104 Fragen zum Komplex „Überwachung der Internet-und Telekommunikation durch Geheimdienste der USA, Großbritanniens und in Deutschland“ hatten wir an die Regierung gerichtet. Die „Antworten“ der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage, über die auch Spiegel Online bereits berichtet hatte, machen noch einmal deutlich: Von der schwarz-gelben Regierung ist keine Aufklärung in der Affäre zu erwarten, geschweige denn wirksame Maßnahmen, um die Menschen in Deutschland vor Überwachung zu schützen.
Die nun vorliegende Antwort zeigt: Die Regierung steckt weiter den Kopf in den Sand. Mindestens 21 von 104 Fragen hat die Bundesregierung gar nicht oder nicht offen beantwortet und weitere für sie heikle Fragen bewusst ignoriert, so zum Beispiel die Frage, ob der US-amerikanische Geheimdienst NSA auch Kabel „in Bezug auf Deutschland“ anzapft.
Die Bundesregierung mauert insgesamt mehr als die US-Geheimdienste. Die veröffentlichen nämlich seit Juni 2013 „deklassifizierte“ Geheimdokumente zu dem Thema im Internet, wenngleich auch noch unzureichend und teils stark geschwärzt. Kanzleramtsminister Pofalla hatte zwar am 19. August 2013 vor laufenden Kameras zugesagt, dem Parlament Geheimdokumente zukommen zu lassen, ließ aber verhindern, dass das Kontrollgremium diese in ihren Sitzungen überhaupt lesen und behandeln durfte.
Auch die (Nicht-)Antworten der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage machen aber immerhin deutlich: Die Bundesregierung unterlässt es weiterhin, von den USA und Großbritannien energisch Aufklärung zu fordern sowie auf ein Ende der Ausspähung von Menschen und Unternehmen zu dringen. Sie schrieb lediglich zahme und zwischen Ministerien nicht abgestimmte Briefe. Sie akzeptiert windelweiche Antworten und lauwarme Zusagen. Auf gleiche Weise ließ sich Bundesinnenminister Friedrich bei seiner allseits belächelten USA-Reise abspeisen.
Auch die FDP-Bundesjustizministerin muss handeln statt nur reden. Der ihr unterstellte Generalbundesanwalt hat – laut Auskunft der Bundesregierung – bislang noch nicht einmal ein förmliches Strafvorprüfverfahren mit Aktenzeichen eröffnet wegen des auf der Hand liegenden Verdacht von Wirtschaftsspionage und diverser Datenschutzverstöße. Auch leitete er kein Rechtshilfeverfahren ein, um den wichtigsten Zeugen Edward Snowden in Moskau vernehmen zu können.
Während die EU-Kommission in Bezug auf die jüngsten Enthüllungen von einem „offenen Rechtsbruch“ spricht, wartet der Generalbundesanwalt weiter ab. Er sollte endlich ein förmliches Ermittlungsverfahren einleiten und Snowden als Zeugen befragen. Wenn Frau Leutheusser-Schnarrengeber ihr Weisungsrecht schon nicht gebrauchen will, muss sie zumindest mit dem Generalbundeswalt ein ernstes Wort reden.
Nächste Anfrage zu geheimen Kooperationsprojekten zwischen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten
Am Montag haben wir übrigens eine weitere Kleine Anfrage zu den jüngst bekannt gewordenen geheimen Kooperationsprojekten zwischen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten“ rund 50 Fragen an die Bundesregierung gerichtet. Sobald diese im elektronischen System des Bundestages eingestellt ist, werden wir hier darauf verlinken.
Grüne bringen Datenskandal vor die UN
Die Bundesregierung hat bislang sowohl bei der Aufklärung der Affäre massiv gemauert, als auch als völlig dabei versagt, wirksame Schritte zu unternehmen, um Menschen in Deutschland vor Überwachung und Ausforschung zu schützen. Deshalb haben wir nun die Sache selbst in Hand genommen. Als grüne Bundestagsfraktion haben wir in Sachen NSA-Affäre jüngst auch an den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen gewandt. In einer ausführlichen Stellungnahme (pdf, hier die englische Version ebenfalls als pdf) monieren wir eine Verletzung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte durch die Ausspähpraxis des us-amerikanischen Geheimdienstes.
In unserer Stellungnahme bringen wir die große Sorge zum Ausdruck, dass die USA die innerdeutsche elektronische Kommunikation der deutschen Bevölkerung, die technisch über Kommunikationswege in den USA läuft, überwacht und ausspäht. Auch die Kommunikation der Abgeordneten und des Deutschen Parlamentes ist betroffen. Dies stellt einen fundamentalen Angriff auf die Demokratie in Deutschland dar. Die freie Wahrnehmung des parlamentarischen Mandats und der innerfraktionellen wie der innerparlamentarischen Debatte wird dadurch erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus wird durch die drohende umfassende Überwachung der elektronischen Kommunikation in Deutschland durch US-Geheimdienste eine freie politische Debatte in Deutschland und Europa insgesamt beeinträchtigt.
Ein solcher Angriff auf das für eine freie Demokratie wesentliche Fundament der freien öffentlichen und privaten Kommunikation stellt bereits nach heutiger Rechtslage einen Verstoß gegen Artikel 17 und 19 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte dar. Zudem steht zu befürchten, dass die Geheimdienste der USA, Großbritanniens, Deutschlands und weiterer Staaten durch eine Art organisierten „Ringtausch“, die rechtlichen Restriktionen, denen sie nach jeweiligem nationalem Recht unterliegen, unterlaufen, was zu einem Unterlaufen der Schutzstandards des Pakts führt.
Unsere Stellungnahme an den UN-Menschenrechtsausschuss ist nur ein weiterer Baustein unserer Aktivitäten gegen Überwachung und Ausspähung. Weitere Schritte behalten wir uns ausdrücklich vor. Wir verlangen weiter mit Nachdruck von der Bundesregierung, ihrer Schutzpflicht endlich gerecht zu werden und alles zu unternehmen, um die Menschen in Deutschland vor Ausspähung zu schützen.
Hintergrund:
Die USA sind 2014 für die periodische Berichtserstattung des UN-Menschenrechtsausschusses vorgesehen. Der Ausschuss hat die USA in seiner Themenliste für den Bericht bereits aufgefordert, zu der Abhörpraxis und den vorgenommenen Schritten in Bezug auf die Überwachung der NSA bei der Überwachung der Kommunikation innerhalb und außerhalb der USA Stellung zu nehmen.
Hier findet Ihr eine Übersicht unserer bisherigen Aktivitäten in Sachen PRISM und Co.
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