Vor Kurzem fand eine Veranstaltung des Branchenverbandes eco mit dem Titel “Der verwarnte Nutzer – sollen Provider ihre Kunden maßregeln?” statt. Auf der Veranstaltung wurde vor allem die Frage diskutiert, ob Internet-Provider bei Urheberrechtsverletzungen Warnhinweise an ihre Kunden verschicken sollen. Diese Debatte wurde in den letzten Wochen und Monaten intensiv geführt – auch da die FDP-Bundesjustizministerin entsprechende Warnhinweismodelle ablehnt, gleichzeitig aber das ebenfalls von der FDP geführte Bundeswirtschaftsministerium kürzlich eine Studie der Fachhochschule Köln hat erstellen lassen, die sich für ein solches “vorgerichtliches Mitwirkungsmodell” ausspricht.

Der Branchenverband eco hat ein rund 40-seitiges Gegengutachten in Auftrag gegeben, das unter der Leitung des renommierten Professor Hoeren (Universität Münster) erstellt wurde und zu dem Schluss kommt, dass derartige Modelle aus vielfältigen Gründen rechtswidrig sind. Die münsteraner Forscherinnen und Forscher teilen die Einschätzung des im Auftrag des BMWi erstellten Gutachtens, das Warnhinweisen eine Vereinbarkeit mit datenschutz-, europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben bescheinigte, explizit nicht. Insgesamt lässt die Studie der Münsteraner kein gutes Haar an dem vom BMWi in Auftrag gegeben Gutachten. Über die Veranstaltung und die Ergebnisse der Studie, die auf den Seiten des eco abrufbar ist, hatten wir ausführlich gebloggt.

Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium will die Vorschläge der BMWI-Studie Mitte März mit betroffenen Unternehmen diskutieren. Zudem kündigte das BMWi an, „noch im ersten Halbjahr 2012“ zu einer Entscheidung kommen zu wollen. Anlässlich höchst widersprüchlicher Aussagen von Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung bezüglich in Sachen Warnhinweismodellen habe ich im Rahmen der gestrigen Parlamentarischen Fragestunde eine Frage an die Bundesregierung gerichtet.

Die von mir eingereichten Fragen lauteten wie folgt:

Inwieweit führt des vom Branchenverband eco in Auftrag gegebene „Kurzgutachten zur BMWi-Studie über Modelle zur Versendung von Warnhinweisen durch Internet-Zugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen“, das zu dem Schluss kommt, dass gegen des in der Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vor­geschlagene Warnhinweismodell ,sowohl aus politischer, praktischer, technischer als auch aus rechtlicher Sicht erhebliche Bedenken“ bestehen, zu einer Neubewertung der bisherigen Pläne des BMWi, und ist innerhalb der Bundesregierung im Allgemeinen und unter den FDP-geführten Bundesministerien im Speziellen mittlerweile eine Einigung über die Position be­züglich des Einsatzes derartiger Warnhinweismodelle erfolgt?

Die Antwort der Bundesregierung auf meine Frage lautet:

Einer Neubewertung der Studie zu den Warnhinweisen bedarf es nicht, da die Überlegungen der Bundesregierung zu dieser Studie noch nicht abgeschlossen sind. Die Bundesregierung wird die Studie mit den am Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern. Sie wird sodann über weitere Schritte und die rechtliche Bewertung möglicher konkreter Ausgestaltungen eines solchen Modells entscheiden. Wissenschaftliche Gutachten zur Bewertung der Studie, wie das von eco in Auftrag gegebene Gutachten, werden in die Überlegungen der Bundesregierung mit einbezogen werden.

Bewertung der Antwort der Bundesregierung:
Natürlich war meine Frage nicht, ob von Seiten der Bundesregierung eine Neubewertung der Studie vorgenommen wurde, sondern ob sich an den Plänen des BMWi, den zukünftigen Einsatz von Warnhinweismodell zumindest zu prüfen, etwas geändert hat.

Während man es ja mittlerweile gewöhnt ist, dass es innerhalb der Bundesregierung in vielen Fragestellungen teils erhebliche Abweichungen zwischen FDP und CDU/CSU gibt, ist es bislang eher selten, dass nun auch zwischen FDP-geführten Ministerien untereinander Konflikte so offen ausgetragen werden. Während sich das BMWi klar für die Prüfung von Warnhinweismodellen ausspricht, spricht sich das BMJ gegen die Einrichtung derartiger Modelle aus. So gab die Bundesjustizministerin in einem erst kürzlich veröffentlichtem youtube-Video noch zu Protokoll, dass man entsprechende Modelle ablehne und Provider nicht zu  Hilfssheriffs machen wolle. Der Widerspruch zwischen FDP-geführtem BMJ und ebenfalls FDP-geführtem BMWi ist in dieser Frage dermaßen offensichtlich, dass sich meine Frage auch darauf bezog, ob es innerhalb der Bundesregierung im Allgemeinen, aber eben auch unter den FDP-geführten Ministerien im Speziellen, bereits zu einer Einigung gekommen ist. Eine solche Einigung ist – ganz offensichtlich – bisher nicht erfolgt. Da ist es nur wenig beruhigend, dass die Bundesregierung in die weiteren Beratungen bezüglich des zukünftigen Einsatzes von Warnhinweismodellen auch wissenschaftliche Gutachten wie das vom eco in Auftrag gegebene einbeziehen will.

Grundsätzlich, auch das wird anhand der Antwort auf meine Frage deutlich, hält die Bundesregierung weiterhin an der konkreten Prüfung von Warnhinweismodellen und dem bisherigen Zeitplan fest. Das ist angesichts der massiven Bedenken, die gegen entsprechende Modelle weiterhin bestehen, sehr bedauerlich.

 

Zu mündlichen parlamentarischen Fragen im Allgemeinen:
Grundsätzlich hat jeder MdB die Möglichkeit, pro parlamentarischer Fragestunde zwei mündliche Fragen an die Bundesregierung zu richten. Diese müssen im Vorfeld schriftlich eingereicht werden und werden dann während der Fragestunde (in der Regel von einem Staatssekretär, gelegentlich aber auch von der Ministerebene) beantwortet. Zu jeder Antwort können spontan zwei Nachfragen gestellt werden. Diese müssen nicht vorher schriftlich eingereicht werden. Grundsätzlich kann jedes Mitglied des Bundestages auch zu den Antworten auf die Fragen, die ein anderer MdB eingereicht hat, Nachfragen stellen.

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