Am 15. April 2015 hat Bundesjustizminister Heiko Maas seine “Leitlinien” zur Entwicklung eines Gesetztes für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung vorgelegt. Bezüglich seiner persönlichen 180 Grad Wende und die generelle Aufstellung der SPD dadurch schreibe ich jetzt erstmal nichts. Die Leitlinien findet man hier auf der Seite des Justizministeriums.
Hier meine erste Einordnung der Eckpunkte:
- Rebranding der Vorratsdatenspeicherung zur Speicherpflicht ist peinlich. Zumal in den Leitlinien Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist gleich sind. Die Bundesregierung sollte die Menschen nicht für blöd verkaufen. Sie sollte ihr Vorhaben einfach beim Namen nennen, nämlich Vorratsdatenspeicherung. Denn es handelt sich hierbei um eine anlasslose, verpflichtende und umfassende Speicherung von Kommunikationsverkehrsdaten.
- Schutz von Berufsgeheimnisträgern ist nicht gegeben: Ein Verwertungsverbot nimmt keine der Forderungen vom Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof auf. Ob ein Berufsgeheimnisträger hinter einer Telefonnummer oder IP-Adresse steckt, weiß man erst in dem Moment, in dem weitergehend gegen eine Person ermittelt wird, sie also im Sieb und damit in der Datenverwertung hängen bleibt und der Name untersucht wird. Eine Handynummer macht erst Sinn, wenn man den Klarnamen danach auflöst und ob Hermann Müller Rechtsanwalt, Koch oder Seelsorger ist, weiß man schließlich erst, wenn man schon längst in seinen Schutzbereich eingedrungen ist und Vertrauensverhältnisse damit zerstört.
- Datenschutz by Design und default wird für Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen und für Internetzugangsanbieter unmöglich: Der viel beschworene Vorteil, Produkte und Angebote mit „Datenschutz made in Deutschland“ zu verkaufen, wird damit beerdigt. Metadatensparsame Entwicklungen werden mit dem umfassenden Katalog an Speicherverpflichtungen unattraktiv und damit nicht von Seiten der Anbieter realisiert.
- Gefahr von Bewegungsprofilen bleibt: Vier Wochen für Standortdaten sind viel zu lang. Vier Wochen bedeuten je nach Mobilfunknutzung mit einem Smartphone zwischen 2.000 und 20.000 Metadatensätze. Jeder Metadatensatz ist ein Bewegungspunkt. Damit lassen sich Gewohnheiten, Freundeskreise und Reiseprofile eindeutig herausarbeiten. Standortdaten braucht man zur Erstellung von Bewegungsprofilen und zur Funkzellenabfrage, zu nichts anderem.
- Kein Schutz vor Geheimdiensten: Die Einschränkung der Abfrage durch das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz wie auch BND und MAD werden mit keinem Wort erwähnt. Ganz unbenommen sind die Praktiken von ausländischen Nachrichtendiensten legal oder illegal an diese Verkehrsdatensätze zu gelangen. Der Katalog der Straftaten ist viel zu umfassend und ermöglicht Zehntausende oder Hunderttausende Abfragen der dann gespeicherten Vorratsdaten.
Kurzbewertung:
Die Speicherung von Kommunikationsverkehrsdaten gesetzlich klarer zu regeln und genauer auszuführen ist ein längst überfälliger Schritt. Die Eckpunkte von Justizminister Maas bedeuten aber die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung und gerade keine Verbesserung der datenschutzrechtlichen Situation. Unternehmen werden zur Speicherung von Daten verpflichtet, die sie selber gar nicht benötigen. Die betroffenen Unternehmen werden so zu Hilfssheriffs der Bundesregierung. Die Vorgaben der Gerichte (BVerfG und EuGH) werden in den Eckpunkten ignoriert.
Wenn es, so wie von Maas angekündigt, der fertige Gesetzentwurf so aussieht wie seine Eckpunkte, dann ist dies ein weitreichender Eingriff in unsere Grundrechte und beweist, dass diese schwarz-rote Bundesregierung nichts aus den Enthüllungen der vergangenen 22 Monate und dem Kontrollverlust über die Geheimdienste gelernt hat. Statt die digitale Zukunft im Sinne unseres freiheitlichen Rechtsstaats zu gestalten, reitet die Bundesregierung mit der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ein totes Pferd was die Privatsphäre von uns allen untergräbt.
Damit bleibt ein Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe unausweichlich. Die anlasslose Generalüberwachung, der massive Eingriff in die Rechte von BerufsgeheimnisträgerInnen und die weitgehenden Widersprüche zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom April 2014, lassen keine andere Option: Karlsruhe, wir kommen.
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