In einer aktuellen Interview-Serie befragt iRights.info Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Bundestagsfraktionen nach ihrer Meinung zum aktuellen Stand der Urheberrechtsformen, die sich die Bundesregierung eigentlich vorgenommen hatte, in dieser Legislatur vorzulegen. Mein Interview im Original, das wir an dieser Stelle dokumentieren, findet Ihr auf den Seiten der von iRights.info. Wie immer gilt: Über Eure Kritik und Anregungen freue ich mich.
Von Notz zum Urheberrecht: „Es geschieht nichts“
Während sich die offenen Rechtsfragen häufen, blockiert sich die Bundesregierung in der Netzpolitik selbst, meint Konstantin von Notz. Im Interview erklärt der netzpolitische Sprecher der Grünen, warum seine Partei in der Urheberrechtsdebatte nicht zerstritten und mutiger als die Piraten ist.
iRights.info: Die Bundesregierung ist nun drei Jahre im Amt. Ein Dauerthema ist das Urheberrecht im digitalen Zeitalter. Welches Zeugnis stellen Sie Schwarz-Gelb hier aus?
Konstantin von Notz: Zugegeben, das Urheberrecht ist ein schwieriges Feld. Doch der Reformbedarf ist seit Jahren hoch. Bislang ist in dem ganzen Bereich so gut wie nichts passiert, bis auf das kürzlich vom Kabinett verabschiedete Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Und selbst das Leistungsschutzrecht könnte im Bundestag scheitern, was ich persönlich auch hoffe. Jüngere Abgeordnete von CDU/CSU und FDP haben zu Recht sehr große Probleme damit. Also als Schulnote würde ich Schwarz-Gelb im Bereich Urheberrecht eine Fünf Plus geben, weil ich kein bösartiger Charakter bin.
„Regierung muss bei Massenabmahnungen handeln“
iRights.info:Wo besteht dringender Reformbedarf?
Konstantin von Notz: Wir müssen zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen unterscheiden. Das Urheberrecht ist vielen internationalen Abkommen und Verträgen geregelt, die man leider nicht von heute auf morgen reformieren kann. Aber die Bundesregierung kann und muss etwa bei der Frage der Massenabmahnungen handeln. Das geht auch kurzfristig. Wir müssen die Abmahnindustrie mit ihren unverhältnismäßig hohen Gebühren und die Kriminalisierung der Nutzer stoppen. Leider steckt hier der Entwurf des Bundesjustizministeriums fest. Die Union blockiert.Eigentlich hat sich die Bundesregierung ja eine ganze Urheberrechtsreform vorgenommen, den sogenannten Dritten Korb. Der soll zum Beispiel wichtige Fragen für die Wissenschaft klären, etwa Open-Access-Verwertungsmodelle. Doch es geschieht nichts.
„Das Denken in Lagern ist der falsche Ansatz“iRights.info:Wer hat Schuld am Stillstand? Die für die meisten Fragen zuständige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder die Union?
Konstantin von Notz: Schuld ist natürlich ein schwieriger Begriff. Das Urheberrecht ist wegen der fulminant widersprüchlichen Interessenlagen vieler unterschiedlicher Interessengruppen ein sehr schwieriges Feld für Reformen. Das gestehe ich auch zu. Und Schwarz-Gelb ist nicht die erste Regierung, der Änderungen schwerfallen. Aber wenn man den Koalitionsvertrag liest, der gerade zum Thema Internet und Digitalisierung einen progressiven Grundton hat, ist man natürlich schwer enttäuscht, wenn überhaupt nichts kommt. Die Regierung blockiert sich in vielen Punkten selbst. Die offenen Rechtsfragen häufen sich. Die Digitalisierung ist Alltag der Bürger und gerät in einen Dauerkonflikt mit dem Urheberrecht, das weitestgehend noch analog geprägt ist.
iRights.info: Auch die Grünen scheinen bei Urheberrechtsfragen wie der Verkürzung der Schutzfristen oder dem File-Sharing uneins zu sein. Während Sie für das netzpolitische Lager stehen, vertritt Ihre Fraktionskollegin Agnes Krumwiede eher die Interessen der Kulturschaffenden. Sind die Grünen in Punkto Urheberrecht zerstritten?
Konstantin von Notz: Nein. Wir sind nicht zerstritten. Ich stehe genauso auf der Seite der Kulturschaffenden wie Agnes Krumwiede. Ich fühle mich auch nicht als Vertreter der sogenannten Netzgemeinde. Denn wer soll diese Gemeinde genau sein, wenn letztlich 90 Prozent der Bevölkerung im Internet unterwegs ist? Genauso wenig bin ich ein verlängerter Arm der sogenannten Content-Industrie, die ihre speziellen Interessen hat. Nein, das Denken in diesen Lagern ist der falsche Ansatz. Darum geht es nicht. Die Digitalisierung wirft als Transformationsprozess gesellschaftspolitische Fragen auf. Wir Grüne suchen gemeinsam nach gesamtgesellschaftlich tragfähigen Antworten.iRights.info: Haben Sie ein Beispiel?
