Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat heute, nach einer Telefonkonferenz mit den Innenministern der Länder, angekündigt, die Software zur Überwachung von Internet-Telefonaten künftig vom Staat entwickeln lassen zu wollen. Hierfür soll bereits in den nächsten Wochen ein Kompetenzzentrum eingerichtet werden, das beim BKA angegliedert ist. Die heute bereits eingesetzte Software soll durch ein Expertengremium überprüft werden. Wie dies zusammengesetzt werden soll, ließ Minister Friedrich offen.
Gestern noch drückte sich Innenminister Friedrich vor der Debatte im Bundestag. Heute wirft er eine weitere Nebelkerze. Statt gestern zu den Fragen und Vorwürfen zum Bundestrojaner Stellung zu nehmen, lenkt er lieber heute mit einem Schnellschuss von eigenen Versäumnissen ab. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es völlig abwegig, über die Einrichtung eines solchen Zentrums zu schwadronieren. Der Minister muss zunächst die im Raum stehenden Vorwürfe lückenlos ausräumen und dann prüfen, ob und wie die vom Bundesverfassungsgericht gemachten Vorgaben zur Quellen-TKÜ rechtlich und technisch in vollem Umfang umgesetzt werden können, ohne dass eine Ausforschung der Bürgerinnen und Bürger droht. Derzeit bestehen erhebliche Zweifel an dieser Umsetzbarkeit.
Erst nach einer solchen Prüfung, nachdem klar ist, ob und wie die vom Bundesverfassungsgericht gemachten Vorgaben rechtlich und technisch in vollem Umfang eingehalten werden können, kann man damit beginnen, über die Frage nachzudenken, wer für die tatsächliche Umsetzung eines solchen Programms sorgen könnte. Unseres Erachtens erschließt es sich nicht, dass neben dem gerade eingerichteten Cyber-Abwehrzentrum und dem noch einmal erheblich ausgebautem BSI nun noch eine weitere, wolkig umschriebene, beim BKA angesiedelte Stelle nötig wäre.
Nach über drei Jahren sollten sich Innen- und Justizministerium endlich Gedanken darüber machen, auf welche Weise dem 2008 vom Bundesverfassungsgericht neu geschaffenem Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme die Bedeutung beigemessen werden kann, die ihm angesichts der fortschreitenden Technologisierung unserer Gesellschaft gebührt.
Nach dem gestrigen Tag wissen wir: Die Bundesregierung hat in einem verfassungsrechtlich hochrelevanten Feld hoheitsstaatliche Aufgaben outgescourced. Sie hat weder eine Ahnung, welche Trojaner sie selbst einsetzt, noch welche in den Ländern eingesetzt werden. Zudem versucht sie noch immer, einen offensichtlichen Rechtsbruch der bayerischen Landesregierung zu decken. Durch Angriffe auf den Chaos Computer Club und das Werfen von Nebelkerzen probiert sie auch weiterhin, das Chaos in den eigenen Reihen zu kaschieren. Der heutige Vorstoß des Ministers verstärkt den Eindruck eines verfassungsrechtlichen Inkompetenzzentrums namens Bundesministerium des Innern.
Informationen über unsere bisherige Initiativen in Sachen Staatstrojaner findet Ihr hier.
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