Die Bundesregierung befindet sich derzeit, drei Jahre nach den ersten Enthüllungen von Edward Snowden, endgültig im Überwachungsrausch. Gestern verabschiedete das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf, der den Bundesnachrichtendienst (BND) sehr weitreichende Befugnisse zubilligt. Während die parlamentarische Kontrolle bewusst umgangen werden soll, soll die Massenüberwachung an der Glasfaser und ein „Abhören unter Freunden“ explizit ermöglicht werden. Verfassungsrechtlich sind die Maßnahmen zumindest hoch umstritten. An dieser Stelle dokumentieren wir Konstantins Rede, die er im Zuge der abschließenden 2. und 3. Lesung des „Anti-Terror-Pakets“ am vergangenen Freitag im Bundestag gehalten hat. In ihr hat Konstantin versucht, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Vorhaben aufzuzeigen. Wie immer gilt: Über Kommentare und Anregungen freuen wir uns.
Vor drei Jahren erschütterten von Edward Snowden geleakte NSA-Akten die Welt. Deutlich wurde im Zuge der Aufklärung durch das Parlament, dass der Bundesnachrichtendienst sehr weitgehend und ohne ausreichende Rechtsgrundlage mit der NSA und anderen Diensten kooperiert. Anlässlich des heutigen Kabinettsbeschluss und der Vorlage eines BND-Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung habe ich heute gemeinsam mit Hans-Christian Ströbele das Vorgehen der Bundesregierung kritisiert. Statt die notwendigen, wiederholt angemahnten rechtsstaatlichen Konsequenzen zu ziehen und die Massenüberwachung sowie die Verletzungen von EU-Grundrechtecharta und Grundrechten zu stoppen, sollen die hoch umstrittenen BND-Praktiken nun legalisiert werden. Mit der Erfindung eines neuen „Unabhängigen Gremiums“ aus Bundesrichtern und Bundesanwälten dokumentiert die Bundesregierung ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Bundestag und der parlamentarischen Kontrolle.
Die Große Koalition legt derzeit eine offen verfassungswidrige Initiative nach der anderen vor. Neben der für heute geplanten Verabschiedung eines neuen Anti-Terror-Pakets, der endgültigen Legitimierung von geheimdienstlicher Massenüberwachung durch die Vorlage eines neuen BND-Gesetzes und flankierenden Vorstößen zur Umgehung parlamentarischer Kontrolle erreicht uns nun ein vierter, massiv grundrechtsgefährdender Vorstoß. Die Pläne zur Einrichtung einer neuen Bundesbehörde zur Umgehung von Kryptographie zeigen die Ambivalenz der schwarz-roten Bundesregierung im Bereich der IT-Sicherheit: Statt digitale Infrastrukturen und private Kommunikation von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen effektiv zu schützen, soll der Staat zum Hacker verschlüsselter Kommunikation werden.
Derzeit peitscht die Große Koalition ihr Anti-Terror-Paket durch den Bundestag. Das Verfahren ist nur als Farce zu bezeichnen. Als grüne Bundestagsfraktion werden wir uns auch weiterhin mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einsetzen, dass die Große Koalition das parlamentarische Verfahren nicht missbraucht, um eine sowohl sachbezogene als auch kritische Auseinandersetzung mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zu verunmöglichen. An dieser Stelle dokumentieren wir noch die Stellungnahmen der Sachverständigen der gestrigen Anhörung, die wir als Opposition gemeinsam unter Protest verließen.
Heute hat Andrea Vosshoff den 5. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit vorgelegt. Der Bericht gibt wichtige Impulse und zeigt noch einmal die Notwendigkeit auf, bestehende Defizite im Bereich der Informationsfreiheit abzubauen, ausufernde Ausnahmeregelungen einzudämmen und den bestehenden Flickenteppich auf Bundes- und Landesebene zu vereinheitlichen. Zudem müssen wir neue Ideen aufnehmen. Das Ziel muss die proaktive Veröffentlichung von Informationen bleiben. Die Bundesregierung verschläft das Thema seit Jahren. Die Bundespolitik muss endlich wieder eine Führungsrolle bei der Weiterentwicklung der Informationsfreiheit einnehmen. Ihren Tiefschlaf im Bereich E-Government muss sie endlich beenden und seit Jahren vorliegende Vorschläge zur Weiterentwicklung der Informationsfreiheit aufgreifen.
Heute hat die Opposition geschlossen die öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines „Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ unter Protest verlassen, nachdem deutlich geworden war, dass die Koalitionsfraktion das parlamentarische Verfahren missbraucht, um eine sachbezogen als auch kritische Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf zu verunmöglichen. Insgesamt haben wir kein Verständnis für das Vorgehen der Großen Koalition – dies insbesondere nicht angesichts der verfassungsrechtlich heiklen Fragen, die es zu klären gilt. CDU/CSU und SPD riskieren auf diesem Weg eine weitere Niederlage vor höchsten Gerichten. Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln in dieser Kernfrage der Rechtsstaatlichkeit streiten und notfalls die Vorhaben vor dem Bundesverfassungsgericht beklagen.
Am gestrigen Donnerstag hat der Bundestag auf Initiative der Fraktion Die Linke über einen Antrag „Umfassendes Informations- und Transparenzgesetz schaffen“ debattiert. Während derzeit ein Bundesland nach dem anderen ein Transparenzgesetz vorlegt, tut sich bezüglich einer überfälligen Weiterentwicklung bestehender Informationsfreiheitsgesetze und im Bereich Open Data auf Bundesebene seit Jahren nichts Substanzielles. Scheinbar hat die Große Koalition mittlerweile keinerlei Anspruch mehr, sich diesen wichtigen Themen anzunehmen. Sie vergibt damit massive Chancen, sowohl für die Vitalisierung unserer Demokratie als auch für wirtschaftliche Innovationen, und riskiert, dass Deutschland im internationalen Vergleich zunehmend den Anschluss verliert. Ob das von ihr im Koalitionsvertrag angekündigte Open-Data-Gesetz tatsächlich noch kommt, ist aus heutiger Sicht fraglich.
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