Zum Semesterstart gibt es einen Beitrag zum Thema Datenschutz an Hochschulen.
von Malte Spitz und Katharina Maria Nocun
Wenn Professorin Schmidt heute einen neuen Studenten in ihrem Seminar begrüßt, kann sie sich Fragen zur Person sparen. Ein Blick in den Computer genügt und sie weiß: Klaus- Peter Froh ist 24 Jahre alt und wurde in Hamburg geboren. Er hat sein Abitur mit der Durchschnittsnote 2,7 bestanden und brauchte 6 Wartesemester, um einen Studienplatz zu erhalten. Er studiert im Nebenfach Pädagogik – mit mäßigem Erfolg. In diesem Semester hat er bislang nur 2 von 5 Prüfungen bestanden. Vielleicht, weil er mehrere Wochen krank war.
Organisation und Struktur der Hochschulen haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Neue technische Möglichkeiten digitalisieren auch die deutsche Hochschullandschaft. Studierende immatrikulieren sich heute fast ausschließlich auf elektronischem Wege. Aus dem Unialltag sind digitale Arbeits- und Lernabläufe kaum mehr wegzudenken. Das hat viele Vorteile – sowohl für die Universitäten als auch für die Studierenden. Doch gibt es auch die Kehrseite der Medaille: Unzählige Aspekte des Studentenlebens lagern nun auf Servern – bereit für den Ge- aber auch den Missbrauch. Dringende Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit wurden an den meisten Hochschulen bislang weitgehend ausgeblendet. Zu euphorisch waren Lehrende und Lernende. Sie nutzten die neuen Technologien mehr oder weniger bedenkenlos. Die steigende öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema rückt nun den Datenschutz in den Fokus von Universitäts- und Studierendenvertretern. Denn wo Daten anfallen, muss auch Sorge dafür getragen werden, dass Standards der Datensicherheit und des Datenschutzes eingehalten werden. Und hier besteht dringender Aufholbedarf.
Sicherheit und Struktur der Prüfungssysteme müssen auf den Prüfstand. Die dort gespeicherten Daten sind hochsensibler Natur. Dozenten und wissenschaftliche Mitarbeiter erhalten im Rahmen der Prüfungssysteme Informationen, die oftmals keinerlei funktionale Relevanz haben. Muss ein Dozent wissen, wie der restliche Studienverlauf aussieht oder wie die Studierenden in anderen Seminaren benotet werden? Ist es erforderlich, dass Lehrbeauftragte wissen, ob ein Seminarteilnehmer bereits Kinder hat? Warum sieht auf einigen Plattformen jeder, ob und wann Vorlesungsfolien heruntergeladen wurden? Ist es für Bescheinigungen notwendig, unangefragte Studienleistungen mit aufzuführen? Wieso darf das Prüfungsamt das Symptom einer Erkrankung erfragen, wenn der Arzt doch die Prüfungsunfähigkeit attestiert hat? Und werden diese Informationen Auswirkungen haben, wenn man sich später einmal an derselben Universität bewerben möchte? – Viele dieser Fragen müssen an Universitäten dringend gestellt und zeitnah beantwortet werden. Denn die Datenberge wachsen rasant. Datensparsamkeit sollte die Prämisse sein – und nicht der gläserne Student.
Der elektronische Studierendenausweis – an einigen Hochschulen bereits vor Jahren eingeführt – wirft ähnlich viele Fragen auf. Das Hauptproblem liegt aber noch viel tiefer: Datenschutz spielt so gut wie keine Rolle. Es gibt selten datenschutzrechtliche Hinweise. Auch fehlt das Bewusstsein, dass Studierende, indem sie von einem elektronischen Studierendenausweis Gebrauch machen, ihren gesamten Tagesablauf offenbaren. Durch einen integrierten Chip können die Ausweise als Datenträger und gleichzeitig als Zugangskarte – z.B. für universitäre Räume oder Anmeldesysteme – verwendet werden. Je nachdem, wie viele Funktionen auf dieser kontaktlos via Funk auslesbaren Karte zusammengefasst werden, kann das einen gefährlichen Einschnitt in die Privatsphäre der Studierenden bedeuten. Wann hat er oder sie wo kopiert? Wer sitzt in der Vorlesung und darf der oder diejenige hier sitzen? Was wurde in der Mensa bestellt und wohin ging am Wochenende die Reise mit dem Semesterticket? – Vieles wird elektronisch und oft auch zentral erfasst. Funkchips und Verschlüsselungstechniken sind aufgrund des technischen Fortschritts nie dauerhaft sicher. Was würde es bedeuten, wenn sich ein Datenleck bemerkbar machte? Datenschützer stellen zu Recht die Frage, ob es wirklich notwendig ist, all diese Daten über Studierende zu erfassen. Vor allem, da der auf der Karte integrierte Chip kontaktlos und somit unbemerkt ausgelesen werden kann. Informationelle Selbstbestimmung ist oft ein Fremdwort an deutschen Universitäten. Die wachsenden Möglichkeiten zur Überwachung der Studierenden sind längst Realität.
Dass den Studierenden keineswegs gleichgültig ist, in welchem Ausmaß universitäre Räume überwacht werden, zeigt das Beispiel Münster. Hier verklagten Studierende seit 2006 mehrmals die eigene Universität. Sie bemängelten, dass gesetzliche Vorschriften – wie beispielsweise ein öffentliches Verfahrensverzeichnis für die installierten Videoanlagen – nicht eingehalten worden sind. Und sie bekamen recht.
An vielen Hochschulen herrscht in puncto Datenschutz wenig Transparenz, dafür aber viel Unsicherheit und Unwissen. Obwohl jede Universität einen Datenschutzbeauftragten hat, sind diese Personen meist gleichzeitig mit anderen Verpflichtungen an der Hochschule betraut. Angesichts der Fülle von Themen und Aspekten rund um den Datenschutz ist es nicht verwunderlich, dass diese Teilzeit-Datenschutzbeauftragten nur wenig bewegen können. Studentische Vertretungen sind bemüht, bereits während der Gestaltung neuer Strukturen und Systeme auf Datenschutzprobleme aufmerksam zu machen und Betroffenen helfend zur Seite zu stehen. Jedoch sind auch deren Ressourcen sehr begrenzt. Oft fehlt die entscheidende Schnittstelle, um Forderungen erfolgreich an die Universitätsleitung und -verwaltung kommunizieren zu können.
Diese Situation muss sich dringend ändern. Wenn niemand effektiv über die Einhaltung von Datenschutzstandards wacht, werden die hochsensiblen Daten der Studierenden bewusst der Gefahr eines Missbrauchs ausgesetzt. Die Einsetzung von jeweils einem unabhängigen studentischen und universitären Datenschutzbeauftragten wäre ein einfacher Schritt in die richtige Richtung – hin zu mehr Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung an deutschen Hochschulen.
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