In unregelmäßigen Abständen berichten wir in der Rubrik “Gastbeiträge“ von eigenen Publikationen in Zeitschriften und Büchern oder geben anderen Menschen die Gelegenheit, hier zu veröffentlichen. Von dieser Möglichkeit macht heute Niklas Nienaß Gebrauch. Niklas ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments, verantwortet für die Fraktion Greens/EFA die Bereiche Regionale Entwicklung und Weltraum und arbeitet zudem an kulturpolitischen Themen.

An dieser Stelle berichtet er über den ersten Bericht überhaupt des Europäischen Parlamentes zum Thema E-Sports und Videospiele, der letzten Donnerstag be­schlos­sen wurde.

Hintergrund

In vielen Debatten im Kulturausschuss wurde mir deutlich, dass immer noch viele Kolleg*innen Gaming & E-Sports nicht ernst nehmen und als irrelevantes Feld ansehen. Zu oft herrscht noch das altbackene Bild von zockenden Nerds im Keller vor. Dieses Bild führte dazu, dass der Sektor politisch nicht ernst genommen wurde und kaum Unterstützung durch die Politik erfahren hat. Und das obwohl der Videospielsektor schon jetzt größer als Hollywood ist und alleine in der EU jährlich einen Umsatz von ca. 23 Mrd. € erzielt. Zudem kommen EU-weit hunderte professionelle E-Sportler hinzu und jede*r zweite Europäer*in gibt an regelmäßig Videospiele zu spielen.

Für mich ist klar, dass der Sektor politische Anerkennung und Unterstützung bekommen muss. Deshalb habe ich mit einigen anderen Mitgliedern des Europäischen Parlamentes dafür gesorgt, dass wir im Kulturausschuss einen Initiativbericht zu dem Thema verfassen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Europäischen Parlaments gibt es nun einen eigenen Bericht zum Thema E-Sports und Videospiele.

Für mich beginnt damit ein neue Zeit, eine Zeit in der wir den Europäischen Videospielsektor aufwerten und beginnen die vielfältigen Vorteile, die Videospiele für unsere Gesellschaft bieten, zu nutzen.

Was genau steht drin?

Die wichtigste Forderung ist, dass die EU Kommission aufgefordert wird eine EU-Videospielstrategie zu erarbeiten, die die gesamte Vielfalt des Sektors mit einbeziehen und den Sektor ganzheitlich nach vorne bringen soll. Diese Strategie soll flankiert werden von besserer und mehr Förderung für europäische Produktionen von Seiten der EU, aber auch durch die Mitgliedsstaaten selbst. Im Europäischen Markt gibt es bereits einige erfolgreiche Studios, wie etwa CD Project Red oder Warhorse Studios. Kreativität, Know-How und Talente sind also vorhanden. Diese müssen gefördert und unterstützt werden. Insbesondere kleinere Independent Producer sind für die kulturelle Diversität der Branche relevant. Staatliche Kulturförderprogramme sollen zugänglicher für den Sektor werden.

Da gesellschaftliche und politische Anerkennung starke Signale sein können, wollen wir, dass Videospiele europäisches Kulturgut werden.

Videospiele können viele Vorteile für unsere Gesellschaft bringen. Sie ermöglichen es, Lerninhalte ganz anders zu vermitteln und können so neue Perspektiven für Geschichte, Wissenschaft und gesellschaftliche Debatten bringen. Außerdem können sie Mittel der Inklusion sein. Menschen mit Behinderung können einen besseren Zugang zu Bildung und sozialen Events bekommen und besser beteiligt werden.

Die Spiele selbst sowie die Plattformen müssen aber auch offen für alle sein. Sexismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit und Mobbing sind Probleme, die bekämpft werden müssen. Dazu müssen Entwickler*innen, aber auch die jeweiligen Communities, in die Verantwortung genommen werden. Dazu gehört es von politischer Seite, besonders gefährdete Gruppen zu schützen.

In diesem Sinne geht es auch um Jugendschutz. Mir ist besonders wichtig, dass in-game Monetarisierungen, z.B. pay-to-win Systeme wie Lootboxen und Glücksspiele, reguliert werden. Auch in-game muss es Verbraucherschutz geben. Gerade Kinder und Jugendliche sind oftmals anfällig für solche Formen von Konsum. Im September hat Jan Böhmermann seine Sendung Magazin Royale diesem wichtigen Thema gewidmet. Methoden der Glücksspielbranche werden bewusst eingesetzt, um die Abhängigkeit der Spieler*innen zu befeuern, auszunutzen und zu monetarisieren. Wir wollen diesem Gebaren einen Riegel vorschieben. Dieser Bericht ist der erste Schritt, um Lootboxen und co. zu verbieten. Deshalb fordern wir die Mitgliedsländer und die EU-Kommission auf konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Nutzer*innen zu schützen!

Ich hoffe, dass die nationalen Regierungen und die EU-Kommission den Ball aufnehmen und sich nun ernsthaft dem Thema widmen.

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