Unter der Überschrift „Schneller Konter“ berichtete die Süddeutsche Zeitung am 31.10.2011 über eine neue Taktik der Polizei gegen gewaltbereite Fußballfans. Da es im direkten Umfeld von Stadien schwer falle, Randalierer aus größeren Fangruppen herauszufischen, greife man seit gut einem Jahr auf eine spezielle Methode zurück, um gezielt zugreifen zu können: Die sogenannte „mobile Massenkontrolle“. Im Zuge dieser werden im Vorfeld von Fußballspielen auf Bahnhöfen große Kontrollpunkte mit mehr als 100 Beamten eingerichtet, an denen „verdächtige Fans“ aussteigen müssen, um nach Feststellung der Personalien fotografiert zu werden. Intern würden diese Kontrollpunkte den Namen “Bearbeitungsstraße” tragen. Um umgehend reagieren zu können, stünden über das ganze Bundesgebiet verteilt spezielle Einsatzkräfte mit der nötigen Ausrüstung bereit. “Eingreifbahnhöfe”, die für derlei Großeinsätze geeignet seien, lege die Bundespolizei schon vor den Spieltagen fest. Anhand von Videos, auf denen zum Beispiel Schlägereien bei vergangenen Spielen dokumentiert sind, will die Polizei dann Verdächtige umgehend ermitteln. Der Präsident der Bundesbereitschaftspolizei, die sich um die Sicherheit in den Zügen und Bahnhöfen kümmert, Friedrich Eichele, der früher die Spezialeinheit GSG 9 leitete: “Wir legen Wert auf Nachhaltigkeit”. Ziel sei es, diejenigen, die Straftaten begingen, vor Gericht zu bringen. Zusammen mit Schadenersatzforderungen und Stadionverboten habe dies eine “hohe abschreckende Wirkung”.

Zu den im Raum stehenden Fragen, v.a. auch zur In welchen Datenbanken oder Dateien werden die bei den mobilen Massenkontrollen gewonnenen Daten und Fotografien wie lange und auf welcher Rechtsgrundlage gespeichert werden und mit welchen anderen Dateien ein Abgleich vorgenommen wird, hatten wir die Bundesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage befragt. Hier findet Ihr einen ausführlichen Blogpost vom 16. November 2011.

An dieser Stelle dokumentieren wir nun die Antwort der Bundesregierung:

Vorbemerkung der Bundesregierung:

Für die Bundesregierung hat die Sicherheit auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisen­bahnen des Bundes und in den Zügen der Eisenbahnen einen hohen Stellenwert. Ge­meinsam mit den Polizeien der Länder und den Eisenbahnunternehmen gewährleistet die Bundespolizei auf der Grundlage ihrer bahnpolizeilichen Aufgabe nach § 3 des Bun­despolizeigesetzes die Sicherheit der Reisenden auf einem konstant hohen Niveau.

Gewalttätige Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Fußballspielen erfolgen auch in der An- und Abreisephase und damit im bahnpolizeilichen Aufgabenbereich der Bundespolizei. Zur Verhinderung von gewalttätigen Auseinandersetzungen, zum Schutz von Sachwerten, insbesondere aber zum Schutz unbeteiligter Reisender sind neben Maßnahmen an Bahnhöfen auch polizeiliche Maßnahmen in fahrenden Zügen unerläss­lich. Im Einzelfall kann es im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe erforderlich sein, dass die Bundespolizei Personenzüge anhält, um Maßnahmen gegen Gewalttäter zu ergrei­fen. Voraussetzung hierfür ist, dass bereits erhebliche Straftaten durch gewalttätige Per­sonengruppen begangen wurden oder zu erwarten sind, weniger einschränkende Maß­nahmen bisher keinen polizeilichen Erfolg hatten oder von vornherein keine Aussicht auf Erfolg haben und bei einem späteren Einschreiten von einer fortgesetzten Begehung von Straftaten auszugehen ist.

