Gestern hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung in einer Pressemitteilung die Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich das ELENA-Gesetz zurückzunehmen und alle bisher bei der Zentralen Speicherstelle (ZSS) gespeicherten Daten zu löschen.

Zu Recht schreibt der AK, dass in der Öffentlichkeit derzeit die Annahme vorherrsche, dass das ELENA-Verfahren gestoppt sei. Tatsächlich sei der Datenabruf nach einem Beschluss des schwarz-gelben Koalitionsausschusses jedoch lediglich um zwei Jahre verschoben worden. Die Sammlung sensibler persönlicher Daten laufe unterdessen ungehindert weiter.

In der Tat ist das ganze Vorgehen der Bundesregierung in Sachen ELENA nur schwer nachvollziehbar. Wir hatten bereits Anfang Februar die Bundesregierung mit unserem Antrag „ELENA aussetzen und Datenübermittlung strikt begrenzen“ mit Hinweis auf die eklatanten verfassungsrechtlichen Bedenken aufgefordert, die Datenübermittlung zu stoppen. Auch nachdem die Koalitionen von CDU/CSU und FDP es trotz völlig anderslautender öffentlicher Äußerungen vorzogen, unseren Antrag auf Aussetzung und Überarbeitung des Verfahrens nicht zuzustimmen, haben wir die Bundesregierung immer wieder zu ihrem weiteren Vorgehen in Sachen ELENA parlamentarisch befragt. Zu den Hintergründen und den Fragen, die wir bisher an die Bundesregierung gestellt haben, habe ich ja vereits hier ausführlich gebloggt.

Bereits am Tag der Verschiebung des Starts des Verfahrens, dem 19. November 2010, hatten wir auf den Umstand hingewiesen, dass es sich hier um ein durchsichtiges Täuschungsmanöver der Bundesregierung handelt: Die ohnehin bestehenden massiven verfassungsrechtlichen Bedenken haben sich durch durch die Verschiebung nicht nur nicht gelöst, sie bestehen vielmehr fort und haben sich sogar noch verstärkt. So sind die übermittelten Daten nun nicht vor dem Start des Projektes im Jahr 2014 abrufbar. Dementsprechend können auch keine Auskünfte über die gespeicherten Daten herausgegeben werden, was eklatant gegen das verfassungsrechtlich garantierte Auskunftsrecht verstößt.

Vor diesem Hintergrund haben wir die Bundesregierung bereits am Tag der Verschiebung noch einmal mit Nachdruck dazu aufgefordert, die Datenübermittlung im Zuge von ELENA endgültig zu stoppen und die bestehenden Datenbestände unverzüglich zu löschen. Von Seiten der Bundesregierung war immer wieder zu hören, dass man an einer neuen Gesetzesvorlage mit Hochdruck arbeite.

Am 23. November 2010 habe ich die Bundesregierung dann schriftlich dazu befragt, wann mit einer tatsächlichen Aussetzung des Verfahrens und einer entsprechenden Löschung der Daten zu rechnen sei. Die genaue Frage lautete:

Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass es, nachdem die Testphase des ELENA-Verfahrens um zwei Jahre verschoben wurde, als Konsequenz hieraus auch dringend angeraten wäre, die Übermittlung der betreffenden Daten schnellstmöglich auszusetzen und bereits übermittelte Daten zu löschen, um so einen datenschutz- und verfassungsrechtlich untragbaren Zustand, nämlich den, dass einem Auskunftsanspruch der Beschäftigten über die übermittelten Daten nicht vor dem Jahr 2014 nachgekommen werden kann, ein Ende bereitet wird und für wann plant die Bundesregierung  die Aussetzung der Datenübermittlung?

Am 30. November 2010 antwortet die Bundesregierung knapp:

“Innerhalb der Bundesregierung findet derzeit eine Prüfung über das weitere Vorgehen zu ELENA statt. Eine Verschiebung des verpflichtenden Datenabrufs macht eine Änderung der gesetzlichen Regelungen zum ELENA-Verfahren erforderlich. Im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens werden die rechtlichen Konsequenzen der Verschiebung des verpflichtenden Datenabrufs zu regeln sein.”

Da es zwischenzeitlich noch immer keine Neuigkeiten in Sachen ELENA gibt, vielmehr nun bekannt wurde, dass man sich innerhalb der Bundesregierung scheinbar noch nicht einmal darauf einigen kann, welches Ministerium zuständig ist (Wirtschafts- oder Arbeitsministerium), habe ich der Bundesregierung am 31. Januar 2011 folgende Fragen gestellt:

1) Ist die Prüfung über das weitere Vorgehen zu ELENA innerhalb der Bundesregierung (Antwort der Bundesregierung auf Schriftliche Frage vom 23. November 2010) bereits abgeschlossen und was ist das Ergebnis dieser Prüfung, besonders hinsichtlich der Frage, ob und wann es von Seiten der Bundesregierung eine Änderung der gesetzlichen Regelungen zum ELENA-Verfahren und eine damit einhergehende Löschung von übermittelten Daten geben soll?

