Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Prof. Louisa Specht-Riemenschneider, hat ihren 33. Tätigkeitsbericht (pdf) und damit einen umfassenden Überblick über die aktuellen Herausforderungen und Entwicklungen im Bereich des Datenschutzes und der Informationsfreiheit vorgelegt.

Für die sorgfältige, fundierte und engagierte Arbeit möchte ich mich ausdrücklich bei der Beauftragten und ihrem Haus bedanken. Es ist gut für unser Land, dass wir eine so kompetente und unabhängige Institution an der Seite derer, denen der Grundrechtsschutz ein wichtiges Anliegen ist, wissen – und das Frau Prof. Specht-Riemenschneider dieses Amt so versiert, gewissenhaft und eloquent ausfüllt.  

Der Bericht zeigt der Politik wichtigste Handlungsfelder auf und macht erneut deutlich, wie zentral Datenschutz als Grundrechtsschutz im digitalen Zeitalter ist – insbesondere in Zeiten, in denen staatliche und private Datennutzung stetig zunehmen und Technologien wie Künstliche Intelligenz tief in unseren Alltag eingreifen.

Insbesondere trägt die BfDI erneut dazu bei, mit einem Missverständnis aufzuräumen, das den Diskurs um das Verhältnis von Datenschutz und anderen politischen Zielen immer wieder verschleiert: Datenschutz und Datennutzung, aber auch Datenschutz und Sicherheit sind keine Gegenspieler, vielmehr müssen sie zusammengedacht werden.

Datenschutz ist gelebter Grundrechtsschutz und eine Vorgabe unserer Verfassung, der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und europäischen Rechts. Schon vor diesem Hintergrund mutet es befremdlich an, wenn derzeit erneut manche Stimmen meinen, man müsse den lästigen Datenschutz jetzt einfach einmal beiseitelassen.

Gerade die weltweiten Entwicklungen zeigen uns, dass ein effektiver Grundrechtsschutz nicht nur essentiell ist, um Bürgerinnen und Bürger vor einer immer tiefergehenden Überwachung und Ausforschung zu schützen. Sondern auch, um Unternehmen Rechtssicherheit zu bieten, die für ihre tägliche Arbeit unerlässlich ist.

Wenn wir die Daten unserer Bürgerinnen und Bürger schützen und zeigen, wie digitaler Fortschritt mit verantwortungsvollem Umgang mit Persönlichkeitsrechten zusammengedacht werden kann, kann das – da hat die BfDI ganz recht – gerade auch gegenüber den anderen, oft verantwortungslos agierenden Playern in der Welt, ein echter Standortvorteil sein. Auf diesen Wettbewerbsvorteil im Digitalen mache auch ich seit Jahren aufmerksam.

Datenschutz und Sicherheit – gewiss kein Widerspruch!

Mit Blick auf das – oft auch nur vorgebliche – Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Sicherheitspolitik gibt die BfDI wertvolle Hinweise und spricht wichtige Punkte in der Debatte an.

Völlig klar ist für mich: Deutschland muss deutlich mehr für seine Sicherheit tun. Das ist in erster Linie eine Frage der Ausstattung der Behörden und hier haben wir Grüne mit der Erweiterung des Sicherheitsbegriffs im Rahmen der Grundgesetzänderung viel erreicht.

Aber auch mit Blick auf die technische Ausstattung müssen die Sicherheitsbehörden im 21. Jahrhundert ankommen. Und das stellt man auch nicht in Frage, nur weil man den Schutz von Persönlichkeitsrechten weiter ernst nimmt.

Im Gegenteil gilt doch: Wenn wir über den Schutz von Freiheitsrechten in der Sicherheitspolitik sprechen, geht es in den meisten Fällen um Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Eingriffsbefugnisse, die diesen Vorgaben zuwiderlaufen, stärken die Sicherheit nicht, sondern schwächen sie.

Nicht zuletzt die Diskussion um das Sicherheitspaket der Ampel hat eindeutig gezeigt: Es ist Aufgabe der Politik, hier einen klaren Rahmen vorzugeben statt Freifahrtscheine für nicht näher definierte, häufig von ausländischen, dubiosen Firmen stammende KI-Tools zu erteilen. Denn sonst ist das direkte Resultat solcher ebenso kurzsichtigen wie kostenintensiven Politik nicht nur Wildwuchs unterschiedlicher Tools im föderalen Gefüge sondern vor allem auch das Scheitern vor höchsten Gerichten. Wer so agiert, erweist auch den Sicherheitsbehörden einen Bärendienst!