Konstantin von Notz: Wir diskutieren etwa konkret Pauschalvergütungsmodelle für Kreativschaffende. Das ist kein Ansatz, der es einer bestimmten Seite Recht macht. Das ist eine komplexe, gesamtgesellschaftlich gedachte Antwort auf das Vergütungsproblem.iRights.info: Würden Sie sagen, die Grünen stehen eher für eine progressive Netzpolitik?
Konstantin von Notz: Auf unserem Kieler Parteitag im November 2011 haben wir mit 90-prozentiger Zustimmung sehr progressive Beschlüsse in der Netzpolitik gefasst. Sie sind die Grundlage unserer Arbeit.Breitband-Internet als Universaldienst
iRights.info:Bewegen Sie sich auf die Piraten zu oder gibt es entscheidende Unterschiede?
Konstantin von Notz: Ich weiß gar nicht genau, was die Piraten konkret fordern. Bei denen ist vieles offen. Die Piraten lehnen beispielsweise Pauschalvergütungssysteme ab, wenn ich das richtig verstehe. Aber eine Antwort auf die Frage, wie sich Kultur im Netz künftig finanziert, sehe ich nicht. Die Piraten fordern dann oft neue Geschäftsmodelle im Internet. Dagegen hat natürlich niemand etwas. Die fordere ich auch. Aber das ist noch kein Programm.iRights.info: Sie machen bessere Netzpolitik als die Piraten?
Konstantin von Notz: Wir haben zumindest den Mut zu konkreten Beschlüssen. Wir setzen uns etwa für die Netzneutralität und Suchneutralität ein. Suchneutralität meint die ungefilterte Bereitstellung von Suchmaschinenergebnissen. Sie ist für Meinungsbildungsprozesse sehr wichtig. Und wir fordern, dass der Breitband-Internet-Zugang zum Universaldienst wird, vergleichbar mit der Wasserversorgung oder dem Straßennetz. Unser Programm in der Netzpolitik hat mehr Substanz als das aller anderen Parteien.iRights.info: Sie sagen, außer dem Leistungsschutzrecht bleibt bei der schwarz-gelben Netzpolitik nicht viel übrig. Was ist Ihr Haupteinwand dagegen?
Konstantin von Notz: Es hilft niemandem, sondern verursacht nur Probleme. Suchmaschinenbetreiber werden möglicherweise Verlagsinhalte wie Überschriften und Textauszüge aus dem Netz nehmen, statt für die Nutzung zu bezahlen. Journalismus wird damit nicht gerechter entlohnt.„Kritischer Blick auf monopolistische Strukturen“
iRights.info: In der Debatte um das Leistungsschutzrecht zeigt sich wachsender Unmut über Internet-Konzerne wie Google und Facebook, die immer größere Teile des Anzeigenmarkts leerfegen könnten. Aktuell fürchten beispielsweise die Fernsehsender, beim Übergang zum Online-Fernsehen ihre Werbeeinnahmen an Google & Co einzubüßen. Folgt aus dem Unbehagen politischer Handlungsbedarf?
Konstantin von Notz: Ich nehme das Unbehagen auch wahr. Aber wir müssen hier trennen. Wenn es um die Meinungsvielfalt, den Datenschutz und Bürgerrechte im Netz geht, haben wir Grüne einen sehr kritischen Blick auf monopolistische Strukturen. Deshalb fordern wir beispielsweise die Suchneutralität. Wir müssen in diesen sensiblen Bereichen auch über Regulierungen, über den gesetzlichen Rahmen nachdenken. Doch der Wettbewerbsfähigkeit der Presseverlage oder der Fernsehsender im Internet ist mit Gesetzen wie dem Leistungsschutzrecht nicht gedient. Das ist unterkomplex gedacht. Die Inhalte-Anbieter müssen marktfähige Angebote machen. Sie könnten beispielsweise eigene, attraktive News- und Video-Plattformen aufbauen, um die Vermarktung ihrer Inhalte komplett in der Hand zu behalten. Ihnen muss die Transformation in die digitale Welt selbst gelingen. Das Leistungsschutzrecht springt da viel zu kurz. Der Staat kann die Verteilung der Umsätze nicht in dieser Form steuern.Vorratsdatenspeicherung: „CDU/CSU warten auf die Große Koalition“
iRights.info: Sie stellen der Bundesregierung beim Thema Urheberrecht ein schlechtes Zeugnis aus. Was ist – etwas weiter gefasst – netzpolitisch das derzeit drängendste Thema?
Konstantin von Notz: Die Bundesregierung muss sich in Brüssel dringend dafür einsetzen, die EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung zu kippen. Es reicht nicht, die Umsetzung der EU-Richtlinie in der schwarz-gelben Koalition zu blockieren und dafür dann Strafgelder nach Brüssel zu überweisen. Die Regierung muss den EU-Partnern klar sagen, dass diese Form der Überwachung nicht der europäische Ansatz sein muss.iRights.info: Union und FDP sind sich in dieser Frage eben nicht einig…
Konstantin von Notz: CDU und CSU warten einfach darauf, 2013 in eine Große Koalition zu schlüpfen und die Vorratsdatenspeicherung mit der SPD umzusetzen. Das ist angesichts der Dimension des Themas verantwortungslos.
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