Europa hat in einem Kraftakt den europäischen Datenschutz harmonisiert. Diese Modernisierung schützt die Bürgerrechte gegen Facebook, Google und Co. Sie hat massiven politischen Widerspruch erfahren und deshalb teilweise Verunsicherung ausgelöst. Alle Untergangsszenarien blieben aber aus. Doch, das ist das Ergebnis eines von uns beauftragten Gutachtens, es bleibt noch einiges zu tun, um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der Digitalisierung angemessen zu schützen. Hier bleibt die Bundesregierung in der Pflicht.
Wir Grüne im Bundestag haben lange für die Durchsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gekämpft. Sie ist ein Meilenstein für den Schutz von Privatheit und Grundrechten in unserer zunehmend digitalisierten Welt. Trotz aller Unkenrufe: Schon heute setzt die DSGVO international Standards und dient als Vorbild. Zu Recht: Die Datenschutzgrundverordnung bietet Bürgerinnen und Bürgern mehr Schutz vor dem intransparenten Missbrauch persönlicher Daten und Informationen, vor diskriminierenden Entscheidungen, unbegründeter Verweigerung von Krediten oder willkürlicher Überwachung im Alltag.
EIN JAHR DSGVO: GRÜNE BUNDESTAGSFRAKTION STELLT GUTACHTEN VOR
Am 15. Mai 2019 hat die grüne Bundestagsfraktion das Gutachten „Datenschutz im digitalen Zeitalter: Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) – Bilanz ein Jahr nach Inkrafttreten“ (pdf) öffentlich vorgestellt. Als Gutachter waren der ehemalige Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit des Landes Berlin, Dr. Alexander Dix, LL.M., sowie der ehemalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, von der grünen Bundestagsfraktion beauftragt worden. Die Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutzpolitik, Tabea Rößner MdB und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Dr. Konstantin von Notz MdB, haben die bisherige Positionierung der Bundesregierung zur DSGVO kritisiert und gemeinsam mit den beiden Experten wesentliche Ergebnisse des Gutachtens vorgestellt.
UNRÜHMLICHE ROLLE DER BUNDESREGIERUNG IM REFORMPROZESS
Die seit einem Jahr geltende Datenschutzgrundverordnung hatte eine erhebliche öffentliche Debatte ausgelöst. Sie sieht umfängliche Verpflichtungen und Vorgaben zum Schutz des Datenschutzes und der Rechte der Bürgerinnen und Bürger vor. Verwaltungen, Vereine und Unternehmen müssen diesen Vorgaben nachkommen, damit Privatheit und Persönlichkeitsrechte auch in der Digitalisierung gewahrt bleiben.
Rückblickend hat die Bundesregierung insgesamt bislang eine mehr als unrühmliche Rolle gespielt: Sie hat über Jahre nicht nur praktisch jedwede nationale Gesetzgebung bezüglich des digitalen Daten- und Verbraucherschutzes verweigert und die zuständigen Aufsichtsbehörden bewusst kleingehalten. Zudem hat sie das zentrale EU-Reformvorhaben mit allen Mitteln bekämpft und versucht es zu verwässern, wo es nur ging. Falschinformationen ist man nicht mit der notwendigen Entschlossenheit entgegengetreten.
Die entstandene Verwirrung und Rechtunsicherheit hat man von Seiten des federführenden Bundesinnenministeriums bewusst nicht beseitigt, obwohl wir die Bundesregierung wiederholt, auch in parlamentarischen Initiativen, explizit dazu aufgefordert haben. Die zuständigen, seit Jahren überlasteten Aufsichtsbehörden hat man viel zu lang im Regen stehen lassen und die personelle Ausstattung des Bundesbeauftragten erst viel zu spät verbessert.
GUTACHTEN RÄUMT MIT MYTHEN AUF
Beide Gutachter, renommierte Datenschutzexperten und aktive Beobachter und Kommentatoren der jüngsten Datenschutzentwicklung, widerlegen in ihrem Gutachter zahlreiche Behauptungen zu den Folgen der DSGVO. So legen sie unter anderem dar, dass es weder die befürchtete Welle unzulässiger Abmahnungen gegen Kleinstunternehmen und Vereine, noch die behaupteten Einschränkungen der Allgemeinkommunikation gegeben habe. Zwar gebe es nach wie vor erhebliche Verunsicherungen im Hinblick auf Fotografien im öffentlichen Raum, allerdings habe sich die Rechtslage nicht grundlegend geändert.
BUNDESREGIERUNG WAR BEI DER UMSETZUNG DER DSGVO SCHLECHT VORBEREITEN
Auch wenn die notwendigen Anpassungen an die neuen EU-Vorgaben zweifellos für alle Beteiligten auch mit Mühen verbunden sind, bringt die DSGVO als einheitlicher europäischer Rechtsrahmen viele Vorteile, auch und gerade für die deutsche Wirtschaft. Umso bedauerlicher ist es, dass die Bundesregierung seit Geltung der DSGVO zusätzliche Ängste geschürt hat, statt diese zu nehmen. Die Bundesregierung hat es trotz einer jahrelangen Übergangsfrist verpasst, kleine und mittlere Unternehmen, Selbstständige und Privatpersonen ausreichend über die Änderungen zu informieren und sie bei der Umsetzung zu unterstützen sowie Aufsichtsbehörden ausreichend auszustatten. Hierzu hatten wir sie wiederholt aufgefordert. Beides bleibt auch weiterhin dringend nötig. Denn nur so ist garantiert, dass die Reform tatsächlich ein Erfolg und echter Standortvorteil für Europa wird. Das Gutachten betont, dass Deutschland insgesamt schlecht vorbereitet in die Umsetzungsphase eines solch komplexen Vorhabens gegangen sei und kritisiert die Rolle der Bundesregierung bei der Schaffung von Rechtsunsicherheiten. Für die Datenschutzgrundverordnung selbst werden verschiedene Klarstellungen angeregt.
ERGÄNZENDE SCHUTZMECHANISMEN WEITERHIN NOTWENDIG
Die Autoren sehen sowohl die Bundesregierung als auch den europäischen Gesetzgeber weiterhin in der Pflicht. Ergänzende Schutzbestimmungen für Verbraucherinnen und Verbraucher, wie etwa in Entwürfen zur geplanten E-Privacy-Verordnung vorgesehen, aber auch konkretisierende Bestimmungen im Hinblick auf Scoring und Profiling seien dringend notwendig, um einen Mindestschutz vor Tracking, Profilen und ungewollter Manipulation bei der Nutzung von Online-Angeboten zu erreichen. Auch in Bezug auf Sorgen vor möglichen missbräuchlichen Abmahnungen hätte die Bundesregierung längst etwas tun können. Auf diese Problematik weisen wir seit langem hin. Dass nun, wenn auch mit einjähriger Verspätung, ein Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Justiz vorgelegt wird, begrüßen wir ausdrücklich. Gleichzeitig fordern wir die Bundesregierung auf, weitere Schritte zur Schaffung von Rechtssicherheit endlich anzugehen und gemeinsam mit den Ländern auf eine angemessen Ausstattung der zuständigen Aufsichtsbehörden hinzuwirken. Denn nur so kann Beratung geleistet und Rechtsverletzungen auch tatsächlich geahndet und sanktioniert werden.
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