Aufgrund der Komplexität der zu ergreifenden polizeilichen Maßnahmen, der erhebli­chen Bedeutung für die reisenden Personen und den betrieblichen Ablauf im Eisen­bahnverkehr hat die Bundespolizei hierzu ein Einsatzverfahren konzeptionell vorbereitet. Die in diesem Zusammenhang erforderlichen Maßnahmen gegen einzelne Personen oder Personengruppen in den Zügen, einschließlich der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten, erfolgen jeweils auf der Grundlage der im Bundespolizeigesetz und der Strafprozessordnung geregelten Befugnisnormen.

Die Entscheidung zur Anwendung dieses Einsatzverfahrens treffen die jeweils verant­wortlichen Behörden der Bundespolizei aufgrund der jeweiligen Lageentwicklung im konkreten Einzelfall.

  1. 1.   Wie oft, wann und im Zusammenhang mit welchen Fußballspielen fanden die soge­nannten „mobilen Massenkontrollen“ statt (bitte einzeln auflisten)?
  2. 2.   Was war jeweils der spezifische Anlass, eine solche Kontrolle durchzuführen, nach welchen Kriterien wurden die zu überprüfenden Züge ausgewählt.

Zu 1. und 2.

Die Bundespolizei hat das in den Vorbemerkungen der Bundesregierung angesprochene Einsatzverfahren bisher bei nachfolgenden acht Anlässen angewendet. (Anm. d. Verf.: Tabellarische Auflistung der einzelnen Maßnahmen aus Platzgründen hier nicht aufgeführt)

3. Wurden bei der Planung bzw. vor der Durchführung einer solchen mobilen Massen­kontrolle jeweils andere Maßnahmen erwogen und aus welchen Gründen wurde eine Massenkontrolle als geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel ausgewählt?

4. Wird die Durchführung mobiler Massenkontrollen langfristig (z.B. bei Beginn der Sai­son), mittelfristig und nach Auswertung bestimmter Vorkommnisse (z.B. nach wiederhol­ten Ausschreitungen im Zusammenhang mit Spielen bestimmter Mannschaften) oder kurzfristig (z.B. anlässlich von Gewalttaten) geplant, wessen Risikoeinschätzungen wer­den dabei zugrunde gelegt, und wer (Bundespolizei, betroffene Landespolizeien, DFB) ist in die Entscheidung eingebunden, im Zusammenhang mit einem bestimmten Spiel mobile Massenkontrollen durchzuführen?

Zu 3. und 4.

Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.

5. Finden ähnliche Kontrollen auch auf Bundesautobahnen statt und wenn ja, werden dort Reisebusse oder auch einzelne PKW kontrolliert, und nach welchen Kriterien wer­den diese ausgewählt?

Zu 5.

Polizeiliche Maßnahmen auf den Bundesautobahnen im Zusammenhang mit Gewaltde­likten anlässlich von Fußballspielen erfolgen in der Zuständigkeit der Polizei der Länder. Aussagen zu hierzu obliegen insofern den jeweils zuständigen Landesregierungen.

6. Werden bei den mobilen Massenkontrollen alle Reisenden einer Ausweiskontrolle unterzogen und fotografiert oder müssen bestimmte konkrete Verdachtsmomente gegen die Person vorliegen?

7. Werden neben der Identitätsfeststellung und dem Fotografieren der Betroffenen bei den mobilen Massenkontrollen noch weitere Maßnahmen ergriffen?

Zu 6. und 7.

Die jeweils erforderlichen Maßnahmen richten sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles auf der Grundlage der einschlägigen gesetzlichen Regelungen.

Reisende, die offensichtlich in keinem Zusammenhang mit dem polizeilichen Anlass stehen, sind – soweit nicht unvermeidbar betroffen – nicht Adressaten der polizeilichen Maßnahmen der Bundespolizei. Diesen Personen wird möglichst schnell die Weiterreise ermöglicht. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen der Bundesregierung verwiesen.

8. Welche Daten werden von den Betroffenen bei einer mobilen Massenkontrolle er­fasst?

Zu 8.

Die Datenerhebung bezieht sich auf Personaldaten, wie zum Beispiel Name und ladungsfähige Anschrift.

