In mehreren Sitzungen haben die Ausschüsse für Recht und Verbraucherschutz und Digitale Agenda die Bundesregierung sowie Vertreter von Facebook zum Datenskandal befragt. Ergebnis: Die Bundesregierung scheut sich, bei der Aufklärung wirklich aktiv zu werden, Facebook versteckt sich weiter hinter Worthülsen und praktiziert „Salami-Taktik“.
Bundesregierung weiter planlos
Im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz wurde am 18. April deutlich, dass die Bundesregierung die Debatte um den Facebook-Skandal nicht genutzt hat, um ein stringentes Konzept für die gravierenden datenschutzrechtlichen Baustellen darzulegen. Ganz im Gegenteil: Nachfragen bei der Vertreterin des BMJV offenbarten ein eklatantes Unwissen und eine fehlende klare Linie – nicht nur gegenüber Facebook. Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte bestätigte einmal mehr die Dringlichkeit, diesen Datenskandal nicht einfach wieder vorbeiziehen zu lassen, sondern endlich gesetzgeberisch tätig zu werden. Dieser Auftrag hat sich aber mit der ab Mai geltenden Datenschutzgrundverordnung nicht erschöpft. Für ein effektives und umfassendes Datenschutzpaket, müssen unbedingt die e-privacy-Verordnung, die Regulierung von algorithmenbasierten Entscheidungssystemen sowie Änderungen im Kartellrecht und im Verbraucherschutz auf den Weg gebracht werden. Vorschläge haben wir GRÜNE zuhauf – und diese werden wir in den nächsten Wochen auch einbringen.
Alle Hoffnungen liegen auf dem Hamburger Datenschutzbeauftragten
Die unklare und unentschlossene Linie der Bundesregierung setzte sich auch im Ausschuss Digitale Agenda am 18. April fort. Die klarsten Aussagen in der Befragung kamen hier mal wieder vom hamburgischen Datenschutzbeauftragten Caspar. Bei den Vertretern der Bundesregierung musste man jedoch an dem ernsthaften Willen zur Aufklärung oder zur Ergreifung konkreter Maßnahmen zweifeln: Bei der Erkenntnis zu verharren, dass die Nutzerinnen und Nutzer das Produkt von Facebook sind, wie sie dem Parlamentarischen Staatssekretär Krings offenbar erst recht spät gekommen ist, ist eindeutig zu wenig. Insofern ist es ein Glück, dass immerhin der Datenschutzbeauftragte Caspar wirklich alle Register zieht, um Licht in den Facebook-Skandal zu bringen und für Konsequenzen für das Unternehmen zu sorgen. Zum einen hat er ein Verfahren nach dem hamburgischen Transparenzgesetz eröffnet, zum anderen prüft er derzeit Maßnahmen wie ein Bußgeldverfahren, damit Facebook auch Sanktionen zu spüren bekommt. Denn auf EU-Ebene wird es von Seiten der irischen Behörde wohl keine derartigen Maßnahmen geben, wie in der Sitzung zu hören war. Es ist bedenklich, dass die Hoffnungen der deutschen Bürgerinnen und Bürger also auf den Schultern eines engagierten Datenschutzbeauftragten liegen, während die Bundesregierung sie im Regen stehen lässt.
Öffentlichkeit hat ein Anrecht auf Informationen über die Befragungen von Facebook-Vertretern
Zu Beginn der gemeinsamen Sondersitzung der Ausschüsse für Recht und Verbraucherschutz und Digitale Agenda am 20. April zur Anhörung des Facebook-Vertreters Joel Kaplan haben wir GRÜNE die Öffentlichkeit der Sitzung beantragt. Abgesehen davon, dass ohnehin alle Ausschusssitzungen und Anhörungen grundsätzlich immer öffentlich sein sollten, gibt es in diesem Fall besonders gute Gründe: Der Datenskandal bei Facebook rund um Cambridge Analytica ist von großem öffentlichen Interesse. Schließlich sind laut Facebook ca. 310.000 deutsche Nutzerinnen und Nutzer betroffen. Diese Betroffenen, aber auch der Rest der Öffentlichkeit, haben ein Recht darauf zu erfahren, wie der Stand der Aufklärung ist und was die Abgeordneten von Regierung und Opposition zur Aufklärung dieses Vorfalls beitragen. Die Öffentlichkeit auch in Deutschland hat die Anhörung Zuckerbergs in den USA beobachtet und diskutiert, daher gibt es auch ein besonderes Interesse an den Erklärungen Facebooks im Ausschuss, an den Antworten auf die Fragen der Abgeordneten und an dem weiteren Vorgehen des Unternehmens. Diese Sicht haben auch die Fraktionen der LINKE, der FDP und der AfD geteilt. Die Regierungsfraktionen von Union und SPD haben den Antrag auf Öffentlichkeit abgelehnt, wie sie es leider regelmäßig tun. Zum einen wird immer das Argument angeführt, es gebe mehr Erkenntnisse in einer nicht-öffentlichen Sitzung. Zum anderen wird gerne behauptet, es würden dann nur Schaufensterreden gehalten. Diese Darstellung ist nicht nachvollziehbar, zumal es ja nicht wirklich neue Erkenntnisse gab und Facebook genauso gemauert hat, wie in der vergangenen nicht-öffentlichen Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda. Es ist mitnichten so, als hätte Facebook in der Sitzung geheime oder sensible Informationen preisgegeben. Daher ist es unverständlich, warum nicht auch den Abgeordneten der GroKo daran gelegen ist, dass die Öffentlichkeit von den Bemühungen um Aufklärung und Durchsetzung von Konsequenzen erfährt.
