Die Folgen der Wegwerfgesellschaft

Die sichere, fachgerechte und ressourceneffiziente Verwertung unseres Elektroschrotts ist nach wie vor ein Problem – da waren sich alle Fachleute beim Fachgespräch Elektroschrott am 30. November 2011 einig. Und das Problem gewinnt immer mehr an Brisanz.

Jedes Jahr werden Millionen Handys, Computer und Fernseher verkauft. Die neuesten Elektronikgeräte überfluten den enorm wachsenden Markt. Und für jedes Gerät, das ist die Logik der boomenden Branche, wird es schon bald ein noch besseres Nachfolgemodell geben. Immer schneller sind Elektro- und Elektronikgeräte veraltet oder nicht mehr funktionsfähig und müssen entsorgt werden. Dadurch wächst der Müllberg ausgedienter Geräte weltweit.

Was passiert mit all diesen Geräten?

Elektroschrott enthält viele gefährliche Substanzen wie Blei, Quecksilber, Cadmium, Polybromierte Biphenyle (PBB), Polybromierte Diphenylether (PBDE) und Chromverbindungen. Doch das fachgerechte Recycling von Elektroschrott ist ein großes Problem: Die Rücklaufquoten von Elektro- und Elektronikaltgeräten und damit die Anzahl der recycelten Geräte sind in Deutschland viel zu gering.

Laut Berechnungen der EU werden in Deutschland aktuell jedes Jahr ca. 7,8 kg Elektroschrott pro Kopf gesammelt. Im Jahr 2008 wurden 1,8 Millionen Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte auf den Markt gebracht, aber nur knapp 700.000 Tonnen eingesammelt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von deutlich unter 40 Prozent.

Es werden nur sehr geringe Mengen wertvoller Rohstoffe aus dem gesammelten Elektroschrott wiedergewonnen. Oftmals beschränkt sich das Recycling auf die mengenmäßig häufigsten Materialien wie Kupfer und Stahl.

Die Folgen der unzureichenden Sammlung und Verwertung unseres Elektroschrotts sind dramatisch: Große Mengen aus Deutschland und Europa landen in den Länder des Südens, wo sie den Menschen vor Ort erheblich schaden und die Böden und das Wasser auf Jahrzehnte verseuchen.

Elektroschrott
Christian Hagelüken, Knut Sander, Dorothea Steiner, Ute Koczy und Sandra Spies (v.l.n.r.)

 

Knut Sander vom Ökopol GmbH – Institut für Ökologie und Politik legte dar, dass auf dubiosen Wegen jährlich etwa 155.000 Tonnen elektrische und elektronische Geräten aus Deutschland nach Afrika und Asien exportiert werden, deklariert als „Gebrauchtgeräte“, aber oftmals nicht mehr funktionstüchtig. Die Abgrenzung von Geräten, die weiter verwendet werden, und Geräten zur Entsorgung, kann mit den aktuellen Gesetzen vom Zoll nicht wirksam überwacht werden – es fehlen Sanktionen für jene Unternehmen, die illegal Elektroschrott in Länder des Südens liefern.

Die Präsentation von Knut Sander zu den Problemen mit Elektroschrott findet Ihr hier.

Der Handlungsbedarf ist enorm. Denn mit jedem dubiosen Export exportieren wir auch die Schadstoffe und somit die Probleme für Menschen und Umwelt in die Länder des Südens. In Ghana beispielsweise sind es oftmals Kinder, die auf den Müllhalden das Metall aus dem Elektroschrott heraus holen und dabei ihre Gesundheit riskieren. Zudem gehen der deutschen und europäischen Wirtschaft durch die Exporte wichtige Rohstoffe in großen Mengen unwiederbringlich verloren.

Was muss geschehen?

Selbst mit seiner bescheidenen Sammelquote liegt Deutschland noch über der im Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) festgeschriebene Quote von jährlich 4 kg pro Einwohnerin und Einwohner. Dies reicht bei weitem nicht aus, um ressourceneffizent zu wirtschaften.

Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die anfallenden Mengen an Elektroschrott in der EU-27 von 2009 bis 2014 noch weiter um 12,6 Prozent steigen werden.