Die BfDI benennt einige der sich offenkundig abzeichnenden Baustellen sehr klar:

  • Die Koalitionäre in spe planen eine 3-monatige IP-Adressen- und Portnummernspeicherung. Wie das mit höchstrichterlichen Vorgaben, die unter anderem (!) besagen, dass die Speicherdauer auf das absolut Notwendige zu beschränken sei, vereinbar sein soll, kann einem niemand erklären. Zu Recht weist die Bundesbeauftragte für den Datenschutz darauf hin, dass diese Debatte dringend versachlicht werden muss – und dass mit Quick Freeze eine grundrechtsschonende, effektive Alternative bereitsteht.
  • Die Novellierung der Nachrichtendienstgesetze ist überfällig und muss durch die neue Bundesregierung rasch angegangen werden. Dass dann keine Bürgerrechtspartei mehr am Tisch sitzen wird, lässt nichts Gutes hoffen.
  • Im Zuge der Debatte um das Sicherheitspaket hat sich gezeigt: Die Bundesregierung kann zurzeit nicht beantworten, wie sie den biometrischen Abgleich im Internet und die automatisierte Datenanalyse kurzfristig umsetzen will, ohne höherrangiges Recht zu verletzen und/oder mit Anbietern (Clearview.AI, Palantir) zusammenzuarbeiten, die unser Vertrauen nicht verdient haben.

Es ist vollkommen absehbar, dass es massive Anstrengungen braucht, um sicherzustellen, dass teils notwendige Verbesserungen in der digitalen Ermittlungsarbeit (wir Grüne bestreiten ganz sicher nicht, dass es etwa die automatisierte Datenanalyse dringend braucht) nicht auf Kosten der Preisgabe unserer digitalen Souveränität oder der Inkaufnahme eines Stoppschilds aus Karlsruhe in wenigen Jahren geschehen werden.

Daher war und ist es richtig, dass die noch geschäftsführende Bundesinnenministerin hier in den vergangenen Jahren nicht auf Palantir und Co. sondern auf staatliche Eigenentwicklungen gesetzt hat. Wir werden in den kommenden Tagen eigene Vorschläge in die Debatte einbringen und zeigen, wie man es anders und besser machen kann, als die kommende Bundesregierung es vorhat und euch darüber auch hier auf dem Laufenden halten.

Es ist eine höchst fragwürdige Entwicklung, dass es Institutionen wie die BfDI und Parteien wie BÜNDNIS 90/Die Grünen braucht, um darauf hinzuweisen, dass auch im Sicherheitskontext teils seit Jahren bestehende Vorgaben des BVerfG zwingend einzuhalten sind. Denn das sollte doch eigentlich nur die Grundlage sein, auf der man dann in der Sache darüber diskutiert, wie man individuelle Freiheit und kollektive Sicherheit miteinander in Einklang bringt.

Von einem solch versachlichten Diskurs auf dem Boden höchstrichterlicher Vorgaben sind wir leider zurzeit weit entfernt. Das zeigt sich auch daran, dass die vom BVerfG geforderte Überwachungsgesamtrechnung, die ein wichtiger Baustein einer evidenzbasierten Sicherheitspolitik sein muss, im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD keine Rolle (mehr) spielt. Vielmehr reiht sich ein absehbar verfassungswidrigs Vorhaben an das andere!

Auch in dieser Legislaturperiode werden wir Gesetzgebungsprozess sehr eng begleiten. Zudem behalten wir uns explizit vor, auch eigene parlamentarische Initiativen und Vorschläge für einen effektiven Grundrechtschutz vorzulegen.

Der Bundesregierung steht mit der BfDI eine eigene, fachkundige und lösungsorientierte Institution zur Seite. Wir können ihr nur raten, dieses Mal rechtzeitig auf ihren Rat zu hören und die Dinge mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und technisch-juristischen Durchdringungstiefe zu bearbeiten.

Im Übrigen ist fehlender Datenschutz oft genug sogar ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Das hat zum Beispiel die Debatte um im Internet erhältliche Standortdaten gezeigt, mit denen Bewegungsprofile von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden letztlich frei verfügbar waren.

Immer wieder zeigt sich: Datenschutz ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung. Wer gute Sicherheitspolitik betreiben will, muss Grundrechte achten und darf die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit nicht aufkündigen.

