Die am Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedeten Pläne zur Ausweitung des sogenannten „Staatstrojaners“ auf den Geheimdienstbereich habe ich gestern und heute sehr deutlich kritisiert.

Erneut wird dieser Tage deutlich: Die Bürgerrechte sind bei der Großen Koalition in extrem schlechten Händen. Der jetzige, mehr als durchsichtige, von Olaf Scholz als Vizekanzler eingefädelte Deal, Extremismus-Studie gegen Staatstrojaner-Einsatz, kommt einem – auch und vor allem rechtspolitischen – Offenbarungseid gleich.

Erneut kommt die Große Koalition kurz vor Ende der Wahlperiode mit verfassungsrechtlich zumindest fragwürdigen Plänen um die Ecke. Dabei ist man zuletzt wiederholt mit derartigen Vorhaben vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Dort ist derzeit auch eine Klage der Gesellschaft für Freiheitsrechte gegen den Einsatz von Staatstrojanern im Polizeibereich anhängig, die ich selbst auch unterstütze.

Zentrale Fragen bezüglich des Einsatzes von Staatstrojanern, auf die das Bundesverfassungsgericht wiederholt hingewiesen und rechtsstaatliche Nachbesserungen angemahnt hatte, sind seit vielen Jahren unbeantwortet. Diese – wohlgemerkt auf den Einsatz im Polizeibereich abzielende – Fragen ist die GroKo eben nie angegangen. Statt die Entscheidung der Karlsruher Richter bezüglich der oben erwähnten Klage abzuwarten, weitete man den Staatstrojaner-Einsatz nun einfach auf den Geheimdienstbereich aus. Das ist auch ein Affront gegenüber dem BverfG.

Noch immer arbeitet die Bundesregierung mit hochdubiosen Firmen wie FinFisher zusammen, die ihre – wohlgemerkt mit deutschen Steuergeldern gecodeten – Programme, offenbar unter bewusster Umgehung geltender Bestimmungen zur Exportregulierung, in aller Depotenhände dieser Welt exportieren, was wir seit Jahren thematisieren und die Bundesregierung auffordern, diese Praxis zu Lasten der Menschenrechten endlich zu beenden.

Da diese Firmen die Bundesregierung mittlerweile offen damit erpressen, dass sie, sollte ihr Name noch einmal in Drucksacken des Deutschen Bundestages erscheinen, die Kooperation mit staatlichen Stellen einstellen, und die Bundesregierung dem allen Ernstes entspricht, werden sämtliche Anfragen der Opposition an die Bundesregierung weitestgehend nicht mehr beantwortet – und das parlamentarische Fragerecht als essentielles, demokratisches Recht der Opposition massiv ausgehöhlt. Über eine eklathafte Sitzung des Innenausschusses hatte Netzpolitik.org berichtet.

Auch der staatliche Handel mit Sicherheitslücken, die man zum Coden entsprechender Schadprogramme eben braucht, bleibt hochproblematisch. Denn sie stehen immer auch Dritten offen, auch für kriminelle Zwecke. Genauso sind rechtlich weitgehend unregulierte und der parlamentarischen Kontrolle ebenfalls faktisch entzogene Behörden wie ZITIS, von denen niemand so richtig weiß, was sie eigentlich konkret machen, kritisch zu sehen.

Die nun von der Großen Koalition außerdem vorgesehene Verpflichtung der Unternehmen, den Staat bei der Verteilung von Malware und somit dem Hacken ihrer eigenen Kunden zu unterstützen, stellt aber zweifellos einen echten Dammbruch dar. Er setzt den vor Jahren eingeschlagenen Weg, Private mehr und mehr zu staatlichen Hilfssheriffs zu machen, konsequent fort und öffnet Tür und Tör für weitere, mittlerweile sehr konkreten Überlegungen von BMI und Co. wie beispielsweise der, staatliche Hintertüren in allen Geräten des „Internet of things“ zu installieren. Dies alles ist Gift für die IT-Sicherheit. Es schadet aber eben auch massiv dem Vertrauen in IT-Anwendungen, nicht nur privatwirtschaftlichen, sondern eben auch staatlichen wie dem elektronischen Personalausweis.

Auf den Umstand, dass die Bundesregierung im weiten Feld der IT-Sicherheit somit weiterhin eher Teil des Problem denn der Lösung ist, machen wir seit Jahren aufmerksam.

Kleine Randnotiz: Bei den Jamaika-Sondierungen wurden all diese Punkte als IT-sicherheitstechnische Probleme durchaus erkannt und es gab, wohlgemerkt mit CDU und CSU an Bord, bereits eine Einigung dazu, nicht nur auf anlasslose Massenüberwachungen zu verzichten, die Eingriffsschwellen bei der Quellen-TKÜ hochzusetzen, wie es das BverfG fordert, sondern auch eine Pflicht für das Melden von Sicherheitslücken durch staatliche Stellen u.v.m. 

Und dennoch hält die Bundesregierung nun seit Jahren unbeirrt am staatlichen Handel mit Sicherheitslücken fest. Eingriffsschwellen des Staatstrojaner-Einsatzes hat man nicht erhöht, Transparenz und Kontrolle nicht verbessert.

Nach all den jahrelangen Diskussionen um diese, hier nur skizzenhaft aufgeführten Punkte, und angesichts der jüngsten, wiederholten Niederlagen vor höchsten Gerichten dokumentiert die Große Koalition mit ihrem jetzigen Vorgehen ihre weiterhin extrem bürgerrechtsfeindliche Haltung und ihre absolute Lernunfähigkeit. Leittragende einer solchen Politik ist die IT-Sicherheit, aber auch unsere Verfassung.

Zu all die in dem erwähnten Punkten finden sich umfassende Passagen in unserer, vor knapp zwei Jahren vorgelegten sehr umfassenden Initiative zur IT-Sicherheit (pdf). Auch hat sich der Bundestag in verschiedenen Anhörungen (sishe bspw. hier und hier) mit ihen beschäftigt.

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