Derzeit ist mal wieder eine Art Kampagne zur Wiedereinführung eines sicherheitspolitischen Zombies, der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung (diesmal in Gestalt einer flächendeckenden Speicherung von IP-Adressen), zu beobachten. Nicht nur auf der jüngsten Innenministerkonferenz (IMK) trommelte man erneut fleißig für die VDS, auch Teile der Medien werben mit teils abstrusen Argumentationen für die Einführung dieses hochumstrittenen, in den vergangenen Jahren vor höchsten Gerichten (BVerfG, EuGH und BVerwG) immer wieder gescheiterten Instruments.

Innenministerium blockiert weiter Quick-Freeze-Vorschlag des Justizministers

Auch die Innenministerin wirbt, zuletzt im Bericht aus Berlin, weiter für die Speicherpflicht. Sie tut dies, obwohl die Vorgaben des Ampel-Koalitionsvertrags in diesem Punkt klarer nicht sein könnten und obwohl Marco Buschmann als Bundesjustizminister vor langem einen Gesetzentwurf für die Schaffung eines Quick-Freeze-Verfahrens als grundrechtsschonende Alternative vorgelegt hat. In ihren jüngsten Äußerungen kündigte Bundesinnenministerin erneut eine Einigung mit dem Justizminister an, dessen Vorlage ihr Haus seit vielen Monaten blockiert. Der jüngste Vorstoß von Nancy Faeser wurde erwartbar deutlich kritisiert, u.a. vom CCC, aber z.B. auch auf netzpolitik.org.

Teile der Union bei Effektivierung der Strafverfolgung längst weiter als die Bundesinnenministerin

Dass es auch ganz anders geht, selbst Teile der Union sich längst inhaltlich weiterentwickelt haben und sich auf verfassungskonforme und tatsächlich zielgerichtete Maßnahmen zur Bekämpfung schlimmer Straftaten wie sexueller Gewalt an Kindern und dessen Darstellung konzentrieren, zeigt ein aktueller Landtagsantrag aus Schleswig-Holstein, wo die Union gemeinsam mit den Grünen regiert. Im direkten Kontrast zu den Dingen, auf die sich gerade die GroKo in Hessen verständigt hat, zeigt hier also eine von der CDU-geführte Koalition, dass es auch ganz anders, nämlich rechtsstaatlich und ohne offenkundig verfassungswidrige Vorhaben en masse geht.

Landtags-Initiative gegen anlasslose Vorratsdatenspeicherung und Chatkontrolle

In dem Antrag wird sowohl der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung eine klare Absage erteilt, als auch der sog. Chatkontrolle, ein weiteres Instrument der anlasslosen Massenüberwachung, das seit Monaten in der Diskussion ist und über das wir hier immer wieder berichtet haben. Unter der Überschrift „Rechtsstaatlicher Schutz unserer Kinder im Netz“ wird zunächst festgehalten, dass der Kampf gegen die Herstellung, den Besitz und die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern in der Landesregierung einen hohen Stellenwert haben und verschiedene Maßnahmen ergriffen wurden, um der Problematik Herr zu werden. So wurden u.a. zusätzliche Stellen bei der Landespolizei zur Auswertung inkriminierten Materials geschaffen und der Weg eröffnet, automatisierte Bilderkennungssoftware und Anwendungen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz bei der Auswertung einzusetzen.

Landesregierung soll sich auf Bundes- und EU-Ebene gegen anlasslose Massenüberwachung einsetzen

Eine anlasslose Telekommunikationsüberwachung in Form der Chatkontrolle, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, lehnt der Schleswig-Holsteinische Landtag indes ab und verweist in diesem Kontext explizit auf die jüngste Positionierung des Europäischen Parlaments. Vor diesem Hintergrund soll der Landtag die Landesregierung auffordern, sich sowohl im Bund als auch auf EU-Ebene gegen eine anlasslose Telekommunikationsüberwachung beziehungsweise die „Chatkontrolle“ einzusetzen. Man selbst betont noch einmal, dass man sich „für eine effektive zielgerichtete Strafverfolgung im Netz unter Anwendung des sogenannten Quick Freeze- Verfahrens” einsetzt.

Außerdem bekennen sich CDU und Grüne in dem Antrag zum Schutz durchgehender Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen bei gleichzeitiger Ermöglichung zielgerichteter, richterlich angeordneter Maßnahmen und bittet die Landesregierung, sich im Bund dafür einzusetzen, dass das im Zusammenhang mit „Cybergrooming“ oder sexueller Gewalt vorgefundene Material zukünftig konsequent orientiert an einem bundesweit abgestimmten Prozess gemeldet und nach Abschluss der Ermittlungen und gegebenenfalls des Strafverfahrens durch die Polizei gelöscht werden kann.

Hier findet Ihr den Antrag (pdf), der von MdL Jan Kürschner, Sprecher für Innenpolitik und Datenschutz der Grünen Landtagsfraktion verhandelt wurde, Anfang kommenden Jahres im Plenum des SH-Landtags debattiert wird.

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