2013 ist noch jung, hat aber schon sein (vermeintlich) erstes Aufregerthema: Der neue Haushaltsbeitrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Bild macht auf mit dem „Abbuchungschaos“ (vier Fälle, davon zwei BILD Mitarbeiter). Die FAZ berichtet täglich. Handelsblatt Online macht gar gleich mit dem Zitat der CDU-Politikerin Vera Lengsfeld auf: „Die DDR-Methoden der ARD Intendanten“. Und jetzt gab es passenderweise auch noch den Spiegel-Titel zu Schleichwerbung bei „Wetten, dass…?“. Wenig überraschend eigentlich, dass die Verlage gegen die Öffentlich-Rechtlichen (ÖR) schießen. Das sind dieselben, die schon seit Jahren die Einschränkung des ÖR fordern, zuletzt mit der Klage gegen die Tagesschau-App. Dabei wäre dieser Moment doch eine großartige Gelegenheit, mal über Folgendes zu reden: Was ist uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk wert – und warum?

Zunächst sollten wir aus meiner Sicht dabei zwei Dinge unterscheiden, die gerne vermischt werden, nämlich die Aufgabe des ÖR auf der einen Seite und die konkrete Umsetzung auf der anderen.

Ich glaube nicht, dass ich jetzt die Funktion des Öffentlich-Rechtlichen herunterbeten muss, wie sie einst in vielen Urteilen des Bundesverfassungsgericht dargestellt worden sind. Aber gerade jetzt im Hinblick auf die Umstellung der Gebühr wäre es eine gute Gelegenheit gewesen, den gesellschaftlichen Wert des ÖR zu diskutieren und den Auftrag neu auszubuchstabieren.

Zwar sind viele Vertreterinnen und Vertreter des ÖR in dieser Debatte verständlicherweise eher zurückhaltend geblieben – manchmal erschienen sie mir wie das erstarrte Kaninchen vor der Schlange – aber es gab eine Aussage des WDR-Chefredakteurs Jörg Schönenborn, die mir im Gedächtnis geblieben ist. In einem Meinungsbeitrag spricht er vom Haushaltsbeitrag als „Demokratieabgabe“ und begründet dies so:  „Demokratie fußt auf der Urteils- und Entscheidungsfähigkeit ihrer Bürgerinnen und Bürger. […]Und weil man schwerlich ein kommerzielles Vollprogramm findet, das auch nur eine halbe Stunde pro Tag über Politik berichtet, behaupte ich: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sichert das Funktionieren unserer Demokratie.“ Auch wenn man über den Begriff „Demokratieabgabe“ trefflich streiten kann, verfolgt Schönenborn hier einen ähnlichen Gedankengang, wie wir GRÜNE ihn schon 2008 in unserem Parteitagsbeschluss zu grüner Medienpolitik verfassten. In diesem Beschluss hatten wir einst die Idee einer grünen Mediengebühr entwickelt, die den gleichen Ansatz verfolgt, wie der Rundfunkbeitrag jetzt: Dass nicht mehr nach (sich ständig neu entwickelnden) Geräten bezahlt wird, sondern pro Haushalt.

Ich selbst kenne das System des ÖR aus meiner fast 20jährigen Berufstätigkeit als Journalistin überwiegend beim ÖR und nun auch seit drei Jahren als medienpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Ich schätze den ÖR, da ich als Zuschauerin und Zuhörerin das erlebe, was Jörg Schönenborn beschreibt. Natürlich schaue ich lieber die Tagesschau als RTL Aktuell oder lieber Tatort als das Dschungelcamp. Das sind aus meiner Sicht Beispiele, bei denen die ÖR mit ihrem Programm ihre Aufgabe sehr gut umsetzen. Und ja, es gibt leider auch Gegenbeispiele. Die vielen Talk-Shows in der ARD sind nicht gerade ein Vielfaltsbeschaffer. Und manchmal hätte ich gerne mehr Panorama und weniger Rosamunde Pilcher, mehr Dokumentationen als Fußball oder Volksmusik. Ich kritisiere auch die mangelnde Staatsferne und habe eine Klage gegen den ZDF-Staatsvertrag mit angeschoben. Mich stören Ton und Auftreten der GEZ. Die aktuellen Vorwürfe der Schleichwerbung sind ein Desaster. Darüber werden wir noch zu reden haben. Und die gute Nachricht ist doch, dass die Haushaltsabgabe dadurch, dass jetzt alle zahlen, diese Diskussion befeuern wird. Sie ändert aber auch nichts an meiner Überzeugung, dass der ÖR für ein vielfältiges Medienangebot einen wichtigen Beitrag leistet. Und darum ist es auch wichtig, die Finanzierung dieses Programms weiterhin unabhängig zu organisieren und auf stabile Füße zu stellen.