Christian Hagelüken, Leiter Geschäftsentwicklung von Umicore Precious Metals Refining – einem der weltweit größten Recyclingunternehmen für Elektroschrott – unterstrich, dass es in Deutschland  und der EU viele Probleme mit der Sammlung und dem Recycling gibt, die umgehend angegangen werden müssen. Die Transparenz des Systems sei nicht gewährleistet – so verschwinde ein Großteil des Elektroschrotts auf grauen Kanälen oder lande in der Verbrennung. Von Sammeln über Demontage und Aufbereitung bis hin zum wirklichen Metallrecycling müsse der Weg des Elektroschrotts nachvollziehbar sein. Auf allen Stufen gibt es Möglichkeiten, das System zu verbessern. Beispiele sind eine verbesserte verbrauchernahe Sammlung, finanzielle Anreize wie Pfandsysteme für Elektronikgeräte, und eine sinnvolle Festsetzung von Zielen und Recyclingquoten im Elektro-Gesetz.

Die Präsentation von Christian Hagelüken zu den Verbesserungsmöglichkeiten im Elektroschrott-Recycling findet Ihr hier.

Sandra Spies von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) machte die Perspektive der Länder des Südens deutlich. Sie erläuterte, dass eine ganze Reihe von Ländern mit zunehmenden Elektroschrottproblemen zu kämpfen habe, neben Ghana zum Beispiel auch Indien, Pakistan, China, Südafrika, Vietnam, Brasilien und die Elfenbeinküste. Die Konsequenzen vor Ort sind zum Teil verheerend. Kooperationen zwischen Deutschland und Partnerländern zum Aufbau von Sammel- und Recyclingstrukturen könnten dazu beitragen, das Problem zu entschärfen. Der Aufbau von Kapazitäten vor Ort ist entscheidend. Dies gilt umso mehr angesichts der Tatsache, dass nicht nur die zunehmenden Importe aus Industriestaaten für den Elektroschrott in Entwicklungs- und Schwellenländern verantwortlich sind, sondern zunehmend auch Elektroschrott in den Ländern selber anfällt. Durch den Transfer von Know-How kann hier gegengesteuert werden.

Die Präsentation von Sandra Spies zu Ansatzpunkten in den Ländern des Südens findet Ihr hier.

Während der Diskussion wurden verschiedene politische Handlungsansätze diskutiert. Diese reichten von der Notwendigkeit durchgehender Entsorgungsnachweise von der Sammelstelle bis zum tatsächlichen Recycling, verbrauchernahe Rückgabemöglichkeiten zum Beispiel im Handel, Pfandlösungen, verpflichtende Funktionskontrollen vor dem Export, Verbesserungen des Vollzugs, Recyclingpartnerschaften mit Ländern des Südens, die Rolle der Bildung, Transparenz bis hin zu Informationsverbesserungen für Verbraucherinnen und Verbraucher.

GRÜNE Bewertung der Ergebnisse

Wir GRÜNE im Bundestag fordern erhebliche Verbesserungen für das Elektroschrott-Recycling in Europa, aber auch schärfere Regeln für den Export von Elektro- und Elektronikgeräten. Unser nicht-nachhaltiges Wirtschaften darf keinesfalls auf Kosten der Länder des Südens gehen, indem die durch unseren Konsum entstehenden Probleme exportiert werden.

Für Dorothea Steiner, umweltpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, und Ute Koczy, entwicklungspolitische Sprecherin, ergaben sich aus der Diskussion mit den Expertinnen und Experten folgende Ansatzpunkte:

