Hier eine erste kurze Bewertung des Entwurfs des Koalitionsvertrags von der SPD NRW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW. Der Vertrag soll am kommenden Wochenende auf entsprechenden Parteitagen beschlossen werden.
Den gesamten Vertrag kann man sich als PDF (2MB!) herunterladen.
Datenschutz:
„Wir wollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Kundinnen und Kunden, insbesondere Kinder und Jugendliche, kurz alle Bürgerinnen und Bürger besser vor Datenmissbrauch schützen. Deshalb sorgen wir dafür, dass die Datenschutzkontrollen mit einer schlagkräftigen Datenschutzaufsicht verbessert werden. Dazu verstärken wir die personelle Ausstattung des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Um die Datenschutzstandards in den Unternehmen zu verbessern, wollen wir den Dialog zwischen Wirtschaft, Behörden und dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Form einer Landesdatenschutzkonferenz organisieren.
Wir wollen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur völligen Unabhängigkeit des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit unverzüglich umsetzen. Dafür werden wir seine Organisationsform so ausgestalten, dass er in Verantwortung vor dem Gesetzgeber noch schlagkräftiger agieren kann.“
Bewertung:
Soweit sind die wesentlichen Punkte drin. Das wären: Bessere personelle Ausstattung, unabhängigere und schlagkräftigere Struktur und stärkere Sensibilisierung und Aufklärung der beteiligten Akteure.
Grundverständnisse des Internets:
„Zur Grundlage einer lebendigen Demokratie gehören Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien, eine Stärkung von Bürgermedien und Blogs sowie ein Breitbandzugang für alle. Ob Fernsehen, Radio, Zeitung oder Angebote der neuen Medien: Meinungsvielfalt und Unabhängigkeit müssen Vorrang vor Meinungsmacht und möglichen Meinungsmonopolen haben.“
„Im Internetzeitalter gehört dazu auch ein öffentlich-rechtliches werbefreies digitales Angebot im Internet als „dritte Säule“ neben Hörfunk und Fernsehen…“
Die Chancen des Internets nutzen: NRW zum Medienkompetenzland Nummer eins machen
„Wir wollen, dass es keine Spaltung beim Medienzugang gibt und alle Bürgerinnen und Bürger die neuen Möglichkeiten auch barrierefrei nutzen können und Kompetenz im Umgang mit Informationen und ihren Daten besitzen.“
Die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer sichern
„Unsere Vision eines sozial und digital vernetzten Zusammenlebens ist nicht vereinbar mit der Idee eines Überwachungsstaates. Das Recht auf Privatsphäre gilt analog wie digital. Für verbotene Inhalte gilt das Gebot „Löschen statt Sperren“. Wir setzen auf das Internet und wissen: Rechtsstaatlichkeit und auch Rechtsdurchsetzung erfolgen in allen Bereichen unseres Lebens. Das Internet darf nicht zum bürgerrechtsfreien Medium werden! Wir wenden uns gegen jede digitale Bevormundung und gegen jede Form der Zensur.“
Bewertung:
Im Vergleich zur bisherigen NRW Landesregierung ist das ein Quantensprung. Anstelle von Regulierung und Angst werden Chancen und Herausforderungen angesprochen. Man sieht das Internet nicht mehr als einen losgelösten Teil, sondern als wichtigen Bestandteil unserer Medienwelt an, dessen freie Angebote gefördert werden müssen. Zudem wird sich klar zum Grundsatz „Löschen statt Sperren“ bekannt. Der digitalen Bevormundung wird eine Absage erteilt. Mit der Formulierung „Internet als dritte Säule“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird auch hier mit dem Dogma „alles klein und wenig neues im Netz“ aufgeräumt. Das bietet neue Entfaltungs- und Innovationschancen.[/box]
OpenGovernment/E-Demokratie:
Neues Regieren in NRW
„Damit aus dem Medienland NRW auch das Medienkompetenzland NRW wird, müssen Landesregierung und Landesverwaltung selbst mit gutem Beispiel voran gehen. Wir werden deshalb eine Open-Government-Initiative starten, die sich an den Leitzielen von Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit ausrichtet und die die kosten- und diskriminierungsfreie Bereitstellung öffentlicher Daten und Informationen ebenso zum Gegenstand hat wie neue und erweiterte digitale Beteiligungsmöglichkeiten der Menschen an öffentlichen Entscheidungsprozessen. Dabei werden wir auf die Sicherheit und Integrität der Daten achten und das Recht der Menschen auf informationelle Selbstbestimmung wahren.
Wir werden regelmäßig Wettbewerbe durchführen, bei denen Entwickler unter Verwendung öffentlich bereitgestellter Daten Applikationen erstellen, die zu Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit beitragen. Wir wollen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Chancen der Digitalisierung im Rahmen eines Prozesses „NRW digital“ stärker nutzen.“
Bewertung:
Hier wird Neuland betreten. So weit hat sich bisher noch keine Landes-, geschweige denn Bundesregierung, vor gewagt, was die Frage von Open-Government angeht. Mit dem Ansatz, Entwicklungen in Wettbewerben zu fördern, können innovative Nutzungsansätze für öffentliche Informationen gefunden werden, die auch auf andere Bereiche anwendbar sind. NRW nimmt damit eine Vorreiterrolle ein und bekennt sich dazu, öffentliche Informationen frei bereitstellen zu wollen und dafür die entsprechenden Schnittstellen zu schaffen. Auch die geplante Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger kann zukunftsweisend sein.
Weitere Punkte:
„Vor allem bei Kindern und Jugendlichen müssen Gefahren erklärt, über Datenschutz aufgeklärt und das sachdienliche Nutzen neuer und besonders auch freier Medien und Softwareangebote gelernt werden. Medienpädagogik muss einen breiten Raum einnehmen. In allen Schulformen wollen wir einen altersgemäßen Medienkompetenzführerschein etablieren.“
Bewertung:
Die Bedeutung von Medienkompetenz wird endlich hervorgehoben und deutlich gemacht das selbstbestimmtes Nutzen des Internet wichtig ist und permanent vertieft werden muss.
Zudem wird endlich wird davon abgekehrt, in Bildungseinrichtungen nur proprietäre Software zu nutzen. Das Bekenntnis, freie Medien und freie Software in den Schulen zu nutzen, bringt für Schülerinnen und Schüler einen Mehrwert. Sie lernen Vielfalt in dem Bereich kennen. Den Schulen wird so die Möglichkeit geboten, entsprechende Software weiterzuentwickeln und ggf. den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Das gleiche gilt für freie und alternative Medieninhalte, die bisher nur selten Einzug gefunden haben.
„Eine Breitbandversorgung ist für uns wesentlicher Bestandteil öffentlicher Daseinsvorsorge. Zudem wollen wir ein System öffentlicher WLAN-Zugänge in NRW aufbauen.“
Bewertung:
Der Zugang zum Breitbandinternet ist heute eine Frage der sozialen Teilhabe. Ohne guten Zugang zum Netz ist man heute von vielen sozialen und ökonomischen Prozessen ausgeschlossen. Hierfür müssen die Länder die Verantwortung mit übernehmen. Spannender wird es aber zu schauen, wie mobiles Internet bspw. an öffentlichen Plätzen, im ÖPNV oder an anderen Orten öffentlich bereitgestellt wird. Andere Länder und Regionen in Europa und auf der Welt sind hier schon viel weiter. Deutschland hinkt hier weit hinterher. Daher ist der Anspruch, dies umsetzen zu wollen, so wichtig und wird hoffentlich von vielen anderen Ländern und Kommunen aufgegriffen.
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