Gerade hat das Bundeskartellamt Facebook weitreichende Beschränkungen bei der Verarbeitung von Nutzerdaten auferlegt. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass das Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung besitze und diese missbrauche. Das Kartellamt untersagte Facebook u.a., die auf Websites von Dritten gesammelten Daten mit Informationen zusammenzuführen, die über Nutzern bei Facebook gesammelt wurden, wobei zum Konzern gehörende Apps wie Instagram und WhatsApp als Drittquellen betrachtet wurden. Die Einschränkungen betreffen auch die Verwendung des „Gefällt-mir“-Buttons auf Internetseiten anderer Anbieter. Die Entscheidung hatte ich hier kommentiert. In einem Interview, das ich mit der Frankfurter Rundschau geführt habe, gehe ich noch einmal auf die Entscheidung und die Notwendigkeit der Regulierung sozialer Netzwerke ein.

„Wir alle sind zum Handelsgut geworden“


von
Judith Köneke

Der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz spricht über die Macht des Onlinegiganten.

Herr von Notz, was passiert, wenn sich Facebook gegen das Votum des Kartellamts durchsetzen kann? Ein Horrorszenario für Datenschützer?
Zunächst einmal muss man sich klarmachen, dass die nun untersagten Dinge gängige, alltägliche Praxis von Facebook sind. Die Entscheidung ist somit zunächst ein wichtiger Schritt in Richtung einer dringend notwendigen Regulierung. Wenn Facebook erfolgreich beim Widerspruch gegen die Entscheidung des Kartellamtes wäre, wovon wir nicht ausgehen, würde das einen klaren Rückschritt zulasten der Nutzer und ihrer Grundrechte bedeuten.

Was genau ist aus Sicht des Datenschutzes das Problem, etwa mit dem Zusammenführen von Informationen?
Wir haben heute praktisch keinerlei Transparenz bezüglich des genauen Geschäftsmodells von Facebook. Wir wissen, dass Daten und Informationen der Nutzer zu Profilen zusammengefügt, aufbereitet und an Dritte weiterverkauft werden. Das aus datenschutzrechtlicher Sicht Problematische ist, dass diese Profile immer aussagekräftiger werden und unser alltägliches Leben bestimmen. Das erreicht Facebook durch die Verknüpfung verschiedener Dienste. Wir alle sind zum Handelsgut einer Werbeplattform geworden.

Was kann Facebook noch mit unseren Daten anfangen?
Deutlich wurden die Probleme nicht nur bei der Trump-Wahl oder beim Brexit, wo durch die Bereitstellung intransparenter, sehr maßgeschneiderter Werbung an die Nutzer demokratische Willensbildungsprozesse verzerrt wurden. Es geht hier also längst nicht nur um den Ausverkauf privater Daten, sondern auch um Verzerrungen der Meinungsbildung in der digitalen Demokratie.

Der Onlinegigant kann also aktiv in unser Leben eingreifen?
Klar, unsere privaten Daten und Informationen sind längst begehrtes Handelsgut. Wir alle werden in eine Art digitales Kastensystem einsortiert, die Folgen werden langsam spürbar: Derjenige, der in der falschen Straße wohnt, bekommt keinen Kredit mehr, derjenige, der die falschen Facebookfreunde hat, keinen Job, derjenige, der über seine Krankheit bei Facebook berichtet hat, wird es schwer haben, künftig eine Versicherung zu bekommen. Das sind alles Fragen, mit denen wir uns als mündige Bürger in der digitalen Gesellschaft und als Gesetzgeber zwingend sehr intensiv auseinandersetzen müssen.

Wie kann ich mich dem Datensammeln entziehen?
Eine Verzichtsdebatte ist aus politischer Sicht immer schwierig. Fakt ist, dass sich mehr als 30 Millionen Deutsche dafür entschieden haben, Facebook zu nutzen. Daher ist es Verpflichtung für den Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen, dass es dort nicht länger zu einem Ausverkauf von Grundrechten kommt und demokratische Willensbildungsprozesse nicht intransparent verzerrt werden.

Alternativen gibt es nicht?
Das Problem ist, das ja auch das Bundeskartellamt noch einmal klargemacht hat, dass Facebook einen monopolartigen Charakter hat. Das bedeutet, entweder begebe ich mich auf diese Plattform, mit all den negativen Erscheinungen, – oder ich entscheide mich dagegen, aber bin dann eventuell isoliert.

Kommt das Kartellamt zu spät?
Wir haben eine Regulierung seit Jahren angemahnt und man hätte sie sich früher gewünscht. Dennoch ist es jetzt gut, dass endlich erste Schritte unternommen wurden, weitere müssen aber dringend folgen.

Ist da die EU-Datenschutz-Grundverordnung ein Instrument?
Ja, sie ist ein Meilenstein für den Grundrechtsschutz. Die Verordnung zeigt anschaulich, dass Regulierung kein Teufelswerk ist, sondern essenziell, um die Rechte von Nutzern zu schützen. Sie ist genauso ein Gewinn für die Unternehmen, die sich nun nicht mehr an 28 verschiedene Datenschutzgesetze in den einzelnen EU-Ländern halten müssen. Das haben nur noch nicht alle verstanden.

Konstantin von Notz ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag.

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