Die EU-Kommission hat heute ihren Vorschlag zu einer Verordnung zur Bekämpfung sexueller Gewalt an Kindern vorgestellt. Im Namen der Grünen Bundestagsfraktion haben Tobias B. Bacherle, Obmann im Digitalausschuss und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, und ich den Vorschlag begrüßt, merken aber auch an, dass er in einem Punkt, der sog. Chatkontrolle, deutlich übers Ziel hinausschießt.

Sexueller Missbrauch und seine Darstellung müssen sehr entschieden bekämpft werden – auch und gerade online. Wir brauchen wirkungsvolle EU-weite Regelungen zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern einschließlich der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen stellen schwerste Rechtsverstöße dar, gegen die es mit aller rechtsstaatlichen Entschlossenheit vorzugehen gilt.

Als Grüne Fraktion machen wir seit Jahren – sowohl im Kontext der Diskussion um die effektive Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs als auch bezüglich des Umgangs mit strafbaren Meinungsäußerungen im Netz – sehr konkrete parlamentarische Vorschläge, um die Erkennung und umgehende Löschung entsprechender Inhalte sicherzustellen und zu effektivieren.

Der jüngste Vorschlag der EU-Kommission enthält wichtige und gute Aspekte – doch an einer Stelle schießt er übers Ziel hinaus und begegnet damit schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken: Er schlägt unter anderem vor, private Unternehmen zum systematischen Scannen von privaten Text-, Bild- und Videoinhalten zu verpflichten. Es bestehen massive Zweifel, dass dies mit geltendem europäischen wie deutschen Grundrecht sowie der EuGH-Rechtsprechung vereinbar ist.  

Trotz einer ganz erheblichen Kritik aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft hält die Kommission bislang an ihrem Vorschlag fest – obwohl auch der EuGH eine Auswertung privater Kommunikation nur im absoluten Ausnahmefall und nicht flächendeckend für zulässig und verhältnismäßig befand.

Durch das flächendeckende Scannen privater Kommunikation aller Bürgerinnen und Bürger mit Hilfe völlig unausgereifter algorithmischer Systeme durch Private und den anschließenden Abgleich mit umfassenden Datenbanken wird auch das Recht auf die anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets offen in Frage gestellt. Verschlüsselung wird bewusst umgangen. Der Vorschlag legt somit die Axt an das Recht auf Vertraulichkeit der privaten Kommunikation.

Aus gutem Grund haben sich die Ampelkoalitionäre im Koalitionsvertrag klar und deutlich gegen Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und für das Recht auf anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets sowie die Stärkung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen ausgesprochen. Dies ist umso bedeutender auch mit Blick auf den Schutz von vertraulichen Informationsräumen auch und vor allem in autoritären Regimen, denen wir keine Blaupause liefern dürfen.

Zentral sind effektive verfassungsrechtlich tragbare Lösungen. Das ebenfalls angekündigte EU-Zentrum zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat großes Potential für die Verbesserung unseres nationalen Kinderschutzsystems durch eine stärkere internationale Vernetzung von Prävention und Hilfen und einem schnellen, betroffenensensiblen Umgang mit Missbrauchsabbildungen.

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