2)Gibt es, nachdem Bundeswirtschaftsminister Brüderle die Testphase um zwei Jahre verlängert und angekündigt hat, dass die Federführung des Projekts zukünftig beim Arbeitsministerium liegen solle, innerhalb der Bundesregierung mittlerweile eine Einigung darüber, welches Ministerium die Federführung beim so genannten “elektronischen Entgeltnachweis“ (ELENA) innehat und sind Medienberichte (Handelsblatt vom 18.01.2010) zutreffend, wonach die Frage der Federführung bereits im Dezember im Koalitionsausschuss beschlossen wurde, nun innerhalb der Bundesregierung die Frage der Federführung jedoch erneut strittig ist und auch mehrere Staatssekretärsrunden bislang keine Einigkeit herbeiführen konnten?

Gerne halte ich Euch über die Antworten der Bundesregierung auf meine Fragen bezüglich des weiteren Vorgehens in Sachen ELENA auf dem Laufenden.

UPDATE vom 10.02.2011:

Die Antworten der Bundesregierung auf meine schriftlichen Fragen liegen nunmehr vor – und sind ernüchternd.

Auf die Frage nach dem weiteren Vorgehen der Bundesregierung im Allgemeinen und der Vorlage einer neuen gesetzlichen Regelung im Speziellen antwortet die Bundesregierung lapidar:

„Die Prüfung über das weitere Vorgehen im ELENA-Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.“

Auf die (zweite) Frage, ob die Federführung innerhalb der Bundesregierung mittlerweile geklärt ist, antwortet die Bundesregierung:

„Der Koalitionsausschuss hat beschlossen, dass die Zuständigkeit für das ELENA-Verfahren auf das BMAS (Anm. d. Verf.: Bundesministerium für Arbeit und Soziales) übergehen soll. Die zum Vollzug dieser Entscheidung erforderlichen Maßnahmen werden derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt.“

Bewertung der Antworten der Bundesregierung:

Die erste Antwort der Bundesregierung bedarf im Grunde genommen keiner weiteren Erklärung: Die Bundesregierung hat auch weiterhin keinen Plan, wie sie mit dem ELENA-Verfahren zukünftig umgehen will. Zwar kündigt sie seit der Verschiebung der Testphase um zwei Jahre im November eine neue gesetzliche Regelung an, konkrete Pläne hierfür gibt es aber scheinbar noch nicht. Der offenkundig verfassungsrechtliche unhaltbare Zustand, dass weiterhin Daten übermittelt werden, diese aber nicht vor dem Jahr 2014 abgerufen werden können, soll nach dem Willen der Bundesregierung in absehbarer Zeit offenbar nicht abgestellt werden.

Der Grund, warum noch immer keine konkreteren Pläne von Seiten der Bundesregierung vorliegen, scheint, das zeigt die Antwort auf meine zweite Frage deutlich, in der Tat darin zu liegen, dass man sich koalitionsintern noch immer nicht über die Frage der Federführung einigen konnte.

So wird zwar einerseits bestätigt, was wir alle bereits wussten, nämlich dass es bereits im Dezember einen Kaninettsbeschluss gab, nach dem die Federführung an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Ministerin v.d. Leyen) übertragen wurde. Dass die Federführung derzeit, dem Kabinettsbeschluss folgend, auch beim BMAS liegt, ist schlicht und einfach auch daran zu erkennen, dass das BMAS die Beantwortung der Frage vorgenommen hat. Diese Aufgabe liegt immer beim federführenden Ministerium.

Andererseits, und das ist das Interessante an der Antwort, zeigt die Formulierung, dass die Zuständigkeit in Sachen ELENA erst auf das BMAS übergehen „soll“, dass man in dem Ministerium, wie nicht anders zu erwarten war, mit der jüngsten Entscheidung alles andere als glücklich ist und offenbar alles daran setzen will, das wenig reizvolle Thema ELENA wieder abzugeben. Dies wird auch in der Formulierung, dass „die zum Vollzug dieser Entscheidung erforderlichen Maßnahmen […] derzeit innerhalb der Bundesregierung“ noch abgestimmt werden, deutlich.

Die Antworten der Bundesregierung legen den Schluss nahe, dass es in der Tat richtig ist, was das Handelsblatt vermutet hat. Bundeswirtschaftsminister Brüderle (FDP) hat die Gelegenheit des Koalitionsausschusses ( in dem Bundesarbeitsministerin v.d. Leyen nicht Mitglied ist) im Dezember genutzt hat, die Federführung bei dem unliebsamen Projekt an das BMAS abzugeben und man dort nicht gerade erfreut über die Entscheidung des Koalitionsausschusses war und seitdem alles versucht, das Projekt an das Bundeswirtschaftsministerium zurück zu geben.

Die Bundesregierung, so müssen wir heute also konstatieren, hat die letzten drei Monate damit zugebracht, eine weitere schwarz-gelbe Koalitionsbaustelle zu pflegen, anstatt sich endlich für Abhilfe eines offenkundig verfassungsrechtlich unhaltbaren Zustandes einzusetzen und eine neue gesetzliche Regelung vorzulegen – ein echtes Armutszeugnis. Wir werden die Bundesregierung auch weiterhin mit aller Entschiedenheit dazu drängen, endlich eine neue gesetzliche Regelung vorzulegen.

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