Mangelnde Informationen und mangelndes Problembewusstsein
Die Befragung von Joel Kaplan hat ein weiteres Mal gezeigt, dass die grundlegende Haltung von Facebook unverändert ist: „Business as usual“ – das ist höhnisch den Betroffenen gegenüber. Kaplan hat in der Befragung viel geredet, aber weder neue Informationen oder konkrete Zusicherungen geliefert, noch die gestellten Fragen der Abgeordneten oder der Bundesdatenschutzbeauftragten zufriedenstellend beantwortet. Immerhin hat Kaplan den Abgeordneten das Angebot gemacht, die vielen an ihn gestellten Fragen noch einmal schriftlich einzureichen. Weiterhin blieb nämlich unklar, welche Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen Facebook genau getroffen hat, ob Facebook eine Taskforce eingesetzt hat, wie viele Leute an Aufklärung und Überprüfung sitzen (ihm zufolge „a large number“), welche Teams gebildet wurden, wie der Zeitplan aussieht und wann genau abschließende Ergebnisse vorliegen werden.
Im Übrigen muteten viele Äußerungen Kaplans zynisch an oder warfen nur noch mehr zusätzliche Fragen auf. So will Facebook zum Beispiel seine Monopolstellung nicht anerkennen und sieht sich daher in keiner besonderen Verantwortung. Auch in Bezug auf politische Meinungsbildung zieht sich das Unternehmen aus der Affäre. Im Zusammenhang mit den anstehenden bayerischen Landtagswahlen etwa wurde nicht ausreichend erläutert, wie und wem der „I voted“-Button angezeigt wird und dadurch möglicherweise Wahlen beeinflusst werden können.
Darüber hinaus ist offensichtlich, dass Facebook zwar werbewirksam die neue Datenschutzschutzgrundverordnung lobt, gleichzeitig aber mit etlichen Maßnahmen verhindert, dass die Nutzerinnen und Nutzer das soziale Netzwerk tatsächlich datensparsam nutzen können – etwa bei der Gesichtserkennung, das erst nach umständlichen drei Klicks abgelehnt, mit einem einzigen Klick aber angenommen werden kann.
Mehrere zehntausend Apps hatten Zugriff auf Nutzerdaten
Neu war lediglich die Information über die Anzahl der Apps, über die es einen Datenmissbrauch gegeben haben könnte. Kaplan sprach von „mehreren zehntausend Apps“, die über die gleiche Schnittstelle, die auch Cambridge Analytica nutzte, einen möglichen Zugriff auf Nutzerdaten hatten und jetzt von Facebook in einem längeren Prozess untersucht werden. Angesichts dieser Ausmaße erscheinen Facebooks Aufklärungsmaßnahmen nicht adäquat, das Verhalten alles andere als vertrauensbildend.
Wir werden daher konsequent Aufklärung und gesetzeskonformes Verhalten einfordern, den hamburgischen Datenschutzbeauftragten in seiner Arbeit nach Kräften unterstützen und einen Fragenkatalog an Facebook schicken mit all unseren Fragen, die bisher nicht zufriedenstellend beantwortet wurden. An die Bundesregierung haben wir bereits eine parlamentarischen Anfrage „Konsequenzen aus den massenhaften Datenabgriffen bei Facebook und mögliche Beeinflussung demokratischer Willensbildungsprozesse“ (pdf) gestellt, über die Konstantin berichtet hatte. Zudem werden wir heute einen Antrag zum besseren Datenschutz für Verbraucherinnen und Verbraucher und für einen stärkeren Wettbewerb in digitalen Märkten in den Bundestag einbringen.
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