9. In welchen Datenbanken oder Dateien werden die bei den mobilen Massenkontrollen gewonnenen Daten und Fotografien wie lange und auf welcher Rechtsgrundlage ge­speichert?

10.    Mit welchen Datenbeständen werden die bei einer mobilen Massenkontrolle gewon­nenen Daten abgeglichen, auf welcher Rechtsgrundlage geschieht diese Verarbeitung und wer hat — außer der Bundespolizei — Zugang zu diesen Daten und in welcher Weise werden sie zu welchen Zwecken weiter verarbeitet?

Zu 9. und 10.

Die Bundespolizei kann die erhobenen Daten in den ihr zur Verfügung stehenden Dateien nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen sowie den jeweils zu Grunde liegenden Errichtungsanordnungen erheben, speichern und abgleichen. In welcher Datei eine Speicherung erfolgt, ist von den jeweiligen Umständen des Einzel­falls und davon abhängig, ob die Speicherung der Abwehr von Gefahren oder der Ver­folgung von Straftaten dient. Gleiches gilt für den Datenabgleich und die Nutzung der erhobenen Daten. Die Dauer der Speicherung richtet sich nach den bereichsspezifi­schen Regelungen sowie der für die jeweilige Datei zu Grunde liegende Errichtungsan­ordnung.

11. Führt die Erfassung bei einer mobilen Massenkontrolle zur Aufnahme des Betroffe­nen in die Datei „Gewalttäter Sport“?

Zu 11.

Eine Speicherung von personenbezogenen Daten in der Datei „Gewalttäter Sport“ er­folgt ausschließlich auf Grundlage einer Einzelfallprüfung nach Maßgabe der bereichs­spezifischen Regelungen sowie der Errichtungsanordnung. Die rechtlichen Vorausset­zungen einer Aufnahme in die Datei „Gewalttäter Sport“ können unter anderem dem Internetauftritt der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze im Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen entnommen werden (www.polizei-nrw.de).

12. In welcher Weise werden die Betroffenen über die Speicherung und Weiterverarbei­tung ihrer Daten informiert, können sie der Speicherung widersprechen, gegen wen ha­ben sie einen Anspruch auf Korrektur oder Löschung und welche Rechtsmittel stehen ihnen zur Verfügung?

Zu 12.

Soweit die Bundespolizei personenbezogene Daten erhebt und verarbeitet richten sich Ansprüche der Betroffenen nach Maßgabe der jeweiligen bereichsspezifischen Rege­lung an die zuständige Behörde. Soweit die zuständige Behörde der Bundespolizei dem Anspruch des Betroffenen nicht abhilft, steht diesem der Verwaltungsrechtsweg offen.

13. In welcher Weise sind die Polizeien der Länder in die Durchführung der mobilen Massenkontrollen sowie in die Auswertung und Verarbeitung der gewonnen Daten ein­gebunden?

Zu 13.

Die Verantwortung für die Einsatzmaßnahmen auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes im Sinne von § 3 des Bundespolizeigesetzes, einschließlich der Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten in diesem Zusammen­hang, obliegt den jeweils zuständigen Behörden der Bundespolizei. Soweit dies erfor­derlich ist, kann sie die Polizeien der Länder um Unterstützung bei der Durchführung polizeilicher Maßnahmen bitten.

14. Werden die bei den mobilen Massenkontrollen gewonnenen Daten am Tag des Ein­satzes in irgendeiner Form an die jeweils an den Einsätzen im Rahmen eines Fußball­spiels beteiligten Landespolizeien, insbesondere die Einsatzleitungen vor Ort, weiterge­geben und mit welchen Auflagen bezüglich der Speicherung, Weitergabe und sonstiger Verarbeitung der Daten geschieht dies?

Zu 14.

Die Bundespolizei kann den Polizeien der Länder personenbezogene Daten übermitteln, soweit dies zur Erfüllung polizeilicher Maßnahmen erforderlich ist. Die Entscheidung hierüber obliegt den jeweils einsatzführenden Behörden der Bundespolizei. Die daten­schutzrechtliche Verantwortung für die übermittelten Daten obliegt der Behörde, der die­se Daten übermittelt worden sind.

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