  1. Produktdesign:Hier müssen vom Gesetzgeber die Ziele und Ansprüche verbindlich festgelegt werden, zum Beispiel an eine längere Lebensdauer, die Reparaturfähigkeit von Produkten oder der Förderung des Einsatzes von recycelten Materialien in neuen Elektronikprodukten. Zur Herstellerverantwortung im wirklichen Sinn kommt es erst, wenn die Hersteller ihre Geräte so gestalten müssen, dass sie einfach und möglichst vollständig verwertbar sind.Die umweltverträglichste Form des Recyclings von Elektroschrott ist die Wiederverwendung der Geräte oder einzelner Komponenten, auch durch eine Reparatur. Diese wird im jetzigen ElektroG nicht gefördert.
  2. Sammlung verbessern: Die Rückgabemöglichkeiten für Elektro- und Elektronikaltgeräte sind verbesserungswürdig – lange Wege sind für viele Verbraucherinnen und Verbrauchern, gerade mit schwereren Geräten, nicht zu bewältigen. Daher müssen konkrete Regelungen gefunden werden, wie die Sammlung von Elektroschrott verbessert wird. Diese müssen auch den höchsten Anforderungen an das spätere Recycling genügen. Funktionstüchtige oder reparierbare Geräte gehören frühzeitig aussortiert.Finanzielle Anreize wie ein zusätzliches Pfand bei Rückgabe halten wir für einen guten Ansatz, um  Sammelergebnis und -qualität zu erhöhen. Die Ziele und Vorgaben im Gesetz müssen an die Anforderungen der Ressourceneffizienz angepasst werden.
  3. Transparenz: Die Nachvollziehbarkeit, welcher Elektroschrott wo anfällt und was damit geschieht, muss deutlich verbessert werden. Entsorgungsnachweise machen wenig Sinn, wenn sie nur einen Teil der Recyclingkette abbilden. Zudem muss dokumentiert werden, welche Rohstoffe in welchen Mengen in den Geräten verbaut sind. Darüber hinaus müssen die Regelungen im Gesetz vollziehbar gemacht werden – der Vollzug braucht klare Vorgaben und Entscheidungshilfen, welche Elektronikgeräte exportiert werden können und welche nicht.Die Strafen für den illegalen Export von Elektroschrott sind derzeit viel zu niedrig und in der Praxis nicht anwendbar. Benötigt wird eine klare (europäische) Regelung, nach der ein Exporteur nachweisen muss, dass exportierte Geräte funktionstüchtig sind und es sich nicht um Abfall handelt.
  4. Partnerschaften mit den Ländern des Südens: Wir müssen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit die Länder des Südens dabei unterstützen, funktionierende lokale Sammel- und Recyclingsysteme aufzubauen. Dabei müssen wir nicht nur den Export von Elektronikschrott aus Deutschland in afrikanische und asiatische Länder blockieren, sondern wir müssen diese Länder auch dabei unterstützen, Recyclingkapazitäten aufzubauen.Regierungen oder auch besonders betroffene Metropolen können bei der Entwicklung und Implementierung nachhaltiger Recyclinglösungen unterstützt werden. Dabei ist nicht nur die Entwicklungszusammenarbeit gefragt: Denn auch über Industriekooperationen ließen sich bereits erhebliche Fortschritte erreichen. Ziel muss sein, Gesundheitsschutz und die Einhaltung grundlegender sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Standards zu verankern.
  5. Bewusstsein und Anreize schaffen durch Information und Bildung: Verbraucherinnen und Verbraucher bei uns und in den Ländern des Südens müssen erfahren, welcher Rohstoffwert in ihren Produkten steckt, was mit den gesammelten Geräten geschieht und wie die darin enthaltenen Materialien weitergenutzt werden. Es müssen Anreize geschaffen werden, damit ausgediente Wertstoffe wieder in den Kreislauf zurück gelangen.

Nächste Schritte

Das deutsche Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) muss aufgrund neuer EU Regelungen bis Januar 2013 novelliert werden. Auch im angekündigten neuen Wertstoffgesetz wird es Ansatzpunkte zur Verbesserung der Situation des Elektroschrottrecyclings geben. Wir werden bereits jetzt GRÜNE Vorschläge für einen verbesserten Umgang mit Elektroschrott ausarbeiten und unsere Forderungen auch in die europäische Diskussion einbringen. In den Ländern des Südens kann über Recycling-Kooperationen und den Aufbau von Kapazitäten vor Ort die die Situation deutlich verbessert werden. Durch Pilotprojekte könnten hier erste Erfahrungen gesammelt werden. Leitlinie allen Handelns muss sein, den Gefahren für Mensch und Umwelt wirksam entgegenzutreten.

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