Deutsche Firmen spielen beim weltweiten Export von Überwachungs- und Zensursoftware in der ersten Liga. Die Bundesregierung schaut diesem Treiben seit Jahren tatenlos zu und setzte sich sogar aktiv gegen eine Verschärfung der Exportbestimmungen ein – trotz anderslautender öffentlicher Bekenntnisse. Als Grüne Bundestagsfraktion setzen wir uns seit langem für eine effektive Exportkontrolle deutscher und europäischer Überwachungstechnologie und Zensursoftware ein und haben kurz vor Ende der vergangenen Legislatur, als sich abzeichnete, dass die Bundesregierung von sich aus nicht mehr tätig wird, den Antrag “Export von Überwachungs- und Zensurtechnologie an autoritäre Staaten verhindern – Demokratischen Protest unterstützen” mit sehr konkreten Vorschlägen in den Bundestag eingebracht.

In unserem Antrag forderten wir die schwarz-gelbe Bundesregierung noch einmal nachdrücklich dazu auf, endlich entsprechende Exporte effektiv zu unterbinden und sich darüber hinaus verstärkt für den Schutz der Informations- und Meinungsfreiheit und entsprechende Techniken zur Umgehung von Überwachung und Zensur einzusetzen. Hier haben wir ausführlich über unseren Antrag gebloggt. Hier findet Ihr meine Rede zur Einbringung unseres Antrags. In unserem Antrag haben wir der Bundesregierung verschiedene Vorschläge für eine verbesserte Exportkontrolle auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene unterbreitet. Eine unserer Forderungen bezog sich auch auf das sogenannte Wassenaar Arrangement.

Das Wassenaar-Abkommen für Exportkontrollen von konventionellen Waffen und doppelverwendungsfähigen Gütern und Technologien (engl. Dual-Use Goods and Technologies) wurde am 19. Dezember 1995 in Wassenaar in den Niederlanden ausgearbeitet und anschließend am 12. Mai 1996 in Wien von ursprünglich 33 Gründungsmitgliedern unterzeichnet. Das Abkommen beinhaltet u.a. eine Liste rüstungsrelevanter Güter, die ständig aktualisiert wird. Die Staaten, die das Abkommen unterzeichnet haben, entscheiden zwar weiterhin eigenständig über die Bewilligung oder Ablehnung von Lieferanfragen bezüglich entsprechender Güter aus Drittstaaten, verpflichten sich aber zugleich, die anderen Mitgliedsstaaten über ein gemeinsames Büro in Wien über entsprechende Anfragen zu informieren. Hierdurch soll die Transparenz in diesem ansonsten hoch intransparentem Rüstungsbereich verbessert und zugleich verhindert werden, dass von einem Mitgliedsstaat abgelehnte Anfragen von anderen Mitgliedsstaaten positiv beschieden werden. Seit 1996 ist die Liste der Mitgliedsstaaten des Wassenaar Arrangements beständig gewachsen. Heute haben mehr als 40 Staaten das Abkommen unterzeichnet, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland.

Im Rahmen ihrer diesjährigen Plenarsitzung haben sich die Vertragsstaaten in einem entsprechenden Beschluss (pdf) nun darauf verständigt, den Export digitaler Überwachungstechnologien zukünftig noch effektiver regulieren zu wollen und die Export-Liste nochmals zu erweitern. Das begrüßen wir als Grüne ausdrücklich. Eine solche verbesserte Kontrolle auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene ist lange überfällig. Der jetzige Beschluss stellt zweifellos einen Etappensieg dar, gleichzeitig müssen weitere Schritte auf nationaler und europäischer Ebene dringend folgen. Auf nationaler Ebene wäre ein vollständiger Verzicht auf den Export entsprechender Güter, vor allem in autoritäre und totalitäre Staaten oder Staaten, die sich in demokratischen Umbruchprozessen befinden, natürlich am wünschenswertesten.

Sicherlich nicht ganz so weitgehend, aber dennoch ausdrücklich zu begrüßen ist das Vorgehen der französischen Regierung, die umgehend nach dem jüngsten Beschluss bekannt gab, dass entsprechende Güter aus Frankreich ab sofort nur noch nach vorheriger Genehmigung in Länder außerhalb der EU exportiert werden dürfen. So lange sich die Bundesregierung nicht dazu durchringen kann, den Export entsprechender Güter gänzlich zu unterbinden, wäre ein solche Genehmigungspflicht auch für deutsche Güter zweifellos ein zu begrüßender Zwischenschritt. Als Grüne unterstützen wir daher die Forderung von „Reporter ohne Grenzen“, deren Geschäftsführer Christian Mihr heute die Bundesregierung aufforderte, möglichst schnell dem Beispiel Frankreichs zu folgen und das Abkommen umzusetzen.

Nachdem die schwarz-gelbe Bundesregierung unseren Antrag “Export von Überwachungs- und Zensurtechnologie an autoritäre Staaten verhindern – Demokratischen Protest unterstützen” (pdf) erst vor wenigen Monaten, trotz immer wieder anderslautender Aussagen noch überraschend ablehnte, wäre es nun an der Zeit, den wiederholt öffentlich geäußerten heeren Worten von Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung tatsächliche Taten folgen zu lassen.

Leider hat es die neue schwarz-rote Bundesregierung verpasst, zu dem Komplex auch nur ein Wort in ihrem Koalitionsvertrag zu verlieren. Um dennoch die Bereitschaft, den fragwürdigen Kurs der bisherigen schwarz-gelben Bundesregierung endlich zu verlassen, zu erhöhen, werden wir der neuen Bundesregierung, sobald diese in Amt und Würden ist, folgende schriftliche Frage zukommen lassen.

Wird die Bundesregierung, dem Beispiel Frankreichs folgend, ebenfalls umgehend eine entsprechende Genehmigungspflicht für die in der Liste des Wassenaar Abkommens befindlichen Güter erlassen?

Über die Antwort der Bundesregierung halten wir Euch auf dem Laufenden.  Auf der gemeinsamen Aktionsseite von Barbara Lochbihler und mir www.frieden2punkt0.de könnt Ihr Euch zwischenzeitlich an einer Online-Kampagne beteiligen und die Bundesregierung auffordern, ihr doppeltes Spiel in Sachen Export von Überwachungs- und Zensursoftware endlich zu beenden.

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