur Messung der Netzneutralität, wie z.B. Switzerland von der Electronic Frontier Foundation, müssen zweifellos noch weiter entwickelt werden. Die Aussage, auch das wurde während der Anhörung der Enquete-Kommission noch einmal deutlich, dass der Wettbewerb alleine zur Wahrung der Netzneutralität tatsächlich ausreicht, muss vor diesem Hintergrund kritisch hinterfragt werden.

Wir sind da skeptisch. Während der Diskussionen der vergangenen Monate und auch in Hinblick auf die anhaltenden Forderungen nach einer Aufgabe des Prinzips der Netzneutralität, haben wir uns angesichts der grundlegenden Bedeutung des Netzes für unsere Demokratie, aber auch vor dem Hintergrund, dass die Neutralität der Netze von entscheidender Bedeutung für den Erhalt und die Förderung von Vielfalt und Innovationen im Netz ist, dazu entschlossen, eine parlamentarische Initiative hierzu vorzulegen.

Selbstverständlich braucht die Internet-Architektur technische Innovation. Trotzdem halten wir es für dringend geraten, die „demokratische Vielfalt im Wettbewerb“  (Andreas Bogk vom CCC während der Anhörung) und das grundlegende Prinzip der Netzneutralität im Sinne der Nutzerinnen und Nutzer, aber auch im Sinne unserer Demokratie zu bewahren. Nur ein offenes und neutrales Internet gewährt allen Bürgerinnen und Bürgern eine freie Meinungsäußerung und gleichberechtigte Teilhabe am Netz. Das Prinzip der Gleichberechtigung von Daten darf unseres Erachtens nach nicht zugunsten einzelner bevorzugter Anwendungen und Dienste aufgegeben werden. Wir wehren uns gegen ein solches Zwei-Klassen-Internet, in dem die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen, der Kreativwirtschaft und der Verbraucherinnen und Verbraucher zugunsten rein wirtschaftlicher Überlegungen hinten angestellt werden.

In unserem Antrag „Gegen das Zwei-Klassen-Internet – Netzneutralität in Europa dauerhaft gewährleisten“ (Drucksachen-Nummer 17/3688) fordern wir zunächst die Bundesregierung dazu auf, sich zum Prinzip der Netzneutralität zu bekennen und sich sowohl auf deutscher wie auch auf europäischer Ebene für deren Wahrung einzusetzen. Die Durchsetzung der Netzneutralität sollte unseres Erachtens nach die Bundesnetzagentur überprüfen. Konkrete Vorschläge werden wir auch im Rahmen der Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) machen. Unseren Antrag haben wir nicht nur in den Bundestag eingebracht, sondern zusätzlich an die Europäische Kommission, die kürzlich einen Konsultationsprozess zum Thema Netzneutralität gestartet hatte, geschickt.

Die Diskussion im Rahmen der Enquete-Kommission geht unterdessen weiter. Wir laden Euch alle noch einmal ein, Euch hieran zu beteiligen. Zum „Forum Netzneutralität“ kommt ihr hier.

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