Was würden wir heute über den NSA-Skandal wissen, wenn nicht eine Handvoll großer Medien wie der Guardian und der Spiegel die Daten von Edward Snowden ausgewertet, eingeordnet und die Öffentlichkeit informiert hätte? Ich denke, wir würden heute nicht von diesem Skandal reden, denn wir wüssten nichts davon. Damit Journalisten investigativ arbeiten können und unbequeme Nachfragen stellen, brauchen sie Informationen – entweder von Informanten oder aber durch Auskunft von offiziellen Stellen. Für letztere brauchen Journalisten in Deutschland gewisse Rechte. Die will ihnen aber die große Koalition nicht so einfach gewähren. Das zeigt sich am Presseauskunftsrecht, das im Koalitionsvertrag nicht auftaucht, obwohl es einst von der SPD drängend gefordert wurde.
Die Große Koalition will offensichtlich keine ernsthaften Bemühungen für einen umfassenden, kritischen Journalismus unternehmen. Ein umfassendes Auskunftsrecht ist elementar, damit Journalisten ihre Aufgabe als „4. Gewalt“ auch wahrnehmen können. Das scheint aber nicht auf der Prioritätenliste der zukünftigen Regierung zu stehen. Denn wer als Journalist beim BND oder in Bundesministerien recherchieren möchte, dem kann weiterhin ganz einfach die Tür vor der Nase zugeschlagen werden. Das folgt jedenfalls aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Frühjahr dieses Jahres. Ein Journalist hatte den BND verklagt, um Auskunft über die potentielle NS-Vergangenheit von BND-Mitarbeitern zu erhalten. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Pressegesetze der Länder, die ausdrücklich Auskunftsansprüche normieren, auf Bundesbehörden nicht anwendbar seien. Das war neu – zuvor wurde dies in der Praxis nie angezweifelt. Journalisten können sich seither lediglich direkt auf das Grundrecht der Pressefreiheit in Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Und sind entsprechend verunsichert. Denn dieser erfüllt nur einen Minimalstandard – und eröffnet damit Tür und Tor, um den Auskunftsanspruch je nach Gusto auszulegen.
Es klafft also auf Bundesebene eine deutliche Gesetzeslücke. Schon das Gericht sah Handlungsbedarf des Gesetzgebers. Und auch ein daraufhin folgendes grünes Fachgespräch und die Anhörung von Sachverständigen im Bundestag hat deutlich gezeigt, dass wir hier eine klare rechtliche Grundlage für Auskunftsersuchen von Medienvertretern brauchen! Doch das stand und steht nicht auf der Agenda.
Das ist schon verwunderlich. Denn kaum war das Urteil gesprochen, preschte die SPD damals vor und legte – noch vor Veröffentlichung der Urteilgründe – einen Gesetzentwurf für ein Presseauskunftsgesetz auf den Tisch. Es konnte ihr nicht schnell genug gehen. Klar, es waren ja auch Wahlkampfzeiten. Doch die lauten Rufe in der SPD sind längst verhallt. Jetzt ist es darum umso schweigsamer – im Koalitionsvertrag kein Wort mehr davon. Schade, denn der SPD-Gesetzentwurf ging uns nicht weit genug.
Fest steht: Bedarf gibt es weiterhin. Denn dass Journalisten seither vom Wohlwollen der Behörden abhängig sind, macht sich bemerkbar – etwa wenn ein Journalist Einsicht in Ermittlungsakten nehmen will, um fragwürdige Umstände zu beleuchten, wie gerade erst wegen der immer noch nicht geklärten Todesumstände Uwe Barschels. Nur ein Presseauskunftsgesetz stellt eine konstante und transparente, bundesweit einheitliche Gesetzesgrundlage für die Medien dar und sichert eine kritische Berichterstattung auch über Belange der Regierung. Es ist sehr schade, dass die SPD hier vor der Union eingeknickt ist.
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