Die Reform der bisherigen Rundfunkgebühr ist ein echter Fortschritt, ganz gleich was die Presse gerade schreibt. Und zwar aus folgenden vier Gründen:

1. Rundfunk ist nicht mehr nur mit dem Fernsehen empfangbar, sondern auch mit dem Smartphone, dem PC, dem Tablet und mit Geräten, die wir heute noch gar nicht kennen. Deshalb wurde vor einigen Jahren die PC-Gebühr eingeführt. Es entstand zunehmend Verwirrung, wer für welches Gerät wo eine Gebühr zu zahlen habe. Außerdem wurde klar, dass eine Anknüpfung am Gerät zunehmend widersinnig wird und nicht mehr zeitgemäß ist. Deshalb haben auch wir GRÜNE uns für eine eine Haushaltsabgabe ausgesprochen.

Der neue Betrag ist also eine Vereinfachung. Es wird nur noch pro Haushalt gezahlt. Egal wie viele Geräte vorhanden sind und wem sie gehören: Das entlastet Familien (zum Beispiel wenn die Kinder eine Ausbildung machen), Paare, die nicht verheiratet sind und WGs. Außerdem werden kleine Unternehmen und Selbstständige entlastet. Aber wie bei jeder Pauschalisierung entstehen auch Ungerechtigkeiten: Filialen zahlen mehr und es ist kaum vermittelbar, dass bei einem nicht-gerätegebundenen Beitrag die Unternehmen jetzt einmal für die Mitarbeiter im Betrieb zahlen und dann ein weiteres Mal für die Autoradios. Das sollte korrigiert werden.

2. Die GEZ muss und darf nicht mehr in die Wohnungen, d. h. mit der Schnüffelei ist Schluss. Wir GRÜNE hatten ursprünglich überlegt, dass sich befreien kann, wer kein Gerät hat. Aber: Schätzungen gehen davon aus, dass weniger als ein Prozent der Bevölkerung Weder Fernsehen, noch Radio oder internetfähigen Computer, noch Smartphone oder Tablet-PC haben. Die Landesdatenschützer haben uns daher von der Ausnahmeregelung abgeraten, denn dann dürfte die GEZ weiter in die Wohnungen um das zu überprüfen. Es gibt noch immer Verbesserungsbedarf beim Datenschutz (so sollen zum Beispiel die Rundfunkanstalten die Daten der Beitragszahler nicht untereinander austauschen lassen). Deshalb haben einige grüne Fraktionen in den Landtagen die Zustimmung mit Entschließungsanträgen zu diesen Nachbesserungen gekoppelt.

3. Der Rundfunkbeitrag ist ein Beitrag und keine Steuer, und das ist auch gut so. Bei uns gilt das Prinzip der Staatsferne des Rundfunks. Daher darf die Finanzierungsgrundlage nicht über das Finanzamt oder die Steuern eingezogen werden (was nach Berechnungen auch nicht günstiger wäre, denn die Kirche zahlt prozentual einen höheren Anteil an das Finanzamt für den Einzug der Steuer als die Rundfunkanstalten an die GEZ) – unter anderem deshalb, weil man nicht möchte, dass der Staat dadurch indirekt Einfluss auf die Programme nehmen kann.. Das will ich nicht und das hat auch das Bundesverfassungsgericht untersagt. Damit das Budget der Sender nicht von politischen Entscheidungen abhängt, wurde eigens eine unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der ÖR (KEF) eingerichtet, die die Höhe der Abgabe festlegt. Meist hat die KEF die Abgabe nach unten korrigiert. Das wird übrigens auch die Folge sein, falls es durch den neuen Beitrag Mehreinnahmen gibt. Entsprechend der Mehreinnahmen wird die KEF den Beitrag reduzieren.

4. Um jetzt in der Argumentation zu bleiben, dass dies ein Beitrag für das Programm ist und nicht mehr für das Gerät, muss die Pflicht zur Depublikation der Online-Angebote von ARD und ZDF geändert werde. Wenn zukünftig jeder Haushalt für das Programm und nicht für das Gerät zahlt, dürfen Programmbeiträge von ARD und ZDF nach 7 Tagen nicht mehr aus dem Netz verschwinden. Das ist aber keine Entscheidung von ARD und ZDF, sondern eine gesetzliche Vorgabe, die zumindest ein Stück weit geändert werden könnte.

Wenn die erste Empörungswelle vorbeigeschwappt ist und die Beitragszahler in Deutschland merken, dass sich für sie gar nicht so viel ändert, im Gegenteil, vieles leichter und auch günstiger wird, dann sollten wir noch einmal über die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Zukunft reden. Ganz in Ruhe, ohne sofort in alte Reflexe zu verfallen. Auch wenn sich de facto mit dem Rundfunkbeitrag gar nicht viel ändert, kann er doch die Initialzündung für einen Relaunch von ARD und ZDF sein.

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