Der internationale Protesttag gegen die derzeit im US-amerikanischen Kongress in der Verhandlung befindlichen Gesetzesentwürfe „Stop Online Piracy Act“ (SOPA) und „Protect Intellectual Property Act“ (PIPA) hat auch die Aufmerksamkeit auf Anti-Counterfeiting-Trade-Agreement (ACTA) gelenkt.

Als grüne Bundestagsfraktion beschäftigen wir uns seit gut zwei Jahren intensiv mit ACTA und seinen Auswirkungen – ebenso die Europäische Grüne Fraktion, allen voran Ska Keller und Jan Philipp Albrecht. Am Anfang der Legislatur haben wir eine Kleine Anfrage „Stand und Inhalt der Verhandlungen zum Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) und Gewährleistung von Transparenz durch die Bundesregierung“ gestellt. Die EP-Fraktion hat mehrere Studien in Auftrag geben lassen. Auch hierüber haben wir ausführlich gebloggt. Im Oktober haben sich Konstantin, Ska, Jan und viele Interessierte im Rahmen einer Veranstaltung bei der Böll-Stiftung mit Experten zu  ACTA und dessen Auswirkungen sowie den weiteren Ratifizierungsprozess bei einem ACTA-Lunches ausgetauscht.

Darüber hinaus haben wir die anstehende Ratifizierung des Abkommens eng begleitet und dafür gesorgt, dass sich der Bundestag im Rahmen eines erweiterten Berichterstattergesprächs mit ACTA  beschäftigt. Mittlerweile haben die EU-Regierungen das ACTA-Abkommen durchgewunken. Gestern hat sich der Entwicklungsausschuss (DEVE) des Europäischen Parlaments mit ACTA beschäftigt und die Diskussion über ein Empfehlung zur Annahme oder Ablehnung des umstrittenen Abkommens aufgenommen.

Bei der gestrigen Aussprache über den Entwurf (PDF 105 KB) für eine Stellungnahme, die der Ausschuss an den federführenden Industrieausschuss überweisen wird, wurden auch vielfältige Bedenken, ACTA könnte den Zugang zu günstigen Medikamenten und Generika in Entwicklungsländern beeinträchtigen, geäußert. Sowohl der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII) als auch La Quadrature du Net appellierten an die Mitglieder des Parlaments, sich gegen ACTA auszusprechen und kritisierten, dass der Berichtsentwurf des Entwicklungsausschusses fehlerhaft sei. Heise hatte über die während der gestrigen Ausschusssitzung geäußerten Bedenken ausführlich berichtet.

Auf das Problem von Auswirkungen des ACTA-Abkommens auf die Versorgung von Entwicklungsländern mit günstigen Medikamenten und Generika weisen wir Grünen seit langem hin. In einem Antrag vom 19. Januar 2010 mit dem Titel „Beschlagnahmung von Generika in Europa stoppen – Versorgung von Entwicklungsländern mit Generika sichern“ hatten wir die Bundesregierung aufgefordert,

– die Verhandlungen über ein Handelsabkommen gegen Fälschung und Piraterie (ACTA, „Anti-Counterfeiting Trade Agreement”) sowie internationale Gremien und Verträge nicht dazu zu nutzen, die Balance zwischen dem Menschenrecht auf bestmögliche gesundheitliche Versorgung und dem Schutz geistigen Eigentums in Frage zu stellen. Die Versorgung aller Menschen mit nötigen Medikamenten darf auch nicht durch TRIPS-plus-Regelungen (Verschärfungen der TRIPS-Regelungen durch bilaterale Zusatzverträge) bzw. den Versuch einer unsachgemäßen Auslegung in Frage gestellt werden.

Der Antrag wurde im März 2010 mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion der Linken und der grünen Fraktion abgelehnt.

Nun haben wir einen weiteren Antrag mit dem Titel „Das Menschenrecht auf Gesundheit umsetzen – Zugang zu Medikamenten weltweit verwirklichen“ vorgelegt, in dem wir erneut auf die Problematik eingehen und die Bundesregierung auffordern,

dafür Sorge zu tragen, dass es durch Zollbehörden bei der Anwendung der Regelungen über Grenzmaßnahmen nach dem Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) nicht aufgrund von Namensähnlichkeiten zwischen legal produzierten Generika und Originalmedikamenten zum ungerechtfertigten Verdacht von Markenrechtsverletzungen kommt und damit zu ungerechtfertigten Beschlagnahmen, Durchsuchungen oder sogar zur Vernichtung von Lieferungen lebensnotwendiger Medikamente und dadurch der Zugang zu Medikamenten in Entwicklungs- und Schwellenländern eingeschränkt oder – etwa wegen Verteuerung durch alternative Transportwege – erschwert wird;

Über die weitere parlamentarische Beratung unseres Antrags halten wir Euch auf dem Laufenden.

Wie geht es nun in Sachen Ratifizierung von ACTA weiter?
Nachdem der federführende Industrieausschuss die Opinions der einzelnen mitberatenden Ausschüsse eingeholt hat, ist mit der abschließenden Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments frühestens im Mai oder Juni dieses Jahres zu rechnen. Erst im Anschluss daran werden die nationalen Parlamente das Abkommen ratifizieren. Ein genauer Zeitplan hierfür liegt bislang noch nicht vor.

Derzeit bemüht sich die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament darum, möglichst viele Abgeordnete anderer Fraktionen davon zu überzeugen, sich noch vor der endgültigen Abstimmung über das Abkommen für die Einholung eines Gutachtens des Europäischen Gerichtshofes durch das Europäische Parlament auszusprechen.

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