Im Zuge der heutigen 101. Sitzung des Deutschen Bundestages debattierten wir, nur einen Tag nach den jüngsten Enthüllungen rund um den deutschen Bundesnachrichtendienst, in erster Lesung über den von der Großen Koalition eingebrachten Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes“ (pdf). Hinter dem erstmal gut klingenden Titel verbirgt sich ein ganzes Potpourri an Maßnahmen, die, statt die rechtsstaatlichen Konsequenzen aus den bitteren Erfahrungen um NSU und NSA zu ziehen, in die genau entgegengesetzte Richtung zielen.
Insgesamt werden die Bürgerrechte durch die Große Koalition durch dieses gesetzgeberische Vorhaben weiter ausgehöhlt. Unsere grundsätzliche Kritik an dem Vorgehen der Großen Koalition zu Lasten der Bürgerrechte hatte ich auch hier bereits einmal zusammengefasst – auch, da diese bislang medial weitgehend unkritisch als tatsächliche Reform und Konsequenz aus den Erfahrungen, die man im Zuge der anhaltenden Enthüllungen um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gemacht hat, bewertet. Diese Bewertung teilen wir ausdrücklich nicht.
Der Entwurf der Bundesregierung leistet dies eben nicht. Er zieht gerade nicht die notwendigen Konsequenzen, sondern gefährdet Grund- und Freiheitsrechte und legitimiert die anlasslose Massenüberwachung, die weltweit gerade kritisch hinterfragt und bei uns parlamentarisch durch einen eigenen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet wird. Nach den ebenfalls höchst fragwürdigen Antiterrorpaketen von Justizminister Maas legt nun Innenminister de Maizière nach: Sein Paket ist in Gesetzesform gegossene Ignoranz gegenüber unseren Rechtsstaat konstituierenden Werten.
Nur ein Beispiel: Dass die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes (BND) auf der Glasfaser sogar noch ausgeweitet werden soll, ist ein Affront gegen den 1. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. Dieser Vorschlag betrifft die private Kommunikation aller Bürgerinnen und Bürger, er setzt anlasslos an und lässt jede Verhältnismäßigkeit vermissen. In dieser Gestalt ist er aus unserer Sicht schlicht verfassungswidrig. Auch die pauschale Legalisierung des Einsatzes von V-Leuten für den Verfassungsschutz wirft angesichts weitreichender Ausnahmeklauseln gravierende, bislang durch die Bundesregierung ungeklärte Fragen auf.
Wir hatten angekündigt, dass wir als Grüne Bundestagsfraktion den weiteren parlamentarischen Gang dieser Initiative intensiv begleiten werden und erneut auch eigene Vorschläge für eine neue Sicherheitsarchitektur nach NSU und NSA vorlegen werden. Heute fand die erste Lesung der Initiative der Bundesregierung im Plenum des Bundestages statt. Gegenstand der Debatte war nicht nur der Gesetzentwurf der Bundesregierung sondern auch ein „Bericht der Bundesregierung über den Umsetzungsstand der Empfehlungen des 2. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 17. Wahlperiode (NSU-Untersuchungsausschuss)“ (pdf). Die Opposition hatte ebenfalls zwei Initiativen vorgelegt. Hier findet Ihr unseren Antrag „Für eine Zäsur und einen Neustart in der deutschen Sicherheitsarchitektur“ (pdf) sowie einen Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Wirksame Alternativen zum nachrichtendienstlich arbeitenden Verfassungsschutz schaffen“ (pdf).
Für die Grünen sprachen erst ich, dann Irene Mihalic und dann Hans-Christian Ströbele. An dieser Stelle dokumentieren wir die drei Reden. Unseren Antrag im Wortlaut dokumentieren wir später noch einmal.
Hier zunächst meine Rede:
Hier die Rede von Irene Mihalic:
Hier die Rede von Hans-Christian Ströbele:
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