Transparenz, Informationsfreiheit und staatliche Verantwortung

Ein wichtiges Signal ist auch die Forderung der BfDI nach einem echten Bundestransparenzgesetz. Seit Jahren fordern auch wir ein solches Gesetz, das endlich aus der bestehenden Holschuld eine gesetzlich verankerte staatliche Bringschuld macht. Die Debatte um die geplante Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes hat zurecht alarmiert.

Für uns Grüne ist und bleibt absolut klar: Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Transparenz. Die Bürgerinnen haben ein Recht auf Zugang zu staatlichen Informationen – nicht nur, um Verwaltungshandeln nachvollziehen zu können, sondern auch als Grundlage für demokratische Teilhabe.

Informationsfreiheit ist ein Grundpfeiler jeder lebendigen Demokratie. Sie stärkt zivilgesellschaftliches Engagement, investigativen Journalismus, wissenschaftliche Forschung und kann auch Treiberin wirtschaftlichen Fortschritts sein, wenn z.B. Start-Ups auf Grundlage staatlicher Daten neue Geschäftsmodelle erschließen. Der Bericht macht erneut deutlich: Der Bund hinkt hier dem internationalen Standards und selbst eingegangen Selbstverpflichtungen, z.B. im Rahmen der Open Government Partnerships, weiter hinterher – das muss sich endlich ändern.

Dass es der unsägliche Plan, das Informationsfreiheitsgesetz sogar abzuschaffen, nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat, bedeutet nur, dass der worst case nicht eingetreten ist. Mit Blick auf die Informationsfreiheit verspricht der Koalitionsvertrag dennoch Rückständigkeit. Das Verständnis von der Verwaltung als Arkanraum, dem insbesondere die Union weiter anzuhängen scheint, gehört in die Geschichtsbücher und nicht in die Pläne einer Koalition, die sich die „Staatsmodernisierung“ auf die Fahnen geschrieben hat. Für ein echtes Umdenken und einen transparenten Staat werden wir weiter an der Seite der BfDI kämpfen.

KI, Forschungsdaten, Datennutzung: Grundrechte auch in der digitalen Transformation mitdenken

Ein weiterer Fokus der BfDI liegt auf dem Umgang mit neuen Technologien – etwa bei der Nutzung von KI und beim Zugang zu Forschungsdaten. Die BfDI fordert hier zu Recht klare gesetzliche Regelungen, die Grundrechte sichern und gleichzeitig innovative Nutzungsmöglichkeiten eröffnen.

Auch ich bin überzeugt: Fortschritt braucht Vertrauen – und Vertrauen entsteht nur, wenn Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, was mit ihren Daten geschieht, ob beim Training von KI-Modellen oder bei der pseudonymisierten Auswertung medizinischer Daten. Wir brauchen ein modernes Forschungsdatengesetz, das Datenschutz und wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung zusammendenkt – und keine rechtlichen Grauzonen, die verunsichern.

Fazit

Der Bericht der BfDI ist ein wertvoller Kompass für die parlamentarische Arbeit in einer digitalisierten Welt. Er zeigt, wie eng Datenschutz, Freiheit, Transparenz und Innovation miteinander verknüpft sind – und wie sehr unsere Demokratie davon profitiert, wenn Grundrechte auch in der digitalen Welt entschlossen verteidigt werden.

Ich kann der kommenden Bundesregierung nur empfehlen, den wertvollen Rat der BfDI sehr ernst zu nehmen. Das wäre gut für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, gut für die Wirtschaft und gut für das Bundesverfassungsgericht, dem es dann einmal erspart bliebe, offenkundig verfassungswidrige Maßnahmen auf das gerade noch  zulässige Maß zurückzudrehen. Eine Politik, die den Daten- und Grundrechtsschutz achtet, ist letztlich eine Politik, die die Bürgerinnen und Bürger und ihre Freiheit ernst nimmt und Deutschland und die Europäische Union als deutlichen Leuchtturm gegen den um sich greifenden digitalen Anarcho-Faschismus von Figuren wie Elon Musk positioniert.

Ich danke der BfDI und ihrem gesamten Team für ihre extrem wichtige Arbeit und werde mich gemeinsam mit meiner Fraktion auch weiterhin mit aller Kraft dafür einsetzen, dass Daten- und Grundrechtsschutz nicht nur auf dem Papier steht, sondern gelebte Realität bleibt – in der Verwaltung, in der Wirtschaft und vor allem in der Sicherheitspolitik.

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